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       # taz.de -- Kampf zwischen Milizen in Tripolis: Brandgefährliche Lage in Libyens Hauptstadt
       
       > Libyens Regierungschef Dbaiba sagte den übermächtigen Milizen in Tripolis
       > den Kampf an. Aber das schmiedet die Warlords gegen ihn nur mehr
       > zusammen.
       
   IMG Bild: Gepanzerte Fahrzeuge in Libyens Hauptstadt Tripolis, 14. Mai 2025
       
       Tunis taz | Nach einer kurzen Atempause ist der Kampf um die Kontrolle der
       libyschen Hauptstadt wieder voll entbrannt. Am Donnerstagmittag versuchten
       Einheiten der regierungsnahen „Brigade 444“, die Kontrolle über den Platz
       der Märtyrer und andere strategische Orte im Zentrum von Tripolis zu
       erlangen. Während die 2 Millionen Bewohner der Stadt ihre Wohnungen und
       Häuser nicht verlassen, rollen Panzer durch die Straßen.
       
       Ärzte der in den umkämpften Stadtteilen Abu Slim und Suq Al Juma liegenden
       Krankenhäuser schätzen am Telefon gegenüber der taz die Zahl der Toten auf
       über 75, über 120 Verletzte liegen auf den Intensivstationen. Offizielle
       Angaben der Kriegsparteien gibt es dazu nicht.
       
       Noch am Montagabend hatte der seit 2021 amtierende Premierminister Abdul
       Hamid Dbaiba sich als Sieger gefühlt. Der Anführer der größten Miliz der
       Hauptstadt, Abdel Ghani al-Kikli, war in einer Kaserne erschossen worden,
       als er einer Aufforderung nachgekommen war, über die Niederlegung seiner
       Waffen zu verhandeln. Seine Miliz namens Stabilitäts-Unterstützungs-Apparat
       stand wie fast alle Milizen in Tripolis auf der Gehaltsliste der Regierung,
       sagen ließ sie sich allerdings nichts. Minuten nach al-Kiklis Tod
       [1][stürmte die „Brigade 444“] mit Radpanzern die Kasernen von al-Kiklis
       Truppe in Abu Slim.
       
       Die mehreren tausend Kämpfer von al-Kikli gaben noch am Montagabend auf.
       Wenig später trat Premier Dbaiba vor die Kameras und befahl auch den
       übrigen Milizen in Tripolis, sich aufzulösen und sich individuell dem
       Innenministerium anzuschließen. Dann stürmten seine Anhänger die Kasernen
       der zweitgrößten Miliz „Rada“, angeführt vom Salafisten Abdulauf Kara, die
       den Stadtteil Suq Al Juma beherrscht.
       
       ## Bereits zweite Schlacht innerhalb weniger Tage
       
       Diese zweite Schlacht am Dienstag verloren Dbaibas Einheiten. Und mehrere
       ehemals verfeindete Milizen schmiedeten nun eine neue Allianz gegen Dbaiba.
       Ihr Motto: die einfachen Leute gegen die korrupte politische Elite –
       Übergangspremier Dbaida ist ein Geschäftsmann und Millionär aus der
       Hafenstadt Misrata nahe Tripolis. Schwere Kämpfe tobten bis zu einer
       Feuerpause am Mittwoch, die aber nur kurz hielt.
       
       Doch Kritiker Dbaibas schauen mit Sorge auf seinen möglichen Sturz durch
       die Milizen, die er durch sein übermütiges Vorgehen nun gegen sich
       zusammengeschmiedet hat. Denn zahlreiche [2][Vertreter politischer Parteien
       und die politische Opposition] sind in den vergangenen Jahren in den
       Gefängnissen der Milizen verschwunden oder geflohen. Sie agieren als
       Staaten im Staat.
       
       ## Sorge vor neuem Bürgerkrieg wächst
       
       International wächst nun die Sorge vor einem neuen Bürgerkrieg in ganz
       Libyen mit internationalen Implikationen. Dbaiba wird von der Türkei
       unterstützt, die 2019–20 mit massiver Militärhilfe dafür gesorgt hatte,
       dass Tripolis und Misrata nicht an den in Ost- und Südlibyen starken
       Feldmarschall Chalifa Haftar fielen, der von Russland unterstützt wird und
       damals von Osten her ganz Libyen erobern wollte.
       
       Ausbilder der türkischen Armee sind seit Jahren auch für Dbaibas Verbündete
       im Einsatz. Am Mittwoch landeten türkische Militärflugzeuge in Misrata, von
       wo Milizen nun auf dem Weg nach Tripolis sind, um Dbaiba gegen die
       Hauptstadtmilizen zu helfen.
       
       Auch Haftar steht wieder bereit, die Gunst der Stunde zu nutzen.
       Iljuschin-76-Militärtransporter seiner „Libyschen Nationalarmee“ fliegen
       seit Dienstag Militärgerät aus dem Osten des Landes in das zentrallibysche
       Sirte. Haftar ist gerade von einer einwöchigen Reise aus Moskau
       zurückgekehrt. Er könnte nun erneut zum Angriff auf Tripolis ansetzen.
       
       Von ihrer politischen Elite haben viele Libyer genug. Aber ein neuer Krieg
       wäre verheerend. Trotz des geltenden Waffenembargos sind alle Seiten mit
       modernsten Panzerfahrzeugen, Drohnen und Nachtsichtgeräten ausgerüstet –
       selbst die Milizen in Tripolis.
       
       16 May 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Mirco Keilberth
       
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