URI: 
       # taz.de -- Tech-Milliardäre in den USA: Wie koloniale Kompanien
       
       > Die US-Technologiekonzerne erinnern an das Zeitalter des Imperialismus.
       > Es geht nicht nur um Profite, sondern um Infrastruktur, Mobilität und
       > Politik.
       
   IMG Bild: Big Tech Player wie Elon Musk übernehmen die Kontrolle
       
       Unternehmer wie Elon Musk, Mark Zuckerberg, Jeff Bezos, Sundar Pichai oder
       Peter Thiel verkörpern die neue Macht der Big Tech. Sie üben eine
       wirtschaftliche und politische Dominanz aus, die weit über die üblichen
       Industriekapitäne hinausgeht. „Plattformkapitalisten“, „Techmogule“ oder
       „Broligarchen“ werden sie bisweilen genannt.
       
       Immer mehr Autoren setzen auf einen uralten Begriff: koloniale Kompanien.
       Unternehmen wie Tesla, Meta, Amazon, Alphabet oder Paypal ähneln immer mehr
       den großen kolonialen Konzessionsgesellschaften, die zwischen dem 17. und
       dem 19. Jahrhundert die Geschichte des europäischen Imperialismus geprägt
       haben.
       
       Wie die Niederländische Westindien-Kompanie in der Karibik, die Britische
       Ostindien-Kompanie in Indien oder belgische Konzessionsgesellschaften in
       Afrika, verhalten sie sich nicht wie gewöhnliche Privatunternehmen, sondern
       eher wie Staaten. Sie üben die Kontrolle über immer größere
       Bevölkerungsgruppen aus, prägen deren Bewegungen, Kommunikation und Alltag.
       Sie teilen rassistische Weltvorstellungen und streben nach absoluter Macht.
       
       Wie Kolonialgouverneure herrschen [1][Big-Tech-Führungskräfte] über ihre
       Unternehmen. Musk und seine Freunde machen keinen Hehl daraus, dass sie
       sich nicht als gewöhnliche Industrielle verstehen. Gewiss, Unternehmen sind
       selten rein demokratische Instanzen, aber es gibt Checks and Balances. In
       den meisten Großunternehmen ist die Macht zwischen Aktionären und Vorstand
       aufgeteilt. Nicht so bei Meta. Die Aktionärsstruktur räumt dem Gründer und
       CEO der Firma eine Mehrheit der Stimmen ein.
       
       ## Gewerkschaften unerwünscht
       
       In den meisten Großunternehmen wird den Gewerkschaften eine gewisse
       Legitimität eingeräumt. Nicht so bei Amazon. 30 Jahre lang hat sich Bezos
       strikt gegen die Gründung von Gewerkschaften in Amazon-Lagerhallen
       positioniert. In den meisten Unternehmen pflegt man – zumindest pro forma –
       eine demokratische Sprache. Man nennt sich „Präsident“, „Geschäftsführer“
       oder „Vorstandsvorsitzender“. Nicht so bei Musk, der sich ganz ohne Ironie
       als „Technoking of Tesla“ bezeichnen läßt.
       
       Sein Finanzchef trägt den Titel „Master of Coin“. Wenn Sie das an den
       Schatzmeister des Königs in [2][Game of Thrones] erinnert, ist es kein
       Zufall. Dabei übernehmen diese Privatunternehmen zunehmend staatliche
       Aufgaben. Es geht lange nicht mehr um Wirtschaft und Profit. Es geht um
       Infrastruktur, Mobilität und Politik. Durch die Satelliten von StarLink
       kann Musk entscheiden, ob riesige Territorien in Konfliktgebieten Zugang
       zum Internet bekommen oder nicht.
       
       Es geht dabei nicht nur um das Schicksal von einzelnen Personen, sondern um
       die Funktionsfähigkeit von Schulen, Krankenhäusern und Armeen. Die Daten,
       die von Alphabet oder Amazon verwendet werden, sind für soziale
       Dienstleistungen und wirtschaftliche Aktivitäten von strategischer
       Relevanz. Zuckerberg gibt selbst zu: „In vielerlei Hinsicht gleicht
       Facebook eher einer Regierung als einem traditionellen Unternehmen.“
       
       Ein Handvoll großer Datenunternehmen konzentriert einen so großen Teil des
       Internetverkehrs auf sich, dass sie Wahlen und politische Debatten
       beeinflussen. Fairen und freien Wettbewerb gibt es in der digitalen Welt
       nicht. Durch Netzwerkeffekte und geschlossene Standards haben einige wenige
       Digitalkonzerne den freien Wettbewerb im Internet abgeschafft. Dies
       erinnert an die Zeit, als eine Handvoll kolonialer Unternehmen ein
       Quasi-Monopol auf die überseeische Kommunikation hatten.
       
       ## Das Recht der Stärkeren
       
       Früher musste man Handelsrouten und Häfen kontrollieren, heute reicht ein
       Monopol über Datenflüsse und Server. Monopolmissbrauch ist wieder eine
       erfolgreiche Strategie. Sogar souveräne Rechte wie das Recht zur
       Münzprägung werden zunehmend angefochten. [3][Cryptocurrency wie Dogecoin]
       wird aufgewertet – just wie die Britische Indien-Kompanie, die im 17.
       Jahrhundert das Recht erhielt, im Namen des britischen Königs Münzen zu
       prägen.
       
       Auch die physische Kontrolle über Territorialgebiete ist nicht mehr
       ausgeschlossen. In Mountain View, [4][Willow Village] or Snailbrook
       entstehen kleine Städtchen mit Büroräumen und Wohnhäusern, Restaurants,
       Kaffees, Kinos, Krankenhäusern und Tennisplätzen – alles unter Überwachung
       des Unternehmens und der Privatsicherheitskräfte.
       
       Wie die alten Kolonialgesellschaften setzen auch die digitalen Konzerne auf
       Propaganda. Für Inhalte wird keine Verantwortung übernommen – selbst für
       strafbare Aussagen. Ein koloniales Weltbild wird fortgeschrieben. Die
       Daten, mit denen KI-Modelle trainiert werden, stammen überproportional oft
       aus dem Globalen Norden und verzerren damit den Blick auf den Globalen
       Süden. Zudem ist allgemein bekannt, dass Gesichtserkennungsalgorithmen
       Schwierigkeiten haben, nicht-weiße Menschen zu identifizieren.
       
       KI-basierte Sprachmodelle sind für die meisten afrikanischen Sprachen
       blind. Mehr noch: Kolonialismus wird gepriesen. Musk verharmloste das
       britische Empire auf X. [5][Thiel] bezeichnete das Apartheidregime, in dem
       er aufgewachsen ist, als „ökonomisch sinnvoll“. Immer wieder setzen die
       Techbros auf das Recht des Stärkeren und auf angeblich „natürliche“
       Hierarchien. Der Begriff der kolonialen Kompanien deckt sicherlich nicht
       alle Aspekte der Big-Tech-Unternehmen ab.
       
       ## Staatliche Regulierung jetzt
       
       Aber diese Metapher kann vielleicht den Weg aufzeichnen, wohin die Reise
       gehen könnte. Für die Kolonialgesellschaften begann die Geschichte mit
       Expansion und Gewalt. Sie endete mit Widerstand und schließlich mit der
       Übernahme durch den Staat. Nach dem Aufstand gegen die Britische
       Ostindien-Kompanie 1857 wurde die Kolonialgesellschaft aufgelöst. Nach den
       Gewaltexzessen der Handelskompanien im Kongo übernahm 1908 der belgische
       Staat die Verantwortung.
       
       Interner Widerstand und internationaler Druck führten schließlich zur
       nächsten Phase: der staatlichen Regulierung. Diesmal sollte es schneller
       gehen. Am besten noch, bevor sich ein neuer Kolonialismus etabliert.
       
       15 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mark-Zuckerbergs-Maennlichkeitsbild/!6062092
   DIR [2] https://gameofthrones.fandom.com/de/wiki/Meister_der_M%C3%BCnze
   DIR [3] /Netzphaenomene-und-Kryptowaehrungen/!6056644
   DIR [4] https://willowvillage.com/
   DIR [5] /Tech-Investor-Peter-Thiel/!6041339
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Joël Glasman
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Großkonzerne
   DIR Big Tech
   DIR Mark Zuckerberg
   DIR Jeff Bezos
   DIR Elektromobilität
   DIR Elon Musk
   DIR Twitter / X
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bald-Ehefrau von Jeff Bezos: Sie kann sich alles leisten
       
       Lauren Sánchez heiratet Jeff Bezos, bewacht von Scharfschützen auf den
       Dächern Venedigs. Passend für eine Frau, deren Firmen wie Geheimdienste
       klingen.
       
   DIR EU-Automarkt: Tesla rutscht weiter ab
       
       Der US-Elektroautopionier von Elon Musk verzeichnet in Europa weiterhin
       schwache Absatzzahlen. Erstmals wird er vom chinesischen Rivalen BYD
       überholt.
       
   DIR Elon Musks politischer Feldzug: Der Besessene
       
       Elon Musk hat Donald Trump den Weg zurück ins Weiße Haus geebnet, jetzt
       mischt er sich in Europas Politik ein. Was treibt diesen Mann?
       
   DIR Trump, Musk und die Tech-Milliardäre: Digitale Monopolmacht
       
       Tech-Milliardäre in den USA versuchen, unsere Demokratie zu untergraben.
       Was dagegen hilft: eigene, nicht-kommerzielle soziale Netzwerke aufbauen.
       
   DIR Änderungen für Instagram und Facebook: Meta-Konzern beendet Faktencheck
       
       Meta-Chef Mark Zuckerberg kündigt eine Abschaffung des Faktenchecks auf
       seinen Social-Media-Apps an – und will mehr mit Trump „zusammenarbeiten“.