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       # taz.de -- Deutsch-israelische Diplomatie: Beziehungsstatus: Es ist kompliziert
       
       > Beim Besuch von Israels Präsidenten Herzog sollte das 60. Jubiläum
       > deutsch-israelischer Beziehungen gefeiert werden. Stattdessen gibt es
       > Kritik.
       
   IMG Bild: Roter Teppich zuende: Steinmeier begrüßt seinen israelischen Amtskollegen Izchak Herzog vor dem Schloss Bellevue in Berlin
       
       Berlin taz | Wenn es noch ein Symbolbild für die Verständigungsprobleme
       zwischen Israel und Deutschland gebraucht hätte, lieferte es am Montag die
       Dolmetschertechnik im Schloss Bellevue. Zweimal musste Israels Präsident
       Izchak Herzog zu seiner kurzen Rede am Montag ansetzen, weil beim ersten
       Versuch die Übersetzung versagte.
       
       „Dieser Besuch ist ein ganz besonderer“, hatte Frank-Walter Steinmeier
       (SPD) vorher seinen Gast begrüßt. Der Bundespräsident spielte damit auf das
       60. Jubiläum der offiziellen deutsch-israelischen Beziehungen am 12. Mai
       1965 an, Anlass des Besuchs. Besonders ist das Treffen aber auch aus
       anderen Gründen. Es ist der erste Besuch des israelischen Präsidenten
       Herzog, seit der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) [1][Ende November
       einen Haftbefehl gegen seinen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu
       erlassen hat]. Und es ist der erste Staatsbesuch nach der Wahl der neuen
       Bundesregierung, die sich nun gegenüber Israel verhalten muss.
       
       Steinmeier dankte Herzog zunächst dafür, dass Israel nach der Shoah wieder
       Beziehungen zu Deutschland aufgenommen hatte. Was Steinmeier zur aktuellen
       politischen Lage sagte, war für seine Verhältnisse dann erstaunlich
       deutlich und konkret. Er forderte ein Ende der Blockade des Gazastreifens
       und die Versorgung mit Hilfsgütern: „Nicht irgendwann, sondern jetzt.“
       
       Steinmeier mahnte dann aber auch gerichtet an die deutsche Öffentlichkeit:
       „Wir dürfen uns die Beurteilung nicht zu einfach machen.“ Er sprach über
       Israels Dilemma beim Kampf gegen die Hamas, die die Verteilung von
       Hilfsgütern kontrollieren wolle und sich beim Kampf hinter zivilen
       Einrichtungen verstecke. Die Frage, ob Deutschland den Netanjahu trotz
       Haftbefehls einladen solle und ob dieser dann vollstreckt werde, gab
       Steinmeier an die Bundesregierung weiter. Er hoffe, beide Seiten seien klug
       genug, es nicht so weit kommen zu lassen.
       
       ## Israel, „Festung des Westens“?
       
       Herzog, der den Haftbefehl gegen seinen Ministerpräsidenten in der
       Vergangenheit als „dunklen Tag für die Menschheit“ bezeichnet hatte, wurde
       weniger konkret als sein Amtskollege. Auch die Israelis träumten weiter von
       Frieden, auch mit den Palästinensern. Herzog dankte dem „lieben Frank“ für
       die deutsche Unterstützung nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober.
       
       Mit Blick auf die Geschichte der deutsch-israelischen Beziehungen zitierte
       Herzog den Bundeskanzler Adenauer, der die deutsch-israelischen Beziehungen
       nicht nur mit der historischen Verantwortung Deutschlands begründet hatte,
       sondern auch damit, dass Israel die „Festung des Westens“ im Nahen Osten
       sei. Diese Bastion der freien Welt und der Demokratie sei Israel auch heute
       noch, so Herzog.
       
       Eine Einladung der neuen Bundesregierung an den israelischen
       Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gibt es derweil nicht. Bundeskanzler
       Friedrich Merz habe keine Einladung an Netanjahu ausgesprochen, sagte
       Regierungssprecher Stefan Kornelius bei seiner ersten
       Regierungspressekonferenz. Auch gebe es bisher keine Reiseplanungen von
       Merz nach Israel. [2][Merz hatte Ende Februar angekündigt, „Mittel und
       Wege“ für eine sichere Ein- und Ausreise Netanjahus zu finden], sollte
       dieser Deutschland besuchen wollen. Der Regierungssprecher sagte, Merz sei
       weiterhin der Meinung, dass es schwer vorstellbar sei, dass ein
       israelischer Ministerpräsident Deutschland nicht besuchen könne.
       
       Der IStGH verdächtigt Netanjahu, für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in
       Gaza verantwortlich zu sein. Die 125 Vertragsstaaten des IStGH, darunter
       auch Deutschland, müssten ihn deshalb festnehmen, sobald er ihr Territorium
       betritt. Wie die Bundesregierung unter diesen Voraussetzungen einen Besuch
       Netanjahus ermöglichen würde, ließ Kornelius unbeantwortet. Aus dem
       Außenministerium hieß es dazu, dass der IStGH seinen Vertragsstaaten noch
       kein Rechtshilfeersuchen für eine Festnahme Netanjahus zugestellt habe.
       
       ## Steinmeier trifft Netanjahu in Israel
       
       Nach Herzogs Besuch wird Steinmeier seinen Amtskollegen zurück nach Israel
       begleiten und dort auch mit Netanjahu zusammentreffen. Für die
       Menschenrechtsorganisation Amnesty International ein Skandal. „Dieses
       Treffen darf nicht stattfinden“, sagt Katja Müller-Fahlbusch, Referentin
       bei der Organisation für die Region Nordafrika und Naher Osten. „Alle
       Verbrechen sind gut dokumentiert. Trotzdem gibt es kein Umdenken, keine
       Handlung im Umgang mit Israel. Was soll denn noch passieren?“
       
       Amnesty hatte am Vormittag vor dem Kanzleramt einen Protest gegen den
       Besuch Herzogs angemeldet. Es kamen knapp 20 Menschen. Auf ihren Schildern
       stand: „Das Völkerrecht kennt keine Staatsräson.“ Andere bezeichneten
       Israels Vorgehen in Gaza als Völkermord.
       
       Neben Amnesty meldeten sich weitere Organisationen in einem offenen Brief
       zu Wort: „Vor dem Hintergrund des andauernden Genozids an der
       palästinensischen Bevölkerung halten wir es für unangemessen, die
       deutsch-israelischen Beziehungen in dieser Form feierlich zu begehen“,
       heißt es dort. Ein Besuch des Bundespräsidenten in Israel könne „nur als
       Unterstützung der völkerrechtswidrigen israelischen Gewalt in Gaza und der
       Westbank“ verstanden werden.
       
       Zu den Unterzeichnern gehören die Allianz für Kritische und Solidarische
       Wissenschaft (KriSol) und der Verein palästinensischer und jüdischer
       Akademiker*innen (PJA). Die Menschenrechtsorganisationen Medico
       international und das European Center for Constitutional and Human Rights
       (ECCHR) forderten Steinmeier auf, von einem Treffen mit Netanjahu
       abzusehen.
       
       12 May 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Kersten Augustin
   DIR Cem-Odos Güler
   DIR Alice von Lenthe
   DIR Sabine am Orde
       
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