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       # taz.de -- Erdbebengefahr in der Türkei: Istanbul fürchtet das große Beben
       
       > Nach einem schweren Erdstoß am Mittwoch haben viele Istanbuler die Stadt
       > verlassen oder schlafen in Zelten. Die größte Gefahr steht noch bevor.
       
   IMG Bild: Die Menschen in Istanbul hatten eine unruhige Nacht und Angst vor neuen Erdbeben
       
       Istanbul taz | Die Gefahr eines Mega-Bebens in Istanbul ist weiterhin hoch.
       Nach dem schweren Erdstoß mit 6,2 auf der Richterskala am Mittwochmittag
       gingen die Nachbeben bis in die Nacht hinein weiter. Auch am
       Donnerstagmorgen registrierte die Istanbuler Erdbebenwarte noch neue
       Erdstöße bis zur Stärke von 4,1 auf der Richterskala.
       
       Die Einwohner der größten Stadt der Türkei hatten da gerade [1][eine
       unruhige Nacht hinter sich]. Viele Menschen, vor allem in den Bezirken
       entlang des Marmarmeeres auf der europäischen Seite der Stadt, die durch
       ein Erdbeben am meisten gefährdet wären, haben die Nacht in Parks oder im
       Auto verbracht. Selbst im Gezi-Park, dessen angedrohte Rodung 2013 zu der
       ersten großen Protestbewegung gegen Recep Tayyip Erdoğan geführt hatte,
       wurden erstmals seit 12 Jahren wieder Zelte aufgebaut.
       
       Andere dagegen sind bereits geflüchtet. Am Abend bildeten sich an den
       Ausfahrtstraßen Istanbuls lange Schlangen – alle, die ein Wochenendhaus in
       der Umgebung haben, sind offenbar erst einmal dorthin ausgewichen. Die
       Behörden haben am Mittwochabend zunächst einmal mit der Schließung der
       Schulen für zwei Tage reagiert. Gegen Mittwochabend zeichnete sich dann
       auch ab, dass es entgegen erster Meldungen doch eine ganze Reihe von
       Verletzten gegeben hatte. Viele Menschen waren zu Schaden gekommen, als sie
       in Panik ihre Häuser verließen oder gar aus dem Fenster sprangen.
       
       ## Vorbereiten auf den Notfall
       
       Für die meisten der knapp 20 Millionen Istanbuler, die nicht geflüchtet
       waren oder im Park ihre Zelte aufgeschlagen hatten, stellte sich am
       Mittwochabend die Frage, wie sie sich auf ein mögliches Beben in der Nacht
       vorbereiten sollten. Experten empfehlen, ein Notgepäck bereitzuhalten und
       Vorkehrungen zu treffen, um sein Haus im Notfall schnell verlassen zu
       können. Also eine Tasche mit den notwendigen Papieren, Laptop und
       Ladegeräten, Medikamenten und warmer Unterwäsche im Hauseingang
       bereitstellen und darauf hoffen, dass diese Vorsichtsmaßnahmen überflüssig
       sein werden.
       
       Für die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag war das glücklicherweise der
       Fall, aber wird es in den kommenden Nächten auch so sein? Die überwiegende
       Anzahl der Erdbebenexperten, die den ganzen Mittwochabend in den diversen
       Nachrichtensendern interviewt wurden, hatten wenig zur Beruhigung der Lage
       beizutragen.
       
       Der sogenannte Nordanatolische Graben, an dem quer durch die gesamte Türkei
       mehrere Erdplatten aneinander stoßen, verläuft im Westen des Landes unter
       dem Marmarameer und dann weiter in die Ägäis bis zu den griechischen
       Inseln. Deshalb war das Beben von Mittwochmittag auch in Nordgriechenland
       zu spüren.
       
       Nachdem die sogenannte „Faultline“ in den letzten Jahren und Jahrzehnten im
       Osten und der Mitte der Türkei mehrfach gerissen und es zu schweren Beben
       gekommen war, baut sich nach Ansicht der Experten die größte Spannung nun
       im Westen, unter dem Marmarameer auf. Sollte es zu einem größeren Bruch
       entlang dieser Anstoßkante zwischen verschiedenen Platten kommen, könnte
       sich ein Erdbeben mit einer Stärke bis 7,5 auf der Richterskala entladen.
       
       ## Zehntausende Tote möglich
       
       Für Istanbul wäre das eine Katastrophe, die die Stadt verwüsten und
       womöglich Zehntausende Tode nach sich ziehen würde. Präsident Erdogan
       meldete sich am Mittwochabend mit der Botschaft, alle zuständigen Stellen
       seien in erhöhter Alarmbereitschaft. [2][Der inhaftierte Istanbuler
       Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu], dem eigentlich das Krisenmanagement bei
       einer Katastrophe zustehen würde, meldete sich aus dem Gefängnis und
       bedauerte, dass er in dieser Stunde der Not nicht bei seinen Bürgern seien
       könnte.
       
       Das Hochsicherheitsgefängnis, in dem er und viele andere Kritiker Erdogans
       festgehalten werden, steht in Silivri und damit just in dem Vorort, der dem
       Epizentrum des Bebens von Mittwochmittag am nächsten lag. Angeblich ist
       aber auch im Gefängnis nichts passiert.
       
       Erschwerend für die IstanbulerInnen kommt hinzu, dass gerade im Moment noch
       einmal eine Kaltfront über die westliche Türkei hinweg zieht und Regen und
       Temperaturen weit unter zehn Grad gebracht hat. Nicht gerade motivierend,
       um seinen Lebensmittelpunkt in den Park zu verlegen. Bleiben oder gehen ist
       deshalb die Frage, die die Menschen am derzeit meisten beschäftigt.
       
       24 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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