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       # taz.de -- Choreografinnen in Berlin vorgestellt: Der Mut, Schwäche zu zeigen
       
       > Erstmals in Deutschland zu sehen waren die Stücke „On Stage“ und „Anda,
       > Diana“ von Diana Niepce und Maria Hassabi im Radialsystem in Berlin.
       
   IMG Bild: In „Anda, Diana“ arbeitet Diana Niepce mit Baxi Ostrowski und Joazinho da Costa
       
       Mit Diana Niepce und Maria Hassabi stellte das Radialsystem in Berlin am
       letzten Wochenende im April zwei Choreografinnen vor, die in Berlin und
       Deutschland bisher kaum bekannt sind. Maria Hassabi, geboren 1973, ist in
       New York und Athen zu Hause und arbeitet als Performerin mit Bezügen zur
       bildenden Kunst und Skulptur. Diana Niepce aus Portugal, 1985 geboren, hat
       als Tänzerin mit vielen internationalen Künstlern gearbeitet, darunter die
       Company Rosas, La fura del baus, Felix Ruckert, Jèrome Bel.
       
       Während Hassabi in „On stage“ einem konzeptuellen Ansatz nachgeht und mit
       beinahe statischen, sich nur langsam verschiebenenden Körperposen die
       Projektionen der Zuschauenden herausfordert, begann für Diana Niepce ein
       neuer Abschnitt in ihrer Kunst mit einem Unfall, einem Sturz vom Trapez,
       Verletzungen des Rückenmarks.
       
       Seitdem ist sie zu einer wagemutigen und international bekannten
       Protagonistin der [1][disability arts] geworden. Sie hat Performances für
       Rollstuhlfahrende auf der Bühne und im öffentlichen Raum entworfen und sie
       transformiert den Umgang mit dem verletzten Körper in Bilder, die von
       Vertrauen, Solidarität und Mut erzählen.
       
       „Anda, Diana“ kam vor fünf Jahren in Lissabon heraus, wurde mit einem Preis
       ausgezeichnet und war nun erstmals in Deutschland zu sehen. Diana Niepce
       ist eine kleine, schmale, sehr zierliche Tänzerin – sie geht den beiden
       Tänzern, mit denen sie auftritt, Baxi Ostrowski und Joãozinho da Costa, nur
       bis knapp zur Brust. Von ihnen wird sie getragen, über die Schulter gelegt
       wie eine Puppe, in den Achseln gehalten, an der Hüfte gepackt und an einer
       Wand hochgeschoben.
       
       Das erzeugt besonders zu Beginn Bilder von großer Ambivalenz. Die Stärke
       der Männer gegenüber ihrer Schwäche, deren große Hände an ihrem kleinen
       Körper, die Intimität, wenn die Tänzer ihr Gesicht in Niepces Schoß tauchen
       und sich ihre Beine über die Schulter legen. Die Möglichkeit des
       Missbrauchs der körperlichen Kraft erzeugt eine angstvolle Stimmung.
       
       Aber die verändert sich im Laufe der einstündigen Performance. Mit ihrem
       beweglichen Torso und den Armen übernimmt Niepce das Steuern der Bilder.
       Sie beugt sich rückwärts über den Schädel eines Partners, sie wickelt sich
       ihm um den Hals. Mit den Ellbogen verketten die drei ihre Körper, Trios
       entstehen mit ungewöhnlich verhakelten Gliedern.
       
       ## Ein schmerzhafter Weg
       
       Aus dem Mut, ihre Schwäche und Verletzbarkeit zu zeigen, entsteht die
       Stärke von Diana Niepce in dieser Performance. Sie erzählt damit auch vom
       Erlernen der Kunst, Hilfe anzunehmen. Man erlebt das mit als einen
       schmerzhaften Weg, über dem immer noch ein ängstliches Zittern liegt, der
       aber auch zu glückhaften Momenten führt.
       
       Was die Performances von [2][Diana Niepce] und [3][Maria Hassabi]
       verbindet, ist ein Hinterfragen von Normen. Aber auch ein Gefühl der
       Beklemmung, das nicht zuletzt durch ein anstrengendes Sounddesign bei
       beiden Künstlerinnen erzeugt wird. Doch während bei Niepce die emotionale
       Anteilnahme wächst, bleibt „On Stage“ von Hassabi eine kühle Konstruktion.
       
       Im Raum der großen Bühne bannt sie das Licht an einem Fleck fest.
       Standbein, Spielbein, nur sehr langsam finden Wechsel in den breitbeinigen
       Positionen statt. Die Hände in den Hosentaschen, das Kinn leicht gehoben –
       Hassabi gleitet durch Haltungen der Provokation, der Ablehnung, der
       Verschlossenheit.
       
       Klein sind die Veränderungen, eine Hüfte schiebt sich vor, eine Schulter
       zurück, eine Hand stützt sich auf ein Knie, wozu werden wir da
       herausgefordert? Es ist ein Spiel mit Bildern von Körpern, wie sie oft in
       der Werbung benutzt werden, um Coolness und Lässigkeit zu performen. Das
       begreift man schon. Aber über eine Stunde hinweg ist es doch schwer,
       aufmerksam zu bleiben.
       
       28 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Disability--Performance-Festival-Berlin/!6047084
   DIR [2] https://aniepce.com/
   DIR [3] http://mariahassabi.com/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Bettina Müller
       
       ## TAGS
       
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