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       # taz.de -- Union stimmt für Koalitionsvertrag: Ein zartes Grummeln
       
       > Wie erwartet stimmt der CDU-Bundesausschuss für die Annahme des
       > Koalitionsvertrags mit der SPD. Arbeitnehmerflügel entrüstet über das
       > Personaltableau.
       
   IMG Bild: Kanzler in spe und sein General: Friedrich Merz will sich am 6. Mai wählen lassen, Carsten Linnemann bleibt Generalsekretär
       
       Eine gewisse kreative Ader kann man Friedrich Merz nicht absprechen. Das
       Regierungsteam, das der Kanzler in spe am Montag pünktlich zum Kleinen
       Parteitag der CDU vorstellte, enthält einige Überraschungen. Neben
       politischen Quer- und Wiedereinsteiger:innen sind auch Frauen fast
       gleich stark vertreten. Unter Beifall marschierten die nominierten
       Minister:innen und Staatssekretär:innen auf die Bühne, Merz
       schüttelte allen die Hand. Fehlen nur noch die Ernennungsurkunden, aber
       zuvor sind da noch zwei Hürden: Die SPD-Mitglieder müssen dem
       Koalitionsvertrag zustimmen und muss der Bundestag Merz am 6. Mai zum
       Kanzler wählen. Gleichwohl konnte der laute Applaus der CDU-Delegierten ein
       gewisses Hintergrundgrummeln über die Nominierungspraxis nicht übertönen.
       
       Erwartungsgemäß stimmten die 147 Delegierten des Bundesausschusses
       einstimmig für den Koalitionsvertrag, trotz der Kritik in der Partei vor
       und während der Verhandlungen. Die Abstimmung war der eigentliche Anlass
       der Zusammenkunft, auf dem sich die CDU mal wieder als Machtmaschine
       präsentierte, die gut geölt, wenn auch nicht ganz geräuscharm arbeitet.
       
       Denn die Besetzung der sieben Kabinettsposten, die schon vor Beginn
       öffentlich wurde, hatte auch einige ranghohe CDU-Politiker kalt erwischt.
       Einige wurden immerhin von Merz telefonisch selbst informiert, andere
       sagten, sie seien erst durch die Medien informiert worden. Generell
       gewichtete Merz regionalen Proporz nicht sehr hoch, so darf etwa der
       mächtige Landesverband Niedersachsen niemanden in die erste Reihe
       entsenden. Was dort für entsprechende Verärgerung sorgt, die aber ebenfalls
       nur hinter vorgehaltener Hand geäußert wurde.
       
       Offen entrüstet ist dagegen der Arbeitnehmerflügel, CDA. „Eine Regierung
       ohne Beteiligung der CDA kannte ich bisher nur aus Zeiten, in denen die CDU
       in der Opp. war“, schreibt der Vorsitzende Dennis Radtke auf X. Dass kein
       Vertreter der christlich-sozialen Wurzel Teil des Kabinetts sei – das habe
       es von Adenauer bis Merkel nie gegeben. Immerhin: [1][Die Frauenunion] ist
       zufrieden, der Druck im Vorfeld habe sich gelohnt, heißt es von
       Vertreterinnen.
       
       Keine Überraschung ist, dass Merz seinen wichtigsten Vertrauten Thorsten
       Frei zum Chef des Bundeskanzleramts machen will. Das absolute Vertrauen
       zwischen den beiden prädestiniere diesen geradezu für diese Aufgabe, so
       Merz. Im Büro des Amtschefs laufen Fäden und Informationen aus allen
       Ministerien zusammen, er fungiert auch als eine Art Frühwarnsystem für
       Konflikte in der Koalition.
       
       CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der gern Arbeitsminister geworden
       wäre, aber nun in seinem Amt bleibt, hatte die Delegierten vor der
       Abstimmung auf die Annahme des Koalitionsvertrages eingeschworen. Der
       Vertrag sei nicht CDU pur, aber er sei sicher, dass die Regierung liefern
       und überraschen werde, „und zwar im positiven Sinne“. Zugleich machte der
       Generalsekretär klar, dass die CDU-Basis nicht alles abnicken werde, es
       werde keine bedingungslose Gefolgschaft geben, „lieber Friedrich“. „Die CDU
       wird nicht die Außenstelle eins a des Bundeskanzleramts sein und sie wird
       auch keine Begleit-Band sein“. Man werde eigene Hits liefern.
       
       Welche Platten man auflegen wird, das lässt sich erahnen. So ist etwa die
       Junge Union unzufrieden, dass es keine Rentenreform geben wird, wie deren
       Vorsitzender Johannes Winkel kritisierte. Es sei „ein Koalitionsvertrag,
       der niemandem so richtig wehtut“.
       
       ## Zurückweisungen ab Tag eins
       
       Merz ging in seiner Rede auf die Kritik ein. Er versprach, dass die
       Regierung bei Rente, Gesundheit und Pflege in dieser Legislatur
       Voraussetzung für eine neue Balance zwischen Älteren und Jüngeren schaffen
       werde. Zugleich streichelte der CDU-Vorsitzende die Seele seiner Partei,
       indem er erklärte, es werde [2][ab Tag eins der neuen Regierung
       Zurückweisung in größerem Umfang] geben. Die alte Platte also.
       
       Generell hängte Merz die emotionalen Erwartungen an seine künftige
       Regierung erst mal tief. Union und SPD hätten sich nicht gesucht, sondern
       im Wahlkampf sogar dafür gekämpft, nicht miteinander koalieren zu müssen.
       Keine Euphorie also – „und es ist auch nicht die Zeit für Euphorie“.
       
       Merz skizzierte die großen Herausforderungen, vor denen die neue Regierung
       stehe: Der Krieg in der Ukraine, an deren Seite man fest stehe – die
       Wörter„Taurus“-Marschflugkörper fielen allerdings nicht –, der notwendige
       Wirtschaftsaufschwung, die Stärkung der Demokratie in Deutschland und
       Europa.
       
       SPD-Generalsekretär Matthias Miersch gratulierte den
       Unionsminister:innen und versprach: „Wir werden bis zum 5. Mai sehr
       sorgfältig unsere MinisterInnen auswählen.“ Am Mittwoch wird die Partei
       zunächst das Ergebnis des Mitgliederentscheids über die Annahme des
       Koalitionsvertrags bekannt geben.
       
       28 Apr 2025
       
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