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       # taz.de -- Angriff auf die Menschenwürde: Die Familie vermutet ein rechtes Tatmotiv
       
       > Hunderte Menschen zeigen Solidarität mit Monir Khan und seiner Familie in
       > Baumschulenweg. Der Mann der dortigen Pfarrerin wurde Opfer eines
       > Überfalls.
       
   IMG Bild: Munir Khan ist der Mann der Pfarrerin der Kirche Baumschulenweg (Foto) und das Opfer eine mutmaßlich rechten Gewaltverbrechens
       
       Berlin taz | Am Sonntagabend kamen rund 500 Menschen auf dem Platz vor der
       Evangelischen Kirche in Baumschulenweg zu einer Kundgebung zusammen. Der
       Veranstalter, das bezirkliche Bündnis für Demokratie und Toleranz, hatte
       nur mit 50 Teilnehmern gerechnet. Anlass war der brutale Angriff eine Woche
       zuvor auf Monir Khan, einen Betriebswirt aus Bangladesch.
       
       Der Ehemann von Pfarrerin Carmen Khan kam in der Nacht von seiner Arbeit
       bei der Deutschen Bahn nach Hause und wurde vor dem Eingang zum
       Gemeindehaus von mehreren Unbekannten ohne Vorwarnung brutal
       zusammengeschlagen. Nun liegt er mit einem Nasenbeinbruch sowie Prellungen
       und Platzwunden im Krankenhaus. Khan und seine Frau vermuten ein rechtes
       Tatmotiv.
       
       Die Familie wohnt erst seit September in Baumschulenweg. Carmen Khan sagte
       dem Tagesspiegel, ihr Mann habe sich schon zuvor am neuen Wohnort unsicher
       gefühlt. Kurz vor dem brutalen Angriff gab es auf dem Kirchenvorplatz einen
       Polizeieinsatz gegen eine Gruppe pöbelnder Männer, ihre Personalien wurden
       festgestellt. Immerhin ein Ermittlungsansatz, sagte auf der Kundgebung der
       linke Bezirkschef Moritz Warnke, der eine rasche Aufklärung des Falls
       forderte.
       
       Laut Auskunft einer Polizeisprecherin werden die Ermittlungen vom
       Polizeilichen Staatsschutz geführt. Allerdings lägen nach derzeitigem
       Ermittlungsstand keine Anhaltspunkte für eine politisch motivierte Straftat
       vor.
       
       ## Nur die Partei mit dem C im Namen fehlte
       
       Zur Kundgebung hatten das bezirkliche Bündnis für Demokratie und Toleranz
       sowie der Evangelische Kirchenkreis aufgerufen. Gekommen waren viele
       Menschen aus der Nachbarschaft, um ihre Solidarität mit der Familie
       auszudrücken, aber auch Vertreter von SPD, Grünen und Linken – nur die
       Partei mit dem C im Namen fehlte. Dabei war eigens Bischof Christian
       Stäblein nach Baumschulenweg gekommen.
       
       Er versicherte der Familie die Solidarität seiner Kirche. Es ist nicht das
       erste Mal, dass sich die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische
       Oberlausitz (EKBO) für sie stark macht. 2011 wurde Carmen Khan in ihrer
       Heimat Württemberg fristlos aus dem Kirchendienst entlassen. Ihr Vergehen:
       Sie hatte mit Monir Khan einen Muslim geheiratet.
       
       Das verstieß gegen die Regel im Kirchenrecht, wonach PfarrerInnen nur
       christliche PartnerInnen heiraten dürfen. Eigentlich lässt diese Regel
       Ausnahmen zu, doch das wollte die Württembergische Kirche nicht gelten
       lassen. Die EKBO bot der Familie ein neues Zuhause an: Carmen Khan durfte
       in Berlin ihr begonnenes Vikariat fortsetzen. Danach hatte sie mehrere
       befristete Stellen als Pfarrerin inne, unter anderem in der Kreuzberger
       Flüchtlingskirche.
       
       Die Stelle in Baumschulenweg ist ihre erste unbefristete. „Ich freue mich
       sehr, mit dem Jahr 2024 in Baumschulenweg anzukommen. Es ist gut, dass ich
       nicht mehr auf der Durchreise bin“, sagte sie letzten Herbst in ihrer
       Eröffnungsrede in der neuen Gemeinde. Doch gilt das auch noch nach dem
       brutalen Angriff auf ihren Mann?
       
       ## Ein zentraler Platz im Ortsteil
       
       Eine Nachbarin äußerte sich auf der Kundgebung betroffen, dass die Familie
       sich nicht mehr sicher fühlt und einen Umzug erwägt. Sie machte Vorschläge:
       Der Platz vor der Kirche, immerhin ein zentraler Platz im Ortsteil, müsse
       sich wieder „mit unserem Leben“ füllen. Derzeit halten sich dort vermehrt
       junge Menschen auf, die von AnwohnerInnen der rechten Szene zugeordnet
       werden. An die erschienenen PolitikerInnen appellierte sie, das mit
       Genehmigungen und Projektgeldern zu ermöglichen.
       
       Lars Düsterhöft vom bezirklichen Bündnis für Demokratie und Toleranz sagt
       der taz, bisher sei es noch eine Vermutung, dass sich Baumschulenweg zum
       Treffpunkt der rechten Szene entwickelt habe – da müsse Aufklärung
       geleistet werden. Eine grüne Politikerin führte aus, dass sich rechte
       Vorfälle in Treptow-Köpenick 2024 im Vergleich zu 2023 mehr als verdoppelt
       hätten, darunter seien auch Gewalttaten.
       
       Für den SPD-Abgeordneten Düsterhöft ist der Angriff auf Monir Khan „ein
       Angriff auf unser Zusammenleben, darauf, dass jede und jeder hier leben
       kann unabhängig von Herkunft und Religion“. Er warnte davor, den Angriff
       als Einzelfall zu verharmlosen.
       
       Superintendent Hans-Georg Furian sagte, die unverletzliche Würde von Monir
       Khan sei angegriffen worden. „Das lassen wir nicht zu. Wir lassen auch
       nicht zu, dass man einen Keil treibt zwischen diejenigen, die für die
       völkischen Nationalisten hierhergehören und die, die für sie nicht
       hierhergehören.“
       
       6 May 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
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