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       # taz.de -- Getreideexport aus der Ukraine​: Sorgenvoller Blick aufs Schwarze Meer​
       
       > Eigentlich hatte sich die Ukraine den Weg übers Meer für ihre Exporte
       > freigekämpft. Doch die Verhandlungen in Saudi-Arabien verunsichern.
       
   IMG Bild: Das mit Getreide beladene Frachtschiff „Lady Zehma“ ankert im Marmarameer
       
       Odessa taz | Das [1][Schwarze Meer] ist unruhig an diesem Frühlingstag.
       Gleich neben dem Stadtstrand in schlagen die Wellen an die Kaimauer neben
       dem Delfinarium. Ein kleines Mädchen nähert sich Schritt für Schritt dem
       Geländer.
       
       Dann peitscht eine Welle gegen die Uferbefestigung und die Gischt spritzt
       sie nass. Sie quietscht vor Freude und rennt zurück zu ihrer Mutter.
       Nachdem der Zugang zum Meer in Odessa im ersten Kriegsjahr gänzlich
       verboten war, wurden später Stück für Stück Strände wiedereröffnet. Und die
       Menschen nutzen das.
       
       Doch nun blicken viele wieder mit Sorge auf das Wasser. Eigentlich hat die
       USA Mitte März eine partielle Waffenruhe mit Russland ausgehandelt. Doch
       die Kriegsparteien sind sich nicht einig, wann die Waffenrufe für den
       Energiesektor begonnen hat, was damit gemeint ist und wer sie wo gebrochen
       hat. Bei den Verhandlungen in Saudi-Arabien war auch eine Waffenruhe auf
       dem Schwarzen Meer ein Thema.
       
       Das Weiße Haus hatte Ende März bekannt gegeben, Russland und die Ukraine
       hätten sich bereit erklärt, die sichere Schifffahrt zu gewährleisten, die
       Anwendung von Gewalt zu unterbinden und den Einsatz von Handelsschiffen für
       militärische Zwecke im Schwarzen Meer zu verhindern. Allerdings hatte
       Moskau auch Bedingungen gestellt, unter anderem die Aufhebung von
       Sanktionen.
       
       ## Die ukrainische Flotte operiert weiterhin
       
       Der ukrainische Marinesprecher Dmytro Pletentschuk dementierte, dass es
       eine solche Vereinbarung überhaupt gibt. „Dafür wären Dokumente und klare
       Bedingungen nötig, doch die gibt es nicht“, sagte er Anfang April im
       Fernsehsender Suspilne. Die ukrainische Flotte operiere wie üblich.
       
       Sie räume Minen auf Seefahrtsrouten und Reeden. „Für uns wäre das
       Wesentliche an einer Waffenruhe, wenn dadurch der Beschuss der Häfen mit
       ballistischen Raketen eingestellt würde.“ So war beispielsweise am 11. März
       ein Frachter mit Getreide für Algerien im Hafen von Odessa getroffen
       worden. Vier Seeleute aus Syrien wurden getötet. Angriffe dieser Art hatte
       es mehrere in den Vormonaten gegeben. Gegen die Gefahr gibt es wenig
       Gegenmittel. Die Raketen kommen übers Meer von der Krim mit nur wenigen
       Minuten Vorwarnzeit.
       
       Schon einmal gab es in diesem Krieg eine Vereinbarung mit Russland über die
       Schifffahrt im Schwarzen Meer: Die Türkei hatte im Sommer 2022 den
       [2][sogenannten Grain Deal vermittelt]. So sollten Handelsschiffe die
       ukrainischen Häfen wieder anlaufen können und von dort Getreide für den
       Weltmarkt transportieren. Vor dem Bosporus waren Kontrollen vorgesehen.
       Angeblich wollte Moskau so sicherstellen, dass keine Waffen mit den
       Schiffen transportiert werden. Im Sommer 2023 kündigte es dann einseitig
       die Vereinbarung auf.
       
       In der Logistikbranche Odessas war man seinerzeit gar nicht unglücklich.
       Denn der Deal habe nur für Probleme gesorgt, erklärt ein Brancheninsider.
       Die Zahl der Schiffe war begrenzt. Häufig habe Russland die Inspektionen
       vor Istanbul verzögert. „Mal waren es zwei Tage, mal zwei Wochen.“ Es sei
       unkalkulierbar gewesen, wann die Ladung beim Abnehmer ankomme. Und während
       die Schiffe warteten, liefen die Kosten weiter. „Wir haben praktisch nichts
       verdient.“ Besserung habe es erst nach dem Ende des Grain Deals gegeben,
       als sich die russische Schwarzmeerflotte von der Krim in Häfen an der
       Ostküste des Schwarzen Meeres zurückgezogen hatte.
       
       ## Ernte sorgt für leichten Rückfall der Exporte
       
       Tatsächlich ist es im Hafen alles andere als ruhig. Kräne drehen sich, über
       die Zufahrtsstraße rollen Lkw mit Containern, man hört wie Metall auf
       Metall schlägt. Der Export läuft auf vollen Touren. Im zu Ende gehenden
       Agrarjahr habe die Ukraine insgesamt 31,7 Millionen Tonnen Getreide und
       Ölsaaten exportiert, sagte Denis Martschuk, stellvertretender Vorsitzender
       des ukrainischen Agrarverbands, Ende März in Kyjiw.
       
       Damit liege man zwar etwas unter dem sehr guten Niveau des Vorjahres, aber
       der Grund sei nicht die Logistik, sondern die Ernte und Trends auf dem
       Weltmarkt. Der überwiegende Teil davon wird über Schwarzmeerhäfen in der
       Region Odessa verschifft.
       
       Dass das möglich geworden ist, ist auch eine gute Nachricht für viele
       afrikanische Länder. Mit Beginn der großangelegten russischen Invasion war
       die Nahrungsmittelsicherheit von Hunderten Millionen Menschen direkt
       bedroht.
       
       Die Preise stiegen. Für die Ukraine sind die Nahrungsmittelexporte eine
       wichtige Devisenquelle. Im vergangenen Jahr brachten sie laut Martschuk
       24,7 Milliarden Dollar ein. Die Einnahmen bringen dem Staat Steuern, mit
       denen er wiederum die Soldaten bezahlen kann. Die Agrareinnahmen sind
       besonders wichtig, weil die früher exportstarke Stahlindustrie nun entweder
       in besetzten Gebiet liegt oder durch den Krieg beeinträchtigt ist.
       
       ## Russische Schiffe haben sich zurückgezogen
       
       Fragt man Einheimische, zweifeln sie an Sinn einer sogenannten Waffenruhe
       auf dem Schwarzen Meer. Psychologin Nelya erzählt, sie sei die ganze Zeit
       seit Beginn von Russlands Angriffskrieg in der Stadt geblieben. „Anfangs
       hatte ich Angst, dass die Russen auch hierher kommen“, erinnert sie sich.
       
       Aber nachdem Russlands Flaggschiff, der Kreuzer Moskwa, im Frühjahr 2022
       versenkt wurde, habe sich die Lage entspannt. In den ersten Wochen seien
       die russischen Schiffe manchmal mit bloßem Auge vom Ufer sichtbar gewesen.
       [3][Nun seien sie hunderte Kilometer weit weg] und der Hafen sei längst
       wieder in Betrieb. „Das haben unsere Leute geschafft“, sagt sie. Russland
       habe schon so viele Abkommen gebrochen.
       
       13 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ukraine-Exporte-ueber-das-Schwarze-Meer/!5994885
   DIR [2] /Ende-des-Getreideabkommens/!5944127
   DIR [3] /Krieg-in-der-Ukraine/!5981567
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Zschieck
       
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