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       # taz.de -- Papst-Begräbnis: Franziskus – der Anti-Trump
       
       > Wenn Papst Franziskus am Samstag beerdigt wird, ist auch US-Präsident
       > Donald Trump dabei. Dabei trennen die beiden Männer Welten.
       
   IMG Bild: Einst im Vatikan: Papst Franziskus und US-Präsident Trump nebst Gattin Melania treffen 2013 aufeinander
       
       Mehr Heuchelei geht nicht: US-Präsident Donald Trump und Ehefrau Melania
       sind zum Begräbnis des Papstes nach Rom geflogen. Trump und Papst
       Franziskus, zwei Männer, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten.
       Ziemlich beste Feinde, was Ihre Politik, ihr Auftreten, ihr ganzes Leben
       betrifft. Vor allem verkörpern sie gegensätzliche Pole, wohin diese Welt zu
       gehen hat. Der eine steht für [1][Gemeinwohl und Geschwisterlichkeit,] der
       andere für Profit, Macht und Ego. Franziskus klagte stets das Recht der
       Schwächeren ein, der Trumpismus setzt auf das Recht der Starken.
       
       Jetzt begegnen sie sich. Franziskus liegt im Sarg, aber seine Haltung und
       seine Autorität sind noch omnipräsent. Es wird spannend sein zu beobachten,
       wie sich am heutigen Samstag, dem Tag der Beisetzung, die anderen
       Staatenlenker in diesem Spannungsfeld verhalten: Auf welcher Seite stehen
       sie? Wird es ein Schaulaufen geben, bei dem Krokodilstränen am Sarg
       vergossen werden oder doch eine Übung in Nachdenklichkeit und
       Gewissensprüfung? Der argentinische Präsident Javier Milei, der den Papst
       einen „linken Hurensohn“ nannte, wird ebenfalls präsent sein und in
       vollendeter Maskerade ein trauriges Gesicht zeigen.
       
       Der Widerstreit zwischen den beiden Lagern entfachte sich vor allem am
       Umgang mit Migranten. Von der Reise nach Lampedusa im Jahr 2013, als
       Franziskus die Situation mit dem Wort von der „Globalisierung der
       Gleichgültigkeit“ beschrieb, bis zum Schreiben an die US-Bischöfe nach dem
       Amtsantritt vor Präsident Trump 2025, forderte Franziskus unentwegt, die
       Massenabschiebungen von Geflüchteten zu stoppen und ihre Menschenwürde zu
       schützen. Gestützt auf die alttestamentarische Erzählung vom Auszug Israels
       aus Ägypten und der Erfahrung seiner Großeltern, die bei der Überfahrt von
       Italien nach Argentinien nur knapp einem Schiffsunglück entronnen waren,
       beharrte Franziskus darauf, dass eine Willkommenskultur auch mit Opfern auf
       Seiten reicher Gesellschaften unausweichlich sei.
       
       Überhaupt weinte Franziskus der neoliberalen Globalisierung keine Träne
       nach, er verlangte eine solidarische Weltordnung. Während es in
       progressiven Zirkeln mittlerweile üblich ist, in Zeiten von Trump der guten
       alten Globalisierung nachzutrauern, bestand Franziskus auf einer
       Umgestaltung der Weltwirtschaftsordnung auf die Bedürfnisse der Mittellosen
       und armen Länder hin.
       
       Bergoglio war ein Papst aus dem globalen Süden, das prägte seine Weltsicht.
       Schon als Student hatte er erlebt, wie sich ein Riss in der katholischen
       Kirche in Lateinamerika auftat. Es war die [2][Klerikerkirche, die auf
       Seiten der Mächtigen stand] – gegenüber einer Basiskirche, die sich für die
       Unterdrückten einsetzte. Für Bergoglio war die Sache klar: Die Kirche hat
       sich auf die Seite der Bedürftigen und Entrechteten zu schlagen. Als Papst
       richtete er 2013 mit seiner Anklage „diese Wirtschaft tötet“ den Bannstrahl
       gegen jede Art von Marktradikalismus. „Die Anbetung des antiken goldenen
       Kalbs hat eine neue und erbarmungslose Form gefunden im Fetischismus des
       Geldes und in der Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein
       wirklich menschliches Ziel.“
       
       ## Frommer Antikapitalist
       
       Das waren Worte, die weltweit die Leitartikler der Wirtschaftspresse auf
       die Palme brachten und manche Bischöfe aus dem Tritt. In Anbetracht der
       damaligen Finanzkrise, die Millionen von Existenzen ruinierte und die armen
       Länder voll traf, kehrte der Papst seinen Charakter als ein frommer
       Antikapitalist heraus.
       
       Einen Coup landete Franziskus vor zehn Jahren mit seiner Enzyklika Laudato
       si'. Er, der vor seinem Pontifikat kaum Ahnung von Ökologie hatte, schaffte
       es, Glauben mit Ökologie, Kirche mit Wissenschaft zusammenzubringen.
       Nachdem er mit der Losung „Machet euch die Erde untertan“ aufgeräumt hatte,
       stellte er die Geschwisterlichkeit alles Lebens in den Vordergrund.
       Franziskus hatte da keinen Zweifel: Die heutige Gesellschaft missachte die
       wechselseitige Verbundenheit aller Menschen und Lebewesen. Seine Devise:
       „Alles ist miteinander verwoben“. Es gebe kein Wohlergehen als Individuum,
       sondern nur in Gemeinschaft, sei es als Mensch, als Tier oder als Pflanze.
       
       So sei der Wunsch nach Unabhängigkeit auf allen Stufen des Lebens nur eine
       mächtige Selbsttäuschung, in Wirklichkeit seien alle Lebewesen
       wechselseitig abhängig. Er machte die Scheuklappen des technologischen
       Paradigmas verantwortlich für die Blindheit der modernen Gesellschaft
       gegenüber der Interdependenz, ausgeblendet durch das Streben nach Egoismus,
       Macht und Profit. Der Papst reihte sich ein in die Protagonisten der
       öko-sozialen Transformation.
       
       Er hat auch danach gehandelt. „Es ist keine Zeit mehr zu verlieren!“,
       mahnte er bei einem Treffen von Konzernbossen der Öl-und Gas-Giganten der
       Welt: „Wir haben die Erde als Garten unseres gemeinsamen Hauses erhalten,
       lasst es uns nicht als Wildnis an künftige Generationen weitergeben“. Er
       drängte darauf, [3][dass die Unternehmen das Geschäftsfeld der fossilen
       Rohstoffe hinter sich lassen] und stattdessen in erneuerbare Energien
       investieren. Überdies ließ er eine Solaranlage aufbauen für den
       Energiebedarf des gesamten Vatikanstaates. Das I-Tüpfelchen: Er ließ
       chauffieren mit einem elektrischen Papamobil! Franziskus hatte eine
       dezidiert grüne Agenda.
       
       Wie geht es weiter? Inzwischen haben sich die Koordinaten der westlichen
       Politik gründlich gewandelt, in zahlreichen Ländern ist ein Rechtsruck zu
       verzeichnen, weshalb eine Umwelt- und Erdpolitik unter die Räder des
       autoritären Populismus zu fallen droht. Vor diesen tektonischen
       Verschiebungen in der politischen Landschaft hatte der Papst mit seiner
       Enzyklika einen Pflock für die katholische Kirche eingeschlagen. Papst
       Franziskus – the last man standing!
       
       Zugleich hatte Franziskus erzkonservative Positionen zu [4][Abtreibung,
       Homoehe, Frauenrechten.] Er präsentierte sich als sozialökologischer
       Konservativer. Allerdings verkörperte er keinen gemäßigten Konservatismus
       wie etwa die christdemokratischen Parteien, dafür hatte er sich zu sehr für
       Gerechtigkeit und Erdpolitik eingesetzt. Und auch keinen autokratischen
       Konservatismus, wie ihn die rechtsextremen Parteien pflegen, dafür hatte er
       sich zu sehr für Migranten und Internationalismus eingesetzt. Darin war er
       einzigartig.
       
       Nun droht der Richtungsstreit der gegenwärtigen Weltunordnung auf die
       katholische Kirche überzugreifen. Wie wird sich der neue Papst
       positionieren? Ohne eine sozial-ökologische Agenda wird die Kirche und
       damit auch die Welt in die Hände eines rechten Heilsbringers fallen.
       
       26 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR Wolfgang Sachs
       
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