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       # taz.de -- Versammlungssaal für die AfD: Unter dem Deckmäntelchen der Demokratie
       
       > Der AfD-Landtagsabgeordnete Moriße will in Wilhelmshaven einen Club der
       > Demokratie eröffnen. Doch er hat es versäumt, eine Genehmigung zu
       > beantragen.
       
   IMG Bild: Will angeblich was für die Demokratie tun: Thorsten Paul Moriße (AfD) im niedersächsischen Landtag
       
       Wilhelmshaven taz | Der Name für das neue Projekt klingt antiquiert. Einen
       „Club der Demokratie“ will der niedersächsische AfD-Landtagsabgeordnete
       Thorsten Paul Moriße in Wilhelmshaven eröffnen. Dieser soll eine feste
       Anlaufstelle für Diskussions- und Informationsveranstaltungen in
       Wilhelmshaven werden. Weil dafür keine Genehmigung vorliegt, hat die Stadt
       jedoch die Nutzung untersagt. Moriße fühlt sich deshalb an die dunkelsten
       Zeiten Deutschlands erinnert.
       
       Die Fassade des zweistöckigen Gebäudes Marktstraße 119, die Moriße für
       seinen Club ausersehen hat, wirkt wenig einladend. Die rosa Farbe am
       Erdgeschoss ist verblasst. An den Scheiben klebt der ehemalige Name der
       früheren Gaststätte „City Treff“. Topfpflanzen stehen in den Fenstern. Die
       weiße Fassadenfarbe am ersten und zweiten Stock zeigt Risse. Auf der
       Webseite findet sich der Hinweis: „Das City Treff ist auf unbestimmte Zeit
       geschlossen.“ Im Gegensatz zur Fassade scheint der Innenraum kostspielig
       renoviert worden zu sein.
       
       Morisse sitzt seit 2016 für die AfD im Stadtrat, [1][seit 2022 im Landtag].
       Die rund 450 Quadratmeter des ehemaligen City Treffs will er in den
       kommenden drei Jahren für große „Veranstaltungen aller Art“ nutzen. Zu
       mieten sein soll der Saal für eine geringe Gebühr von nur einem Euro pro
       Quadratmeter, wie Moriße bei einem Gespräch vor Ort sagte. Finanzieren will
       er das hauptsächlich über die staatlichen Gelder, die er für die Ausübung
       seines Landtagsmandates erhält.
       
       Der AfD-Abgeordnete versichert, dass die Räume für „verschiedene Gruppen“
       offen seien, auch für die Grünen. Am 20. Mai soll es losgehen. Allerdings
       verrät schon das Impressum des City Treffs die Nähe zur AfD. Für das nicht
       betriebsfähige Lokal zeichnet Torsten Kastrioti, der seit 2021 für die AfD
       im Rat der Stadt ist. Ein Lieferdienst im Keller soll AfD-Aussagen zufolge
       weiterlaufen. Platz finden soll zudem die Fußpflege-Praxis von Irina
       Moriße-Kappes. Die Ehefrau des Landtagsabgeordneten ist
       Kreisschatzmeisterin der AfD vor Ort.
       
       ## Die AfD braucht Räume
       
       Bereits am 28. März fand ein erster AfD-Stammtisch mit dem
       AfD-Landtagsabgeordneten Stefan Marzischweski-Drewes in den Räumen statt.
       Er sollte zu den Themen Kommunalfinanzen und der
       Corona-Pandemie-Aufarbeitung sprechen. Bei dieser Veranstaltung offenbarte
       Moriße, wer die Räume vor allem nutzen dürfte: die AfD.
       
       Seine Partei habe „bundesweit Schwierigkeiten“ Räume für Veranstaltungen zu
       finden, räumte Moriße ein. Erste Anmeldungen der AfD-Bundestagsfraktion
       sowie der Europafraktion für den Juni sollen bereits eingegangen sein,
       sagte der Abgeordnete. Einen Strich durch die Rechnung machen könnte ihm
       die Stadt.
       
       Denn für die angekündigten Pläne fehlt die nötige Genehmigung.
       „Bauordnungsrechtlich sind Räumlichkeiten, in denen regelmäßig
       Veranstaltungen durchgeführt werden, als Versammlungsstätte definiert“,
       sagt eine Pressesprecherin der Stadt. „Diese erfordern eine Genehmigung
       nach der Niedersächsischen Bauordnung.“ Doch solch eine Genehmigung liege
       für die Marktstraße 119 nicht vor.
       
       Dem Eigentümer gegenüber sei bereits eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen
       worden. Ein entsprechender Nutzungsantrag sei bei der Verwaltung bislang
       nicht eingegangen. Dass er selbst versäumte, die nötigen Anträge zu
       stellen, hielt Moriße nicht davon ab, am 24. April das angebliche Verbot
       seines Clubs zu skandalisieren.
       
       Er schimpfte über eine Schikane mit totalitären Mitteln und verstieg sich
       zu einem historischen Vergleich: „Solche Maßnahmen“ erinnerten an die
       „dunkelsten Zeiten unseres Landes“. Damit dürfte der [2][AfD]-Mann auf die
       [3][Zeit von 1933 bis 1945 anspielen] und so die Verbrechen des
       Nationalsozialismus verharmlosen. Moriße kündigte an, das Verbot „mit
       sämtlichen juristischen Mitteln“ abzuwehren, „damit den Bürgern der Club
       der Demokratie erhalten bleibt“.
       
       27 Apr 2025
       
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