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       # taz.de -- Stanisław Lem am Schauspiel Frankfurt: Eingebildete Dämonen
       
       > Opulent und doch missglückt: Christian Friedels Inszenierung des
       > Sci-Fi-Klassikers „Solaris“ am Schauspiel Frankfurt verliert sich in
       > Traumschleifen.
       
   IMG Bild: Wo es an Ideen mangelt, rettet die Show
       
       Das gibt es nicht allzu häufig: Standing Ovations auf der einen Seite,
       Buhrufe auf der anderen. Selten war das Publikum am Schauspiel Frankfurt
       derart gespalten wie bei Christian Friedels jüngster Premiere.
       Wahrscheinlich, weil seine Inszenierung von [1][Stanisław Lems Klassiker
       „Solaris“] von 1961 krasse Qualitätsschwankungen aufweist, und zwar
       zuvorderst auf der Handlungsebene:
       
       Nachdem Kris Kelvin in der Raumstation auf dem titelgebenden Planeten
       landet, findet er Chaos vor. Ein Astronaut hat sich umgebracht und die
       Übriggebliebenen kämpfen mit Halluzinationen. Wie sich
       herauskristallisiert, scheint der Ozean des Himmelskörpers dafür ursächlich
       zu sein. Als eigenständiger Organismus nimmt er, so die Vermutung, Einfluss
       auf die Erinnerung der Kolonisator:innen und treibt sie in den
       Wahnsinn.
       
       Übt der 2006 verstorbene polnische Schriftsteller mit seinem Roman
       insbesondere Kritik am Fortschrittsdrang sowie dem Machtstreben des
       Menschen, so bleibt in dieser Aufführung nichts von diesem politischen
       Überbau übrig. Die welthaltige Dystopie, sie schrumpelt zu einem inneren
       Bewusstseinsdrama zusammen. Die Figuren, verkörpert von Lotte Schubert,
       Miguel Klein und Stefan Graf, suchen sich selbst und die Verstorbenen,
       ringen mit eingebildeten Gästen und Dämonen.
       
       Außer dem sich wiederholenden Irregehen passiert recht wenig. Kaum etwas
       erweist sich als konkret oder fassbar, das meiste wächst sich ins Abstrakte
       aus. So gleicht die Inszenierung von Anfang an einem UFO, das bezugslos,
       fern unserer Gegenwart im Weltraum schwebt. Damit wäre wohl die
       artikulierte Enttäuschung einiger Zuschauer:innen erklärt, mitnichten
       jedoch die ebenso lautstarken Jubelbekundungen.
       
       Diese dürften vorrangig auf einige stimmungsvolle Szenen zurückgehen.
       Begleitet vom Drummer Max Mahlert bietet Anabel Möbius in der Rolle des
       verstorbenen Gibarian poetische Songfragmente. Sie entfalten eine
       sphärische, hypnotische Wirkung. Wenn dann auch noch das Ensemble chorisch
       einstimmt, entstehen Momente von ekstatischer Kraft.
       
       ## Zweigeteilter Abend
       
       Überhaupt gilt an diesem höchst zweigeteilten Abend, der zähflüssig zu
       erzählen, aber emotional zu berühren vermag, die Formel: Wo es an Ideen
       mangelt, rettet die Show. Neben der aufwändigen Musik ragt die Kulisse
       hervor. Von der Decke herabkommende Tore, eine Rotunde und ein Tunnel, die
       durch Leuchtelemente konturiert werden, muten futuristisch und zugleich
       minimalistisch an. Jenes Universum verzichtet somit auf illustrative
       Bühnenbilder und beschränkt sich auf den Wechsel aus Finsternis und
       Helligkeit.
       
       Dass man dem Düsteren nicht entfliehen kann, verdeutlicht überdies die
       Rondellbühne. Darauf gehen die Wissenschaftler:innen nicht nur im
       Kreis, sie fährt am Ende zudem in den Abgrund. Werden die Figuren nun
       schlussendlich vom Ozean verschlungen? Man kann darüber nur spekulieren,
       weil sich die Geschichte eben im Vagen auflöst. In der Luft verfängt sich
       dann theatraler Sternenstaub, zweifelsohne ein sehr schöner, der sich nur
       allzu schnell verflüchtigen wird.
       
       28 Apr 2025
       
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