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       # taz.de -- Ausstellung von Ernst Schroeder: Schutz in der Einsamkeit suchen
       
       > Ernst Schroeder war ein Maler der Stille in den 1950er Jahren.
       > Zeichnungen und Bilder des Künstlers sind in Berlin, in der Galerie
       > Pankow zu sehen.
       
   IMG Bild: Ernst Schroeder, „Schneckengehäuse, Seestern und Kanne“, gemalt um 1955
       
       Ein Fisch hängt an einem Balken des Fachwerks im kleinen Raum. Im nächsten
       Bild teilen sich eine Kanne, zwei Zwiebeln und eine Möhre die Fläche des
       Tischs. Einmal hängt eine Fischreuse neben einem Fenster, weiter vorne
       steht ein Bett. Die Welt der Gegenstände in den Bildern von Ernst Schroeder
       scheint übersichtlich und geordnet wie in einer Bilderfibel. Abgezählte
       Dinge, karge Räume, reduzierte Farben, leergeräumte Flächen.
       
       Doch was einen Moment lang wie eine naive Gegenständlichkeit anmutet, kommt
       aus einer Zeit der Verunsicherung. Ernst Schroeders Bilder sind meistens in
       den 1950er Jahren entstanden. Sie sind ein Versuch, den ideologisch
       aufgeladenen Kämpfen in den Kunstdebatten der Nachkriegszeit zu entkommen.
       
       Schroeders Vater war Kapitän und starb 1941, als sein Schiff auf eine Mine
       fuhr. Ernst Schroeder, 1928 in Stettin geboren, begann mit 15 Jahren eine
       Schlosserlehre in einer Werft in Swinemünde, die auch Torpedos für die
       Marine herstellte. Als er 1949 in Berlin in das Studium der Malerei
       einstieg, unter anderem bei Max Pechstein, gehörte er zu einer Generation,
       die auf der Hut war. Vor dem Pathos, das in der NS-Zeit in der Kunst
       missbraucht worden war. Aber auch vor einem Realismus, der schon wieder zu
       Propaganda-Zwecken eingespannt wurde.
       
       Not der Nachkriegszeit 
       
       Die Konzentration auf das Einfache, die in der Ausstellung seiner
       Zeichnungen und Bilder in der Galerie Pankow mit dem Titel „Stille“ gut zu
       verfolgen ist, hat etwas vom Versuch, sich einen freien, unverstellten Raum
       zu erschließen. Der Blick findet Beruhigung in der Küstenlandschaft, in den
       Booten im Hafen, den sanften Schwüngen verschneiter Dünen, in Stillleben
       und menschenleeren Interieurs. Die Not der Nachkriegszeit ist auch
       erfahrbar, nicht zuletzt in der Materialknappheit. Nicht selten sind die
       Bilder von zwei Seiten bemalt.
       
       Doch die vielen Nuancen des Graus und dunklen Blaus in Schroeders Bildern,
       der Malstil, der auf Expressivität und Pastosität verzichtet, haben auch
       etwas Poetisches und Melancholisches, das seine Zeitgenossen anzog und ihm
       Anerkennung unter den Berliner Künstler:innen brachte. Heute öffnet sich
       die Lakonie seiner Bilder einer Suche nach Möglichkeiten, mit Verzicht aus
       Hektik und Stress auszusteigen, der emotionalen Überhitzung mit
       Gelassenheit zu begegnen. Sie geben der Tugend der Demut Nahrung.
       
       Ausstellungen von Ernst Schroeder sind selten, zuletzt in Berlin 1996 in
       der Galerie Parterre im Prenzlauer Berg. Er war früh an Alkoholsucht
       erkrankt und lebte seit 1959 bei seiner Mutter in Hamburg. Er malte kaum
       noch und hielt auch den Kontakt nicht mehr zu den Ostberliner
       Malerfreunden. Nach dem Bau der Mauer wussten die lange nicht mehr, ob er
       überhaupt noch lebte. 1989 starb er in Hamburg.
       
       In der Akademie der Künste am Pariser Platz gibt es einen
       [1][„Bilderkeller“, nur mit Führung zu besuchen]. Dort feierten die
       Meisterschüler der Akademie der Künste 1957/1958 Fasching im Kohlenkeller
       und bemalten die Wände, unter ihnen Manfred Böttcher, Harald Metzkes, Ernst
       Schroeder und Horst Zickelbein. Sie waren Teil einer später als „Berliner
       Malerschule“ bezeichneten Szene Ost-Berliner Künstler, die sich der Doktrin
       des sozialistischen Realismus' entzogen. Für sie blieben Schroeders Werke
       ein wichtiger Bezugspunkt.
       
       Realismus gegen Abstraktion 
       
       Von heute aus ist es leicht zu übersehen, dass Schroeders Bilder auch in
       der zum Kulturkampf stilisierten Auseinandersetzung Realismus gegen
       Abstraktion Position bezogen. Die Kompositionen betonten die Flächen und
       die Reduktion der Formen und bauten so eine Brücke zur Moderne.
       
       Die meisten Bilder sind der Küstenlandschaft der Ostsee gewidmet; in seinem
       Hamburger Atelier arbeitete Schroeder an ihnen aus der Erinnerung. Nur
       wenige Szenen spielen in der Stadt, etwa auf einem verregneten Wochenmarkt.
       Schwarze Schemen unter Schirmen sind dort kaum auszumachen im Dämmer. Dass
       ein dunkles Rot aufscheint, ist eine Seltenheit wie beim Blick in eine
       Markthalle, in der die Hühner und Fische größer scheinen als ein paar
       Besucher im Hintergrund. Ein bisschen lustig ist das auch.
       
       15 May 2025
       
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   DIR Katrin Bettina Müller
       
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