# taz.de -- Die Wahrheit: Crash mit Wein
> Tagebuch einer Bestellerin: Wird ein Date seitens DHL gecancelt, hat das
> manchmal desaströse Folgen, die nur ein guter Tropfen lindern kann.
Egal was im Leben schiefläuft, die Bahn hat Schuld, darüber besteht zu 90
Prozent Einigkeit. Die restlichen zehn verteilen sich je nach Perspektive
auf die verflossene Ampelregierung oder die Nachbarn, doch nur ich kenne
den wahren Hauptschuldigen.
Alles begann mit den Folgen einer Geselligkeit. Nach der österlichen
Dezimierung meiner Weinvorräte bot der Lieblingswinzer neue Ware zum
Vorzugspreis an, und meine umfangreiche Bestellung wurde sogleich von DHL
als „auf dem Weg“ angekündigt.
Voller Vorfreude prüfte ich zum Liefertermin die Funktion meiner Klingel,
streute Rosenblüten auf den Weg zum Fahrstuhl, legte Trinkgeld bereit und
harrte der vielen Flaschen, die da kommen sollten. Hin und wieder hielt ich
vom Balkon sehnsüchtig nach dem gelben Wagen Ausschau, während ein
sangesfreudiger Dachdecker mich aus dem Lastenfahrstuhl vor dem Nachbarhaus
mit „Are you lonesome tonight?“ anschmachtete.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie lonesome ich abends sein
würde, deshalb riet ich ihm, als er an mir vorbei gen Himmel schwebte, sich
erst mal bei „The Voice of Germany“ zu bewerben, ich sähe ihn da weit vorn.
## Return to Sender
Inzwischen cancelte DHL unser Date, man habe mich – leider! – nicht
angetroffen und ich dürfe die Kartons in der Filiale abholen. Mein Barde
lieferte mit einer schmissigen Interpretation von „Return to Sender“
mentale Unterstützung. Hin und her gerissen zwischen der Wahl, die Gäste
meiner nächsten Party bei laufendem Betrieb direkt in die DHL-Filiale
einzuladen oder meinen hart erkämpften Parkplatz aufzugeben, kam erneut
Entscheidungshilfe aus dem Lastenfahrstuhl, ein aufmunterndes „It’s now or
never“.
Auf meinen Top-Platz lauerte schon eine Umzugsfirma – ich sah ihre
Sackkarre. Nach kurzer Verhandlung der Deal: Mein Parkplatz gegen den
Transport meiner Flaschen mit der Karre vom Auto in meine Wohnung! Und
siehe, da war er, der vielbeschworene gesellschaftliche Zusammenhalt! Danke
DHL, mit dieser neuen Geschlossenheit verhindern wir sogar noch die
Machtergreifung der Nazis.
Mit meinem schwer beladenen Wagen strandete ich auf dem Heimweg im Stau,
prompt krachte mein Vordermann rückwärts in mein Auto. Offenbar reizte ihn
meine gefasste Reaktion in Anbetracht des geringen Schadens dermaßen, dass
er seinem inneren Wutbürger freien Lauf ließ. Ich, nicht er, sei an allem
schuld, zeterte er. Nein, erwiderte ich wahrheitsgemäß, das sei DHL, denn
hätte ich das schwere Zeug nicht mit dem Auto abholen müssen, hätte er
jetzt nicht mir, sondern jemand anderem das Nummernschild verbeult, der
daran genauso wenig schuld wäre wie ich.
Mein Barde hatte derweil Feierabend, und ich trank lone-some, aber
optimistisch ein Glas auf die Sackkarren des gesellschaftlichen
Zusammenhalts.
7 May 2025
## AUTOREN
DIR Pia Frankenberg
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