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       # taz.de -- Kommission gegen Diskriminierung: Überraschend schnell im Konfrontationsmodus
       
       > Die Berliner Enquete-Kommission gegen Antisemitismus und Rassismus hat
       > ihre Arbeit aufgenommen. Die Stimmung in dem Gremium ist durchaus
       > gereizt.
       
   IMG Bild: „Werden einiges zu verhandeln haben“: Blick ins Berliner Abgeordnetenhaus
       
       Berlin taz | Sandra Kostner hält das Berliner
       Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) offensichtlich für Teufelszeug.
       „Wenn wir anfangen, die Gesellschaft zu stark durch die
       Diskriminierungsbrille zu betrachten, gefährden wir den gesellschaftlichen
       Zusammenhalt“, ist Kostner mit Blick auf das LADG überzeugt. Bestimmte
       Diskriminierungen sollte man doch besser „dem Privaten überlassen“.
       
       Die [1][Historikerin an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd] war
       am Freitag auf Einladung der CDU zu Gast in der neuen Berliner
       Enquete-Kommission gegen Antisemitismus und Rassismus im Abgeordnetenhaus.
       Ihr Vortrag zeigte dabei auf, wohin die Reise in dem jüngst vom
       Landesparlament eingesetzten und von fast allen Seiten begrüßten Gremium
       durchaus auch gehen könnte – nämlich Richtung Krawall.
       
       Zur Erinnerung: Es war die damals oppositionelle Berliner CDU, die vor
       ihrem Sieg bei der Abgeordnetenhauswahl 2023 immer und immer wieder
       gefordert, [2][das gut drei Jahre zuvor unter Rot-Rot-Grün beschlossene
       LADG wieder abzuschaffen]. Die Vertreter:innen der Union hatten während
       der Kommissionssitzung dann auch nichts auszusetzen an den Ausführungen
       ihres Gastes, die von SPD, Grünen und Linken dafür umso mehr. „Die CDU
       macht hier einen auf AfD“, sagte eine Abgeordnete am Rand zu taz.
       
       ## Projekt aus dem Koalitionsvertrag
       
       Bereits im Koalitionsvertrag von CDU und SPD angekündigt, hat es fast zwei
       Jahre gedauert, bis das Gremium nun endlich mal an den Start ging. Die
       [3][von SPD-Fraktionschef Raed Saleh geleitete Kommission] hat insgesamt 24
       Mitglieder, Parlamentarier:innen ebenso wie externe Sachverständige,
       entsandt von fast allen Fraktionen. Nur die zwei Mitglieder, die die AfD
       stellen wollte, [4][fielen bei der Wahl im Abgeordnetenhaus Ende Februar
       durch].
       
       Nach einer konstituierenden Sitzung vor zwei Wochen, in der sich die
       Teilnehmer:innen faktisch nur kurz vorstellten und allseits betont
       wurde, wie wichtig das Gremium sei, ging es am Freitag erstmals um Inhalte
       und eben auch schnell in den Konfrontationsmodus. „Das ist sehr viel
       Bauchempirie, was Sie hier präsentieren“, entgegnete etwa der von der SPD
       in die Kommission berufene Experte [5][Cihan Sinanoğlu vom Deutschen
       Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung] der Historikerin aus dem
       Schwäbischen.
       
       Konkret beschäftigte sich die Kommission mit den rechtlichen Grundlagen für
       den Kampf gegen Diskriminierungen aller Art:
       Antidiskriminierungsrichtlinien, Antirassismuskonvention, Allgemeines
       Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und eben das Berliner LADG. Neben Sandra
       Kostner kamen sechs weitere Gäste zu Wort, darunter der
       Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, und die
       unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman.
       
       Das Problem: Ein klarer Fokus war nur schwer zu erkennen. So forderte Klein
       unter anderem, dass der „Aufruf zur Vernichtung anderer Staaten“ ein
       Straftatbestand wird, Ataman referierte über das AGG, Soraia Da Costa
       Batista von der Gesellschaft für Freiheitsrechte [6][über das LADG] und
       Kostner über ihre Meinung zur Antidiskriminierungspolitik im Allgemeinen.
       
       ## Ein Kessel Buntes
       
       Es ging um Antisemitismus, die Diskriminierung von Migrant:innen,
       Muslim:innen, Schwarzen, trans Personen, Menschen mit Behinderungen, um
       „bildungsferne Familien“ ebenso wie um die Corona-Pandemie. Das Verwabernde
       liegt dabei in der Natur der Sache, konkret: im Arbeitsauftrag der
       Kommission, der bereits im Gesamtnamen zum Ausdruck kommt.
       
       Ihre Aufgabe soll es sein, bis zum Ende der Legislatur im kommenden Jahr
       „Empfehlungen“ zu erarbeiten, „wie der gesellschaftliche Zusammenhalt
       gestärkt und Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder Form
       der Diskriminierung begegnet werden kann“. Kritiker:innen sprechen von
       einem überfrachteten Kessel Buntes, bei dem [7][das nach dem 7. Oktober
       2023 besonders virulente Thema Antisemitismus] letztlich nur noch eines
       unter vielen sei.
       
       Für genügend Zündstoff könnte trotzdem gesorgt sein. Im
       Einsetzungsbeschluss wird den „Maßnahmenträgern zur Prävention und
       Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder
       Form der Diskriminierung“ schließlich in Aussicht gestellt, dass die
       Kommission deren „Wirksamkeit, Effizienz und Kohärenz“ überprüfen soll.
       
       Schon im zweiten Teil der Anhörung am Freitag, der sich mit den
       Antidiskriminierungs- und Teilhabestrukturen in den Senatsverwaltungen und
       folglich auch den aktuellen Haushaltskürzungen befasste, war die Stimmung
       zwischen den Vertreter:innen der CDU auf der einen und den von SPD,
       Grünen und Linken bisweilen giftig.
       
       „Wie ich persönlich zum Neutralitätsgesetz stehe, steht hier überhaupt
       nicht zur Debatte“, pampte beispielsweise der für diesen Tagesordnungspunkt
       eingeladene Jugend-Staatssekretär Falko Liecke (CDU) den von den Grünen als
       Experten nominierten [8][Chef der Kreuzberger Initiative gegen
       Antisemitismus, Derviş Hızarcı], auf eine entsprechende Nachfrage an.
       Integrations-Staatssekretär Max Landero (SPD) hatte es schon zuvor so
       zusammengefasst: „Wir werden hier einiges zu verhandeln haben.“
       
       11 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Anti-Wokeness-Kongress-in-Berlin/!5890581
   DIR [2] https://cdu.berlin/news/lokal/511/LADG-ist-Diskriminierung-in-Reinkultur.html
   DIR [3] /Finanzierung-von-Praeventionsprojekten/!5971904
   DIR [4] /Debatte-im-Berliner-Abgeordnetenhaus/!6068834
   DIR [5] /Politikvertrauen-bei-Musliminnen/!6069290
   DIR [6] /Diskriminierung-durch-Behoerden/!6005242
   DIR [7] /Nahost-Konflikt-in-Berlin/!6030619
   DIR [8] /Bildungspolitik-in-Berlin/!6068652
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rainer Rutz
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwarz-rote Koalition in Berlin
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   DIR Kriminalität
   DIR Raed Saleh
       
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