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       # taz.de -- Der Vatikan und die soziale Frage: Wir lieben, dass der Papst die Armen liebt
       
       > Was die Faszination für Papst Franziskus’ Herz für Arme und Entrechtete
       > über unseren weltlichen Umgang mit Armen und Entrechteten sagt.
       
   IMG Bild: Während der Grabmesse für Papst Franziskus auf dem Petersplatz in Rom
       
       Papst Franziskus [1][ist gestorben] und kein Mensch mit Smartphone,
       Zeitungsabo oder Fernsehen kam um diese Nachricht herum. Schließlich ist
       nicht irgendwer gestorben oder, besser gesagt, irgendein Papst, sondern ein
       ganz besonderer Papst: der Papst der Armen und Entrechteten, der [2][Papst
       der Obdachlosen] und Geflüchteten, der Papst der Gerechtigkeit.
       
       Wenn man in den Tagen nach seinem Tod etwas über diesen Papst lernen
       konnte, dann genau das – oft, ohne einen Artikel zu Ende lesen zu müssen,
       weil diese wichtigste Erkenntnis über den Papst uns schon im Titel
       ansprang: „Der Papst der Armen“ stand da oder eine der vielen Variationen
       dieser Formulierung.
       
       Korrespondenten, die vor der römischen Basilika Santa Maria Maggiore die
       Beisetzung des Papstes verfolgten, wurden nicht müde zu betonen, dass
       dieser der bodenständigste aller Päpste war, der per Testament eine
       schnörkellose Trauerfeier verordnet hatte, dass er ein großes Herz für die
       Ärmsten hatte, dass er Duschen für Obdachlose bereitgestellt, sie zum
       Friseur gebracht oder sogar in den Zirkus eingeladen hatte.
       
       Und Geflüchteten hatte er sogar die Füße geküsst! Wer ein bisschen mehr
       erfahren wollte über diesen [3][Papst Franziskus], musste in den Nachrufen
       erst viele Beteuerungen über dessen Armenfürsorge bewältigen. Mehr erfuhr
       man dann auch nur, wenn man nicht vorher schon vor Rührung in Tränen
       ausbrach.
       
       Die Fürsorge des verstorbenen Papstes Franziskus für die Ärmsten der Armen
       nicht zu würdigen, das wäre einerseits natürlich total unangemessen. Es
       geht hier schließlich um den unique selling point des Pontifex, der zudem
       das erste nichteuropäische Oberhaupt der katholischen Kirche seit über
       1.200 Jahren gewesen ist – sein zweites Alleinstellungsmerkmal, ebenso
       mittelbar verknüpft mit Fragen von Arm und Reich.
       
       ## Populistische Ressentiments gegen Arbeitssuchende
       
       Andererseits lohnt es sich zu fragen, warum die Würdigungen von Franziskus’
       Einsatz für die Armen alles überdeckend und oft so überschwänglich
       formuliert wurden, dass sie teilweise schon unfreiwillig ins Lachhafte
       abglitten.
       
       Dass der Papst Obdachlose zum Pizzaessen eingeladen hat, ist eine sehr
       schöne Sache, aber irgendwie doch auch eine komisch unpassende Anekdote,
       wenn sie einem von seiner Beisetzung aus berichtet wird.
       
       Daran lässt sich die Frage anschließen, in welchem Verhältnis die
       euphorische mediale Begeisterung für Franziskus’ geistliches Herz für Arme
       zu ganz weltlichen Debatten über Armut und soziale Ungleichheit steht.
       
       Stellen darf man diese Frage gerade in einem Land wie Deutschland, in dem
       die zukünftige Regierungspartei, die das C im Namen trägt und das
       Christliche repräsentieren soll, immer wieder das populistische
       Ressentiment gegen vermeintlich arbeitsunwillige
       Bürgergeldempfänger:innen bedient – und die Bedingungen für diese
       bedürftigen Menschen nun auch verschärfen möchte.
       
       Aber vielleicht ist das alles auch einfach nur konsequent und die Fragerei
       deshalb lästig. Denn wie heißt es so schön beim polnischen Lyriker
       Stanisław Jerzy Lec: „Wer den Himmel auf Erden sucht, hat im
       Erdkundeunterricht geschlafen.“
       
       6 May 2025
       
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   DIR Volkan Ağar
       
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