URI: 
       # taz.de -- 2-Prozent-Ziel für die Bundeswehr: Von der Guardia Civil und den Carabinieri lernen
       
       > Wie viel Geld für die Bundeswehr? Die Debatte wird zu eng geführt.
       > Entscheidend ist, was man zu Militärausgaben zählt – da gibt es
       > Spielräume.
       
   IMG Bild: Es darf weiter aufgerüstet werden: Bundeswehrsoldaten des Panzerbataillon 203
       
       Der Einsatz von Milliarden und Abermilliarden Euro für Rüstung macht
       wütend, muss wütend machen. Was ließe sich damit nicht alles finanzieren!
       Und doch: Gegen einen Kriegstyrannen hilft kein gutes Zureden – und keine
       Armee ohne Ausrüstung. Also braucht es mehr Geld für die Bundeswehr. Neue
       Zielmarke der Nato-Staaten sind zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts
       (BIP). Oder gar noch mehr, wie [1][am Donnerstag Außenminister Johann
       Wadephul (CDU) in Anlehnung an Donald Trumps Forderungen andeutete].
       
       Dabei ist der BIP-Maßstab schwer zu begründen, denn das bedeutet Sicherheit
       nach Kassenlage. Wenn die Wirtschaft läuft und das Bruttoinlandsprodukt
       wächst, gibt es mehr Panzer, mehr Drohnen, mehr Kommunikationshelme; sinkt
       das BIP aber, müssten Soldaten im Extremfall weiter auf warme Wäsche
       warten. Der Rüstungsaufwand sollte sich an der Bedrohungslage, also am
       Bedarf orientieren, nicht an willkürlich gesetzten Zielgrößen. Was aber ist
       der Bedarf – heute, morgen und in den Jahrzehnten nach Putin? Denn es wird
       ein Leben nach Putin geben. Aber es wird lange dauern, bis man Russland
       hierzulande wieder über den Weg traut.
       
       Traditionellen Formen der Konfliktaustragung mit Panzern und Bomben ist
       längst Hightech zur Seite getreten, dem offenen Gefecht mit Kanonen und
       Kalaschnikow der versteckte Kampf im Cyberraum. Seit etwa 20 Jahren macht
       der Begriff der hybriden Kriegsführung die Runde, bei dem die früher
       einigermaßen klare Grenze zwischen Krieg und Frieden systematisch verwischt
       wird: Propaganda, Wahlbeeinflussung, Onlinekämpfe und Terrorakte gehören
       dazu.
       
       Mit der erstaunlicherweise [2][erst 2023 erarbeiteten Nationalen
       Sicherheitsstrategie] sind diese und weitere Bedrohungen ins Blickfeld
       geraten: Weltraum, Cyberspace und die ganz irdischen Probleme von
       Hungersnot bis Klimaschutz. Dass eine Sicherheitsstrategie heute nicht mehr
       bloß der territorialen Verteidigung dienen darf, kann also als bekannt
       vorausgesetzt werden.
       
       Die Umsetzung fängt beim Militär selbst an. Stichwort Klimaschutz: 2022
       bekannte sich die US-Armee zu einer eigenen Klimastrategie. Zentrale Ziele:
       Reduzierung des Treibhausgasausstoßes um 50 Prozent bis 2030, um 100
       Prozent bis 2050. Dazu gehört ein neues Energiemanagement auf den über fünf
       Millionen Hektar Land, die der US-Armee samt allen Immobilien darauf
       weltweit unterstehen. Die Fahrzeugflotte jenseits der Kampfeinheiten soll
       bis 2035 auf E-Mobilität umgestellt werden. Keine Überraschung indes:
       Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth hat verkündet, dass er die
       entsprechenden Studien des Pentagon in den Giftschrank stellen will.
       
       Und Deutschland? Die Bundeswehr nutzt derzeit rund 1.500 Liegenschaften.
       Jeder Euro, der hier in thermische Sanierung, erneuerbare – und das heißt
       auch: autonome – Energieerzeugung investiert wird, zahlt in das
       2-Prozent-Ziel ein. Und die Bundeswehr weiß: „Effizientere
       Energieversorgung, geringerer Energieverbrauch und alternative,
       klimaneutrale Energieträger reduzieren auch die Abhängigkeit und machen die
       Streitkräfte durchhaltefähiger.“ Die Bundeswehr kann also ihr Geld nicht
       nur für Raketen ausgeben, sondern auch für Photovoltaik. Beides ist
       militärisch sinnvoll.
       
       Noch interessanter wird es, wenn es gelingt, Dinge zu beschaffen, die man
       für kriegerische Auseinandersetzungen benötigt, die man aber auch für
       friedliche Zwecke einsetzen kann. Dual Use, duale Nutzung ist das
       Stichwort: ein Lazarettschiff beispielsweise oder eine fliegende
       Intensivstation. Heute im Hinterland eines Krieges eingesetzt, morgen in
       einem Erdbebengebiet. Der Airbus A400M könnte das, ist aber beim
       Lufttransportgeschwader 62 eindeutig der Luftwaffe zugeordnet.
       
       ## Militärisch oder nicht?
       
       Die USA haben Schiffe, ausgestattet mit Kanonen, Maschinengewehren und
       Hubschrauberlandedeck, die in Friedenszeiten von der US-Küstenwache geführt
       werden und dem Homeland-Security-Ministerium unterstellt sind, in
       Kriegszeiten aber dem Pentagon. Solche Doppelzuweisungen sind selten, aber
       kein Einzelfall: So kann die japanische Küstenwache, die in Friedenszeiten
       dem Verkehrsministerium untersteht, vom Premierminister dem
       Verteidigungsministerium unterstellt werden.
       
       Es geht auch anders. In Italien sind die Carabinieri – rund 100.000 Kräfte
       – eine Teilstreitkraft des italienischen Militärs und dem
       Verteidigungsministerium unterstellt. Im Alltag allerdings, wenn es um
       Polizeidienst geht, hat das Innenministerium das Sagen. Das ist kein
       Unikat: Auch Frankreichs Gendarmerie ist eine Militäreinheit.
       
       Ähnlich die spanische Guardia Civil: Sie hat militärischen Charakter, ihre
       Beschäftigten haben militärische Ränge; die Guardia ist insgesamt sowohl
       dem Innen- als auch dem Verteidigungsministerium unterstellt. Die
       Angehörigen sind keine Soldaten, sondern Polizisten, die ihr Gehalt vom
       Innenministerium beziehen. Und noch etwas fällt in Spanien auf: Es gibt
       eine 4.000 Soldaten starke Einheit – die Unidad Militar de Emergencias –,
       die dem Technischen Hilfswerk ähnelt.
       
       Alle drei Beispiele – Guardia Civil, Gendarmerie und Carabinieri – gelten
       als paramilitärisch. Ob ihr Sold, ihr Benzin, ihre Kasernen nach den
       Standards zur Berechnung der Verteidigungsausgaben für das 2-Prozent-Ziel
       einbezogen werden kann, hängt davon ab, ob sie militärisch trainiert und
       ausgestattet sind – und ist am Ende eine politische Entscheidung.
       
       Ein Vorschlag zum Schluss: Die Bundeswehr hat seit der Aussetzung der
       Wehrpflicht im Jahr 2011 zahlreiche Kasernen ausgemustert und Wohnflächen
       reduziert. 50.000 neue Dienstwohnungen würden die Attraktivität des
       Arbeitgebers Bundeswehr erhöhen und den zivilen Wohnungsmarkt entlasten.
       Nach dem Wegfall der Schuldenbremse für Deutschlands Verteidigung sollte
       Platz dafür sein auf der Einkaufsliste.
       
       16 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mehr-Militaerausgaben-der-Nato-Staaten/!6088032
   DIR [2] /Debatte-um-Wehrpflicht-und-Abhoerskandal/!5994482
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Walther
       
       ## TAGS
       
   DIR Bundeswehr
   DIR Rüstungskonzern
   DIR Social-Auswahl
   DIR Sipri
   DIR Ostermärsche
   DIR Ricarda Lang
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sipri-Friedensforschungsinstitut: Militärausgaben weltweit stark gestiegen
       
       Mehr Geld für Panzer, militärische Forschung und Streitkräfte: Weltweit
       sind die Ausgaben fürs Militär laut dem Sipri-Institut stark gestiegen.
       
   DIR Start der Ostermärsche: Gegen Aufrüstung, Atomwaffen und „blutiges Geld“ für Putin
       
       Für Abrüstung werden am Wochenende Tausende auf die Straße gehen. Einige
       demonstrieren auch gegen die Verarbeitung russischen Urans in Deutschland.
       
   DIR Ricarda Lang über Strategie der Grünen: „Die Schuldenlast tragen die Falschen“
       
       Ricarda Lang, Ex-Parteichefin, fordert einen Strategiewechsel. Sie will,
       dass die Grünen mehr Konflikte wagen und stärker auf soziale Themen setzen.