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       # taz.de -- Obdachlos in der Kleinstadt: Schleswig setzt auf Housing First
       
       > Die Diakonie baut mit Fördergeld des Landes eine Unterkunft in Schleswig.
       > Dort sollen Bewohner*innen lernen, die Wohnungslosigkeit zu
       > überwinden.
       
   IMG Bild: Schön hier. Aber ohne Dach überm Kopf ist es auch an der Schlei nicht so geil
       
       SCHLESWIG taz | Erst ein Dach über dem Kopf, dann der ganze Rest: In der
       26.000-Einwohner:innen-Stadt Schleswig entsteht [1][ein
       Housing-First-Projekt, in das Wohnungs- und Obdachlose einziehen können].
       Denn längst ist die Wohnungslosigkeit kein reines Metropolen-Problem mehr.
       Möglich wird der Neubau durch die Zusammenarbeit von Diakonie, Stadt und
       Land. Am Montag fand der erste Spatenstich statt.
       
       „Für mich und alle Beteiligten ist das heute ein wunderbarer Tag“, sagte
       Bernd Hannemann, Vorstand der Stiftung Diakonie Schleswig-Holstein. Die
       Diakonie betreut landes- wie bundesweit zahlreiche Hilfen für Menschen, die
       keine feste Wohnung haben.
       
       Deren Zahl steigt, auch in Schleswig-Holstein: Über 10.000 nahmen im Jahr
       2024 Angebote der diakonischen ambulanten Wohnungslosenhilfe in Anspruch.
       Das Statistische Bundesamt [2][zählte in einer Stichproben-Auswertung]
       Anfang Februar 2024 sogar 28.000 Menschen, die in dieser Nacht in Not- oder
       Sammelunterkünften schliefen.
       
       In Hamburg waren es rund 36.000, in Niedersachsen etwa 33.000 und in Bremen
       5.600. Darunter waren jeweils etwa ein Drittel Geflüchtete aus der Ukraine.
       
       ## Erst mal eine feste Bleibe
       
       „Als Stiftung wollen wir das Geld nicht nur zur Bank tragen, sondern
       unmittelbar investieren“, erklärt Hannemann. Ein weiteres
       Housing-First-Gebäude mit neun Wohnungen entsteht zurzeit in Kiel in
       Zusammenarbeit [3][mit der Obdachlosen-Initiative „Hempels“], die unter
       anderem die gleichnamige Zeitschrift herausgibt. In Schleswig sollen es 15
       Wohnungen werden.
       
       Ein Teil davon sind Notunterkünfte, die kurzfristig belegt werden. Die
       Mehrzahl aber wird fest vermietet. „Die Idee ist, dass die Menschen wieder
       ausziehen, wenn sie sich stabilisiert haben, aber wir drängen niemanden“,
       sagt Hannemann.
       
       Denn der Ansatz des Housing-First-Konzepts ist, dass Wohnungslose in der
       Sicherheit einer festen Bleibe andere Probleme wie Schulden, Sucht oder
       Arbeitslosigkeit angehen können.
       
       „Wir sehen diese Projekte als Impuls: Wir wollen zeigen, dass auch ein
       sozialer Träger in Kooperation mit anderen so einen Bau stemmen kann“, sagt
       Hannemann.
       
       Lob dafür kommt aus dem Kieler Innenministerium: „Die Diakoniestiftung
       Schleswig-Holstein ist der erste soziale Träger, der unser Förderprogramm
       als Bauträger in Anspruch nimmt und selbst Wohnraum für besondere
       Bedarfsgruppen schafft“, sagt Arne Kleinhans, Abteilungsleiter für Bauen
       und Wohnen.
       
       Das Land übernimmt einen Großteil der Baukosten, die sich zurzeit auf 2,55
       Millionen Euro belaufen. Über das Förderprogramm „Wohnraum für besondere
       Bedarfsgruppen“ stellt die schwarz-grüne Landesregierung 800.000 Euro als
       Zuschuss zur Verfügung, weitere rund 1,5 Millionen Euro fließen über die
       Investitionsbank als zinsloses Darlehen. Die Diakonie-Stiftung steuert
       selbst rund 255.000 Euro bei.
       
       Die Ausgaben kommen im Laufe der Zeit durch die Mieten wieder herein, die
       die künftigen Bewohner:innen zahlen. Zum Konzept gehört auch eine
       [4][ständige Beratung und Begleitung der Mieter:innen]. Einen Teil der
       Personalkosten für die Fachkräfte, die beim Diakonischen Werk angestellt
       sind, übernimmt die Stadt Schleswig.
       
       Der Bau sollte nach der ursprünglichen Planung bereits im Winter 2024
       fertig sein, nun steht die Jahreszahl 2026 im Raum. „Die Hürden lagen im
       Detail“, sagt Hannemann. Baukosten stiegen, es gab vergabe- und
       [5][EU-rechtliche Probleme], auch die Verhandlungen mit der Stadt über den
       Bauplatz zogen sich länger als erwartet hin, trotz guten Willens auf allen
       Seiten, wie Hannemann betont.
       
       Gebaut wird auf einem Hanggrundstück, auf dem sich bereits die heutige
       Notunterkunft der Stadt befindet – ein Ziegelbau aus den 1950er-Jahren, der
       nicht einmal eine Heizung hat. Weitere, beheizte Schlafplätze finden sich
       im historischen Rathaus.
       
       Diesen Standort will die Stadt allerdings mittelfristig schließen. „Aus den
       Augen, aus dem Sinn“, kommentierte jemand den entsprechenden Bericht in den
       lokalen Schleswiger Nachrichten.
       
       29 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Housing-First-Bilanz-in-Bremen/!6053963
   DIR [2] https://www-genesis.destatis.de/datenbank/online/statistic/22971/table/22971-0050
   DIR [3] https://www.hempels-sh.de/
   DIR [4] /Wohnungslose-mit-Tieren/!5903540
   DIR [5] /Die-EU-macht-klare-Vorgaben-Deutschland-hinkt-hinterher/!6077329
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geißlinger
       
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