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       # taz.de -- Schönheit der Champions League: Michelangelos Heuschrecken
       
       > Die Champions League ist die vielleicht schönste Liga der Welt. Trotz
       > aller Widerlichkeiten kann sich ihr kaum jemand entziehen.
       
   IMG Bild: Emotionaler Irrsinn: Davide Frattesi ist außer sich nach dem spielentscheidenden vierten Treffer für Inter
       
       Ist die Champions League die schönste Liga der Welt? Das muss man wohl
       fragen nach dem atemberaubenden 4:3 von Inter Mailand gegen Barca im
       Halbfinale. Wenn Michelangelo Fußball erschaffen würde, hätte er dieses
       Spiel erschaffen, so hat es ein Fan auf Social Media beschrieben. Und auch
       die, die gegen Uefa, Großklubs und Turbokapitalismus sind, können sich dem
       Spektakel dieses Wettbewerbs nicht entziehen. Nun werden überall die ganz
       großen Spiele aus der Mottenkiste geholt, das Drama der Bayern 1999 gegen
       Manchester United, die irre Aufholjagd von Liverpool gegen Milan im Finale
       2005, das [1][Wunder des BVB gegen Malaga] und so fort.
       
       Und das wirklich Wundersame ist, dass diese Spiele weltweite Referenzpunkte
       sind. Beinahe jeder, zumindest männliche Weltbewohner, kann etwas damit
       anfangen, von Suriname bis Tadschikistan. Das unterscheidet die Champions
       League von lokalen Legenden wie jüngst [2][dem Finaleinzug der Arminia
       gegen Leverkusen]. Auch diese Partie wird immer wieder erzählt werden, aber
       eben vor allem auf der Alm.
       
       Die Champions League dagegen produziert ganz lokale Dramen wie das
       verlorene [3][Finale Dahoam] für ein globales Publikum. Das geteilte Leid
       ist Teil ihrer Magie. Anders als etwa Weltmeisterschaften, deren legendäre
       Spiele wie der deutsche [4][7:1-Sieg gegen Brasilien] eben doch eher eine
       nationale Erzählung werden. Inter gegen Barca kann jede:r feiern. Und
       schönerer Fußball als bei der WM ist es halt auch – was vielleicht ein
       Grund ist, warum die Champions League mehr Aufholjagden produziert. Die
       Teams sind eingespielter, kreieren mehr Torchancen, sind zumindest in den
       späteren Duellen auch eher auf Augenhöhe als bei Länderturnieren.
       
       ## Widerlichkeiten des echten Lebens
       
       Vielleicht stimmt es also schon, dass das hier der schönste Wettbewerb ist,
       den es gibt. Einer, bei dem man einfach nicht wegschauen kann, auch wenn so
       viele Widerlichkeiten darin stecken. Sie hat also viel vom echten Leben,
       die Champions League. Die Widerlichkeiten des echten Lebens treffen sich
       nun auch zum Finale. Das [5][katarische Propagandaprojekt PSG] hat es
       dorthin geschafft, ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo die Herrscher gar
       nicht mehr viel Lust haben, in Paris zu investieren. Das Prestigeprojekt
       Katar-WM ist vorbei, die Fantasie-Showtruppe längst weiterverkauft, andere
       Märkte interessanter. Frankreich ist zu klein geworden für Katar. Welche
       Ironie wäre es, wenn gerade dieses PSG siegte.
       
       Im Finale trifft der Klub nun auf Inter, frisch erworben vom
       US-Investmentkonzern Oaktree. Der Kauf ist Teil einer [6][massiven neuen
       Einflussnahme zweifelhafter US-Heuschrecken] in Europas Fußball; zwischen
       2018 und 2022 gingen allein elf italienische Profiteams in US-Besitz über.
       Italiens Fußball gilt dort als distressed asset: Dringend in Geldnot, unter
       Wert zu kaufen und mit viel Wertsteigerungspotenzial, weil die
       Infrastruktur oft noch marode ist. Die US-Amerikaner sind die wichtigsten
       neuen Machthaber im europäischen Fußball. Es spielt also altes Geld gegen
       neues Geld, wenn man so will. Und ein bisschen spielen auch die USA gegen
       die USA: Katar hat schon einen Anteil von PSG an einen US-Investor
       abgestoßen.
       
       Wo europäischer Fußball drauf steht, ist kaum noch europäischer Fußball
       drin. In den letzten 20 Jahren ist ein massiver Ausverkauf von Klubs an
       finanzkräftigere Käufer aus dem außereuropäischen Ausland geschehen, der
       kaum so systemisch thematisiert wird. Auch fußballerisch hat der kriselnde
       Kontinent viel Einfluss auf die eigenen Geschicke verloren. Erstaunlich,
       dass so wenige Klubs die Risiken sehen. Die spanischen Riesen Real und
       Barca sind da fast schon anachronistisch.
       
       Die Champions League erzählt nicht mehr nur Geschichten für die Welt, sie
       gehört auch der Welt. Den Superreichen jedenfalls. Das ist ein Unterschied,
       den man nie vergessen sollte.
       
       8 May 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
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