URI: 
       # taz.de -- 100 Tage im Amt: Trumps Wirklichkeit steht im Kontrast mit der Realität
       
       > Sinkende Eier- und Spritpreise, Milliardeneinnahmen durch Zölle – vieles,
       > was der US-Präsident in seiner ersten Bilanz preist, ist frei erfunden.
       
   IMG Bild: Das Publikum in Michigan ist willens, den Ausführungen seines Präsidenten jubelnd zu folgen: Feier zu 100 Tagen im Amt
       
       Washington taz | US-Präsident Donald Trump markierte die
       [1][100-Tage-Marke] seiner zweiten Präsidentschaft mit einer
       Massenkundgebung in Michigan. Er selbst bezeichnet seine bisherige Amtszeit
       als die erfolgreichste in der Geschichte des Landes. Doch die Realität
       sieht aktuell anders aus. Seine Umfragewerte sind im Keller. Tausende
       Menschen protestierten in den vergangenen Tagen und Wochen in vielen
       Städten gegen die Politik seiner Regierung. Die [2][US-Wirtschaft durchlebt
       dank Trumps Handelspolitik eine Achterbahnfahrt]. Und auch Republikaner im
       Kongress äußern sich immer öfter kritisch.
       
       Als Trump am Dienstag in Warren, Michigan, – einem Vorort von Detroit – die
       Bühne betrat, war dies alles kein Thema. An den Wänden der Arena hingen
       Banner mit den Worten: „Buy American Hire American“ (Kauf amerikanische
       Produkte, beschäftige amerikanische Arbeiter) oder „The American Dream Is
       Back“ (Der amerikanische Traum ist zurück).
       
       Der US-Präsident legte seine „Greatest Hits“ auf und wiederholte sein
       Versprechen einer goldenen Zeit für Amerika. Er sprach auch über [3][eine
       Zukunft mit weniger Inflation], mehr Jobs und mehr Sicherheit für alle
       US-Bürger und er stichelte gegen Demokraten, inklusive Ex-Präsident Joe
       Biden und Vizepräsident Kamala Harris.
       
       „Wir haben erst angefangen. Es ist nichts gegen das, was noch kommen wird“,
       sagte Trump unter dem tobenden Applaus seiner Anhänger. Wäre nicht das
       US-Präsidentschaftslogo groß auf dem Rednerpult platziert gewesen, hätte
       dies auch eine Wahlkampfrede aus dem vergangenen Jahr sein können.
       
       ## Wahlkampfmodus forever
       
       „Ich vermisse es, Wahlkampf zu betreiben“, bestätigte auch Trump. Der
       78-Jährige fühlt sich auf der Bühne zu Hause. Auch wenn das, was er von
       sich gibt, oft nicht den Tatsachen entspricht. Laut Trump seien [4][seit
       seiner Amtseinführung die Preise für Eier und an den Tanksäulen stark
       gesunken. Beides entspricht nicht der Wahrheit]. Die Spritpreise befinden
       sich laut Regierungs-Daten auf demselben Niveau wie schon bei seiner
       Amtseinführung im Januar und Eierpreise sind bisher weiter angestiegen.
       
       Doch weder Trump noch die Anhänger, die immer wieder mit „USA, USA“-Rufen
       von sich hören machten, schien dies zu kümmern. Der US-Präsident und sein
       Regierungsteam haben es mit ihren Parolen und Behauptungen geschafft,
       Menschen anzusprechen, die sich über Jahre hinweg von der politischen Elite
       in Washington vernachlässigt gefühlt hatten.
       
       Bei der Kundgebung in Warren jubelten sie, wenn Trump über Handelsdefizite
       sprach und behauptete, das andere Länder die USA in der Vergangenheit nach
       Strich und Faden ausgenutzt hätten. Der von Wirtschaftsexperten
       prognostizierte Preisanstieg, der aufgrund von Trumps Handelspolitik
       amerikanische Familien treffen wird, wird da einfach ignoriert.
       
       ## Das Zoll-Trugbild
       
       Schon jetzt, [5][obwohl die meisten angekündigten reziproken Zölle für 90
       Tage ausgesetzt wurden] – mit Ausnahme von China –, würden die USA täglich
       „Milliarden von Dollar“ einnehmen, verkündete Trump. Einen Beleg dafür gibt
       es nicht.
       
       Trump verkauft seine Handelspolitik trotz der bisherigen und möglichen
       weiteren Auswirkungen weiterhin als Erfolg. Allerdings verkündete die
       Regierung nur wenige Stunden, bevor Trump die Bühne betrat, dass die
       geplanten Zölle in Höhe von 25 Prozent auf ausländische Fahrzeugteile, die
       am 3. Mai in Kraft treten sollten, abgemindert würden. Autohersteller haben
       nun zwei Jahre Zeit, um ihre Produktionskette in den USA auszuweiten. In
       der Zwischenzeit dürfen ausländische Teile bis zu einer gewissen Grenze in
       Fahrzeugen verbaut werden, ohne dabei zusätzliche Abgaben bezahlen zu
       müssen.
       
       „Wir geben ihnen ein bisschen Zeit, bevor wir sie schlachten“, warnte
       Trump. Der bestehende Einfuhrzoll von 25 Prozent auf ausländische Autos
       bleibt derweil bestehen.
       
       ## Grenzen dichter
       
       Vor allem beim [6][Thema illegale Einwanderung] punktet Trump aber dann.
       „100 Tage Grenzsicherung (…). Dank der starken Führung von Präsident Trump
       ist die Invasion entlang unserer Grenzen vorbei!“, schrieb der
       republikanische Senator Jim Banks in einem Post auf X.
       
       Die Zahl der illegalen Grenzübertritte ist seit Trumps Amtsantritt
       tatsächlich drastisch gesunken. Verzeichnete die US-Heimatschutzbehörde im
       März 2024 noch mehr als 189.000 illegale Grenzübertritte entlang der
       Südgrenze, so waren es im letzten Monat nur etwas mehr als 11.000.
       
       Die Art und Weise, wie die Trump-Regierung beim Grenzschutz und der
       Abschiebung von illegalen Einwanderern vorgeht, kann durchaus kritisiert
       werden. Doch die Zustimmung unter der Bevölkerung ist weiterhin groß.
       Jüngste Berichte über Abschiebungen von Kindern mit US-Staatsbürgerschaft
       oder der [7][Fall eines Mannes aus Maryland, der fälschlicherweise in ein
       Gefängnis nach El Salvador überführt wurde], könnte dies allerdings ändern.
       
       Nach 90 Minuten, in denen Trump sich selbst lobte, Demokraten und „radikale
       Linke“ verunglimpfte und viele Halbwahrheiten von sich gab, waren die
       ersten 100 Tage seiner zweiten Amtszeit dann auch schon wieder Geschichte.
       Wie viel von Trumps politischer Agenda am Ende umgesetzt werden kann, hängt
       auch vom US-Kongress ab, und dort stehen in den kommenden Tagen und Wochen
       wichtige Abstimmungen an.
       
       30 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wissenschaftlerin-zur-US-Klimapolitik/!6081981
   DIR [2] /US-Unternehmen-im-Zollchaos/!6079512
   DIR [3] /Unabhaengigkeit-der-US-Zentralbank/!6083791
   DIR [4] /Oesterliches-Eierproblem-in-den-USA/!6083078
   DIR [5] /US-Handelskrieg-gegen-den-Rest-der-Welt/!6081391
   DIR [6] /Abschiebe-Razzien-Chicago-war-einst-ein-sicherer-Ort-fuer-Migranten/!6062059
   DIR [7] /Trumps-Migrationspolitik/!6082246
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hansjürgen Mai
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Zölle
   DIR Migration
   DIR GNS
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Donald Trump
   DIR Donald Trump
   DIR Schwerpunkt Pressefreiheit
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ein Flugzeug für Donald Trump: Aus Katar with Love
       
       Der Emir von Katar will dem US-Präsidenten eine luxuriös ausgebaute Boeing
       schenken. Diese könnte die neue Air Force One werden. Das sorgt für Kritik.
       
   DIR Handelskrieg zwischen USA und China: Überraschender Durchbruch
       
       So harmonisch haben die USA und China lange nicht mehr miteinander
       gesprochen. Nun haben sie einen vorläufigen Handelsdeal vereinbart. Nicht
       nur die Märkte feiern das.
       
   DIR US-Migrationspolitik: Trump-Regierung will Gerichte umgehen
       
       Die US-Regierung von Präsident Trump liegt weiter mit der Justiz über
       Kreuz. Nun soll der nächste Trick helfen, unliebsame Richtersprüche erst
       gar nicht zuzulassen.
       
   DIR Trumps Migrationspolitik: Absolute Willkür
       
       Um aus den USA abgeschoben zu werden, reichen bisweilen schon ein Tattoo
       oder eine Mütze. Was die Gerichte entscheiden, spielt kaum noch eine Rolle.
       
   DIR US-Medienhäuser müssen Folge leisten: Trump nimmt jetzt Whistleblower ins Visier
       
       Die US-Justiz kippt den Schutz von Journalisten. Whistleblower leben dort
       nun gefährlich, der Kampf gegen die Pressefreiheit spitzt sich zu.
       
   DIR 100-Tage-Chronik: Donald Trumps Antiklimapolitik
       
       Seit dem 20. Januar ist Donald Trump erneut US-Präsident. Wie bringt er
       seine Antiklimapolitik seither voran? Die taz gibt einen Überblick.