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       # taz.de -- Rückgabe von Beutekunst: An den richtigen Ort
       
       > Valence Silayo aus Tansania erforscht das geraubte Erbe seines Volkes.
       > Eine Spurensuche in einem Stuttgarter Museum.
       
   IMG Bild: Sobald Tansania die Objekte zurückfordert, kann ein Restitutionsprozess beginnen: Valence Silayo mit Artefakt im Linden-Musem​
       
       Valence Silayo beugt sich im Linden-Museum in Stuttgart, Arbeitsraum 008,
       über einen purpurroten Königsmantel. Behutsam ertasten seine Fingerkuppen
       den geriffelten Stoff, fühlen münzgroße Bögen aus Glasperlen, streifen über
       Bahnen aus graubraunem Tierfell, als wolle er das Gewand verstehen: Wer hat
       es gestaltet? Wer hat es getragen?
       
       Silayo, kompakte Statur, gewinnendes Lächeln, ist geübt darin, Gegenstände
       mit aller Vorsicht zu behandeln. Der 46 Jahre alte Archäologe aus Tansania
       im Osten Afrikas ist auf der Suche nach der Geschichte seiner Ahnen. Oder
       besser gesagt: auf der Suche nach dem, was davon übriggeblieben ist.
       [1][Tansania war von 1885 bis 1918 deutsche Kolonie.] Die Deutschen nahmen
       mit, was ihnen beliebte. Und bestückten mit den Objekten die Sammlungen neu
       gegründeter ethnologischer Museen.
       
       Valence Silayo kam vor einem Jahr aus seiner Heimat Tansania nach
       Stuttgart. Denn im [2][Linden-Museum,] das wusste Silayo, lagern
       Kulturschätze, die einst seinem Volk, den Dschagga, gehörten. Er sagt, dass
       sie es weiterhin tun – auch wenn sie sich hier, in Deutschland, zwischen
       Brandschutztüren und Inventarnummern verbergen. Am liebsten würde Silayo
       den Königsmantel und alle anderen Sachen einpacken und mitnehmen.
       
       Aber Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn es ihm seine Mission zu
       leicht machen würde. Immer wieder stolpert Silayo über den mit Vorschriften
       gepflasterten Boden der bürokratischen Realität. Dabei geht es nicht
       unbedingt um Einsicht oder Gerechtigkeit, sondern um Formulare, Anträge,
       Protokolle. „Vor allem die Hausregeln waren und sind schwierig. Manchmal
       verstehe ich es einfach nicht. Die Regularien erlauben dies nicht, die
       Regularien erlauben das nicht“, sagt Silayo.
       
       Schweigend schlägt er die Ecke des Königsmantels um und deutet auf ein
       weißes Etikett: „Kiboscho, Dschagga, 11.328, Johannes“. Die
       Bestandsaufnahme der Entführung, als wäre sie ein Verwaltungsvorgang.
       Kiboscho ist ein Dorf am Fuß des Kilimandscharo-Massivs in Tansania.
       Valence Silayo ist in der Region aufgewachsen. Im Schatten der mächtigen
       Berggipfel Kibo und Mawenzi fing er als junger Archäologe an, die
       Geschichte seines Volks zu ergründen.
       
       Über eine Million Dschagga leben heute im Norden Tansanias – eine von über
       120 Volksgruppen im Land. Im Gegensatz zu ihren halbnomadischen Nachbarn,
       den Massai, sind sie seit Jahrhunderten sesshaft. Den Dschagga eilt in
       Tansania der Ruf voraus, besonders strebsam zu sein. Valence Silayo sagt:
       „Ich habe die Verantwortung, dass unser Erbe bekannt ist und an den
       richtigen Ort kommt.“ Er ist der erste und bislang einzige Dschagga, der in
       Stuttgart das Erbe seines Volks erforschen darf.
       
       Johannes, der Name auf dem Etikett, weist auf Kurt Johannes hin. Einer der
       Befehlshaber der „Schutztruppe“ für die Kolonie Deutsch-Ostafrika, das
       heutige Tansania. Am 2. März 1900 ließ Oberstleutnant Johannes mehrere
       Dschagga-Anführer hinrichten. Im selben Jahr brachte er ihr Königsgewand
       nach Stuttgart.
       
       Die Inventarnummer 11.328, der Königsmantel, bezeichnet eines von etwa
       160.000 Objekten, die die Sammlung des Linden-Museums in Stuttgart umfasst.
       Über 5.000 davon stammen aus Tansania, rund 450 wiederum vom Volk der
       Dschagga.
       
       Rund zweieinhalbmal so groß wie Deutschland, erstreckt sich Tansania vom
       Indischen Ozean bis tief ins Landesinnere Ostafrikas. Als 1885 die
       Deutschen kamen, existierte es noch nicht als politische Einheit, erst die
       Kolonialherren zeichneten seine heutige Form in die Landkarte. Der deutsche
       Imperialismus forderte bis 1918 hunderttausende Opfer im damaligen
       Deutsch-Ostafrika. Neben Kunsthandwerk und Alltagsgegenständen, nahmen sie
       unzählige Schädel und Gebeine mit nach Europa – oft um sie für rassistische
       Theorien zu untersuchen. Bis heute liegen viele dieser menschlichen
       Überreste in deutschen Sammlungen.
       
       Etwa 90 Jahre nach dem Abzug der Deutschen aus Tansania, im Jahr 2004,
       schreibt sich ein junger Mann namens Valence Silayo an der Universität der
       tansanischen Hauptstadt Daressalam ein. Geschichte soll es werden – seine
       große Leidenschaft seit der Schulzeit. Silayo bekommt aber keinen Platz und
       so wird es damals ein Fach, das er bislang nicht kennt: Archäologie, aus
       taktischen Gründen. Bald will er den Studiengang wechseln. Doch es kommt
       anders: Der junge Student verliebt sich in die Archäologie, bleibt ihr
       treu. Jahrelang gräbt Silayo die Erdschichten des Kilimandscharo-Massivs
       um, auf der Suche nach Zeugnissen der vorkolonialen Geschichte seines
       Volks. 70 bis 80 Meter tief, bis zurück in die Jungsteinzeit. Er holt
       Keramiken, Steinwerkzeuge und Perlen aus dem Vulkangestein.
       
       Weiter oben im Boden findet er Bewässerungsgräben, Befestigungsanlagen und
       Tunnelsysteme – gebaut, bevor die Deutschen die Dschagga unterwarfen. Doch
       Kunsthandwerk wie Perlenstickereien, Schmiede- und Holzarbeiten sucht er
       vergeblich: „Als ich verstanden hatte, dass die materielle Kultur, die am
       Kilimandscharo geplündert wurde, irgendwo verborgen liegt, habe ich
       angefangen, darüber nachzudenken, wie ich den Objekten näherkommen kann“,
       erzählt Silayo heute.
       
       März 2025, Stuttgart. Der Hegelplatz ist eigentlich eine Kreuzung. Dort
       erhebt sich das Linden-Museum wie ein Leuchtturm aus dem Asphalt. Valence
       Silayo legt den Kopf in den Nacken, zeigt auf den Torbogen des
       Eingangsportals und sagt: „Das Museum ist auf unserem Rücken gebaut.“ Zwei
       Statuen mit nacktem Oberkörper stützen den Gründerzeitbau. Stereotype
       koloniale Darstellungen eines Afrikaners und eines Ozeaniers. Silayo,
       dunkler Pullover mit hohem Kragen, schwarze Jeans und Sneaker, erklimmt die
       Treppen zum Eingang – „Perspektiven wechseln“ steht da auf einer der
       Stufen. Wenn es doch so einfach wäre.
       
       ## Hinter der Schutztür die Schätze der Dschagga
       
       An der Rezeption vorbei, durch eine erste schwere Tür hindurch, gelangt man
       in die Katakomben. Am Ende eines fensterlosen Korridors mit Gussbetonboden
       befindet sich eine doppelte Brandschutztür. Hinter ihr verbergen sich die
       Schätze der Dschagga und viele tausend weitere Objekte. An der Tür hängt
       eine Warnung: „Der Eintritt ist nur mit Schutzausrüstung gestattet“.
       
       Das Problem? Die dort aufbewahrten Gegenstände sind mit Arsen und
       Quecksilber kontaminiert – giftigen Chemikalien, die früher verwendet
       wurden, um das ethnografische Material haltbar zu machen. Einmal an sich
       genommen, dann vergiftet. Eine doppelte Entfernung: erst aus dem Land, dann
       aus der Berührbarkeit.
       
       Will Silayo hinter die Tür, muss ihn jemand begleiten. Wenn gerade niemand
       da ist, soll er auch mal einen Tag warten. Versicherungsgründe. Silayo ist
       Stipendiat und wird von einer externen Stiftung bezahlt, nicht vom Museum.
       Deshalb hat er keinen Schlüssel für das Depot, nur für das Hauptgebäude und
       sein Büro. Spontan und auf eigene Faust etwas aus dem Magazin holen, das
       geht nicht. Valence Silayo ist Doktor der Archäologie und angesehener
       Dozent an der Universität Daressalam. Ihm fällt es schwer, die
       Zutrittsvorschrift anzunehmen.
       
       „Das Museum bewahrt und schützt die Objekte, aber ich spreche von
       Gerechtigkeit. Sie dort einzusperren, ist für mich eine andere Art, den
       Völkern ihr Recht zu verweigern“, findet Silayo. Wenn er deutlich wird,
       unterstreichen seine Hände die Worte mit resoluten Gesten, er nickt zur
       Unterstützung fest mit dem Kopf. Und Silayo wird oft deutlich. Sein Lächeln
       weicht dann einer entschlossenen Ernsthaftigkeit. Auch heute hätte er gerne
       die Tür zum Magazin geöffnet und alles gezeigt. Doch Journalisten sollen
       nicht ins Magazin. Um die Objekte aus den Depots zu holen und sie zu
       präsentieren, braucht das Museum zwei Wochen Vorlauf. Nicht nur Silayo muss
       sich durch das Regeldickicht schlagen.
       
       Er verschränkt die Arme, blickt mit einigem Abstand auf die Tür. Unerwartet
       nähert sich ein Mitarbeiter, grüßt kurz, setzt sich eine Atemschutzmaske
       auf und legt einen Transponder an den Zutrittsleser. Er öffnet die Tür
       einen Spalt, huscht ins Magazin und kommt kurz darauf mit einer Holzkiste
       wieder heraus. Angestellte dürfen das.
       
       Aus dem Hintergrund beobachtet auch Fiona Siegenthaler, Kuratorin der
       Afrika-Sammlung, den Vorgang. Kurzhaarfrisur, olivgrüner Wollpulli,
       grasgrüne, halbgeschlossene Sandalen. Die Anthropologin aus der Schweiz
       arbeitet eng mit Silayo zusammen. Auch heute ist sie dabei. Vor der Tür des
       Magazins stehend, berichtet Silayo von vermeintlichen Einschränkungen bei
       der Bearbeitung von Bildern der Objekte.
       
       Fragend spekuliert er: „Vielleicht geht es um Vertrauen …?!“ Fiona
       Siegenthaler unterbricht ihn. „Das war sicherlich ein Missverständnis“,
       sagt sie. Silayo: „Das ist meine Wahrnehmung.“
       
       Die Regeln des Hauses scheinen Misstrauen in ihm zu säen. Siegenthaler
       fällt die schwierige Aufgabe zu, die Vorschriften durchzusetzen und
       zugleich die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für Silayo zu schaffen. Ein
       Balanceakt. Auf inhaltlicher Ebene habe es keine grundlegenden
       Meinungsverschiedenheiten, aber lebhafte Diskussionen zwischen ihr und
       Silayo gegeben, erzählt Siegenthaler. Erstmal mussten sie eine gemeinsame
       Sprache finden, die Denksysteme aneinander anpassen. Dazu kommt, dass sie
       beide nicht in ihrer Muttersprache, sondern auf Englisch miteinander reden.
       
       ## Eine Riesenchance für Silayo
       
       2023 hatte ein Kollege aus Berlin Silayo auf eine Internet-Anzeige
       aufmerksam gemacht: Zwei Jahre Forschungsaufenthalt im Linden-Museum in
       Stuttgart, gefördert durch die [3][Gerda-Henkel-Stiftung.] Das Museum
       möchte die koloniale Gewalt gemeinschaftlich aufarbeiten. Gleichzeitig
       will man etwas über die Sammlungsgegenstände lernen, die oft ohne nähere
       Erklärung im Museum gelandet waren. Forschungsideen darf der Stipendiat
       selbst liefern. Eine Riesenchance.
       
       Valence Silayo bewarb sich sofort. Im Februar 2024 zog er mit seiner Frau
       und zwei Kindern nach Stuttgart. Eine Premiere: Erstmals kommt ein
       Tansanier an das Linden-Museum, um an der kolonialen Sammlung zu forschen.
       Ein Jahr später, Arbeitsraum 008. Zwei Türen entfernt vom Magazin. Silayo
       hat mit Hilfe der Museumsangestellten Objekte der Dschagga auf Tischen
       ausgebreitet: den Königsmantel, Hochzeitsschmuck und -gewänder,
       Haushaltswaren, Schutzschilde, Speer, Schwert und Pfeile. Der Archäologe
       spricht in Schleifen, schweift aus, fügt noch eine Anekdote hinzu und kehrt
       dann zurück zur Ausgangsfrage. Immer mit einer klaren, unmissverständlichen
       Haltung, die wenig Zweifel zulässt.
       
       „Die Deutschen sagen: ‚wir haben Gesetze, die unsere Artefakte, unser Erbe
       schützen.‘ Aber ich habe ein Problem mit dem Wort ‚unser‘“, sagt er.
       Silayo ist in seinem Element, vergisst beim Gestikulieren kurz den
       kostbaren Holzkrug in seinen Händen. Sachte legt er ihn ab, als es ihm
       auffällt. Man solle die Gegenstände lieber belongings nennen, Besitztümer,
       nicht einfach Objekte. Besitztümer der Herkunft-Communities. Sie wüssten,
       was die Objekte bedeuteten. Und diese Communities wollen sie zurückhaben.
       Er selbst sei nur der Bote.
       
       Fiona Siegenthaler, die Sammlungskuratorin, sitzt auf einem Treppchen am
       Fenster und lauscht aufmerksam Silayos Worten. Meist stimmt sie ihm zu,
       manchmal aber, da möchte sie präzisieren. Als Silayo davon spricht, dass
       alle Objekte geplündert wurden, flüstert Siegenthaler ein „meistens“
       hinterher. Ein anderes Mal fügt sie an: „Es besteht die Gefahr, dass wir
       vergessen, Geschichte als etwas Komplexes zu begreifen. Wo Aushandlungen
       stattfanden, wo es Gespräche gab, und wo, in einigen Ausnahmefälle sogar
       Freundschaften bestanden.“
       
       Sie will damit nicht das begangene Unrecht wegwischen. Aber Siegenthaler
       möchte differenzieren. Und tatsächlich ist bei vielen Objekten nicht
       abschließend geklärt, wie genau sie in deutsche Hände gelangten.
       Wenngleich sich Silayo sicher ist, dass der Mantel, andere royale
       Gegenstände und die Hochzeitskleider geraubt sein müssen. Niemand gebe so
       etwas freiwillig her.
       
       An manchen Tagen wollte er schon alles hinschmeißen und einfach nur nach
       Hause, sagt er. Die Hausregeln und der ganze Papierkram in Deutschland
       machen ihn mürbe. Sein Antrag auf Verlängerung des Visums liegt seit
       Monaten bei der Ausländerbehörde, aktuell hat er nur einen provisorischen
       Aufenthaltstitel. Erst kürzlich, als er von einer Konferenz in Südafrika
       zurückkam, hielt die Passkontrolle ihn fast eine Stunde hin, bevor sie ihn
       ins Land ließ. Traumatisierend war das: „Ich bin doch kein Sklave, ich bin
       ein freier, unabhängiger Mann.“ Es verletzt seine Würde.
       
       Fiona Siegenthaler und andere Museumsmitarbeiter versuchen Silayo im Rahmen
       ihrer Möglichkeiten die Arbeit zu erleichtern. Dafür sei er sehr dankbar,
       sagt er. Hunderte Seiten handgeschriebener Korrespondenzen tippte der
       Provenienzforscher des Museums, Markus Himmelsbach, in den Rechner und ließ
       sie dann für Silayo ins Englische übersetzen. Über 500 Fotografien von
       Objekten ließ das Museum anfertigen.
       
       Silayo nimmt die Fotos im Rahmen seiner Forschung mit an den
       Kilimandscharo. Um die Bedeutung vieler Gegenstände zu verstehen, muss er
       sie den Dschagga zeigen. Oft schlage ihm dabei Unverständnis entgegen. Die
       Menschen fragten ihn dann, warum er nicht einfach die Objekte selbst
       mitgebracht habe.
       
       Für manche ist es aber auch eine Überraschung, dass diese Objekte
       überhaupt existieren. Ist es also denkbar, dass es eine gewisse Form von
       Dankbarkeit gibt? Dafür, dass die Deutschen die Objekte erhalten haben?
       „Nein!“, schießt es aus Silayo hervor. „Das würde ich nicht sagen! Die
       königlichen Gegenstände wurden von Generation zu Generation weitergegeben.“
       Die Materialien zu erhalten, das hätte man auch selbst geschafft.
       
       Valence Silayo verlangt von Deutschland nicht nur eine Entschuldigung für
       die Kolonisierung, sondern die volle Übernahme von Verantwortung für die
       Geschichte. Das heißt für ihn: Alle Gegenstände der Dschagga müssen über
       kurz oder lang wieder an Tansania zurückgegeben werden. In seinen Worten:
       „Es ist ihr Erbe, sie wollen es zurückhaben, sie wollen es sehen und sich
       damit wieder verbinden!“
       
       Zweite Etage, in der „Orient“-Ausstellung, eine Wand mit blauen Ornamenten.
       Eine Klinke ragt unauffällig aus ihr heraus, die Tür ist kaum sichtbar.
       Direkt aus Arabien geht es in die schmucklose Realität eines Büroflurs. An
       dessen Ende sitzt Museumsdirektorin Inés de Castro in ihrem
       lichtdurchfluteten Büro. Das Museum sei sehr offen für solche
       Restitutionen, sagt sie. Man habe auch schon Objekte an Namibia
       zurückgegeben. Am Ende aber entscheidet die Stadt Stuttgart und das Land
       Baden-Württemberg. Ihnen gehören formal die Artefakte. Sobald Tansania sie
       zurückfordert, kann ein Restitutionsprozess beginnen.
       
       Und gerade das scheint jetzt auch angestoßen zu werden: Mitte März hat eine
       offizielle Delegation aus Tansania deutsche Museen besucht, um Kulturgut zu
       sichten. In Stuttgart trafen sie auch Valence Silayo. Eine Erklärung und
       erste Rückgabeforderungen könnten bald folgen. Es wird aber wohl noch
       einige Zeit und das Ausfüllen vieler Formulare brauchen, bis die Dschagga
       ihr Erbe zurückbekommen. Silayo kennt dieses Spiel mittlerweile. Kein Nein,
       kein Ja – sondern eine unendliche Kette von „Wir prüfen das“.
       
       In Moshi, der Hauptstadt der Kilimandscharo-Region, sei man schon weiter,
       erzählt Silayo. Ein Kulturzentrum solle hier entstehen, mit Regionalmuseum
       für die zurückgegebenen Objekte und einem Friedhof für rückgeführte
       Gebeine. Auch einen Ort dafür gebe es schon. Für die Finanzierung des
       Vorhabens haben Silayo und ein Kollege Förderanträge bei deutschen
       Stiftungen gestellt.
       
       Wenn die Objekte erst mal in den Händen der Communities sind, dann könne
       man einige ausgewählte ja auch in Deutschland zeigen, meint Silayo. In
       Planung ist das sowieso: Kuratorin Siegenthaler und er bereiten eine
       Ausstellung für den September 2025 vor. Bis dahin bleibt der purpurrote
       Königsmantel sicher in Stuttgart.
       
       Im Arbeitsraum 008 steht Valence Silayo vor dem Gewand. Er spricht mit
       ruhiger Stimme, auch die scharfen Worte. Er erzählt, wie die Nachkommen der
       Königsfamilie in Tränen ausbrachen, als er ihnen ein Foto des roten Mantels
       zeigte. Und auch Silayos Pupillen glänzen bei dieser Erinnerung. Er hätte
       sich gewünscht, ihnen mehr als ein Foto zu bringen. Aber in Deutschland
       braucht Aufarbeitung Zeit. Und Formulare. Und Geduld.
       
       13 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://tuebingen-moshi.de/wachagga-project/the-people-who-shared-their-kn
   DIR [2] https://lindenmuseum.de/
   DIR [3] https://www.gerda-henkel-stiftung.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonáš Filip Lüth
       
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