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       # taz.de -- Neoliberale Fitnessangebote: Dehnen ist nichts für Gewinner
       
       > Das Fitness-Startup Beat81 bietet maximal effizientes Zirkeltraining. Im
       > Zentrum stehen Quantifizierung, Selbstoptimierung und Anonymität.
       
   IMG Bild: Das neoliberale Traumversprechen von Beat81: maximale Effizienz in kürzester Zeit
       
       Berlin taz | Bevor ich reingehe, werfe ich alle meine Prinzipien über Bord.
       Drinnen trifft alles aufeinander, was ich verabscheue: Gentrifizierung,
       [1][Leistungs- und Optimierungszwang, Vereinzelung]. Das Schlimmste daran:
       Ich bin trotzdem hier.
       
       Paul-Linke-Ufer, 6.30 Uhr morgens: Yuppies marschieren in
       Designer-Sportoutfits in den Keller eines alten Fabrikgebäudes. „BEAT81“
       prangt hier in roten LED-Lettern an der Wand. Der Raum ist stockduster, aus
       den Boxen dröhnt „Skrillex“-Musik, die klingt wie ein Kreissägenmassaker.
       Muskulöse Frühaufsteher nehmen sich einen Sensor und schnallen ihn sich um
       den Bauch. Er misst die Herzfrequenz und den Kalorienverbrauch.
       
       Die Idee des Berliner Fitness-Start-ups: Zirkeltraining bei über 81 Prozent
       der maximalen Herzfrequenz. So soll der Stoffwechsel angekurbelt, Fett
       schneller verbrannt und Muskelaufbau beschleunigt werden. Bis zu 1.000
       Kalorien soll man in 45 Minuten verbrennen können. Maximale Effizienz in
       kürzester Zeit. Das neoliberale Traumversprechen.
       
       „Welcome to Beat81!“, ruft der voll tätowierte Terminator-Trainer ins
       Mikro. Er erklärt die Stationen, dann springen alle los: Liegestütze,
       Burpees, Kniebeugen. In der Mitte: ein Bildschirm, der die Leistung der
       Teilnehmer live anzeigt. Kalorien, Herzfrequenz, Name und Bild. Wer über
       80 Prozent kommt, leuchtet rot auf. Wer darunter bleibt, blau – peinlich.
       Foucault wäre stolz, Fitness meets Panoptikum.
       
       ## Das Gegenteil von gemeinschaftlichem Vereinswesen
       
       Hier geht es nicht um Gemeinschaft, es geht um Konkurrenz. Das Ziel: besser
       als der Durchschnitt sein. Dabei wollte der Beat81-Gründer, ehemaliger
       McKinsey-Berater, mit dem Start-up doch das „Anti-Metaverse“ erschaffen, so
       erklärte er es zumindest der Gründerszene. Der Versuch ist weit
       fehlgeschlagen. Auch weil die [2][Trainings über Urban Sports Club
       angeboten] werden, wo man ohne Premium-Abo nur viermal im Monat das gleiche
       Studio besuchen darf.
       
       Die anonymen Hamster sind inzwischen bei der „Challenge“ angekommen. Das
       Ziel: die Herzfrequenz noch mal richtig hochballern. Alle springen und
       boxen wild in die Luft, wie bei einem schlecht choreografierten
       Harlemshake.
       
       Dann ertönt ein erlösendes Geräusch und alle fallen synchron zu Boden.
       Nicht, weil sie erschöpft sind, nein. Das ist die nächste Challenge: Die
       Herzfrequenz schnellstmöglich runterbekommen. Wer entspannt sich am
       diszipliniertesten? „Sammelt eure Erholungspunkte“, haucht der Trainer mit
       sanfter Stimme, als würde er eine Einschlafgeschichte vorlesen und nicht
       [3][Leistungssubjekte zum Quantifizieren und Optimieren triezen].
       
       Auf dem Screen knallt digitaler Konfettiregen, dann erscheint das Ranking.
       Wer hat am meisten Kalorien verbrannt? Wer bei höchstem Puls trainiert? Wer
       sich am schnellsten erholt?
       
       Zum Schluss wird sich gedehnt – natürlich nur, „falls ihr 3 Minuten Zeit
       habt“. Hat keiner. Der Körper soll schließlich performen, nicht entspannen.
       Die Hustle-Crew verschwindet eilig in Richtung Büro. Ein paar Low-Performer
       bleiben. Per Mail kommt später die volle Datenladung: Puls, Kalorien,
       Erholungspunkte – falls es mit der Quantifizierung noch nicht gereicht hat.
       
       6 May 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Lilly Schröder
       
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