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       # taz.de -- Verfassungsschutz gegen AfD: Vor allem politische Wirkung
       
       > Der Verfassungsschutz stuft die AfD als „gesichert rechtsextrem“ ein –
       > rechtskräftig ist das noch nicht. Was heißt das für die Verbotsdebatte?
       
   IMG Bild: Protest-Aufkleber vor dem Reichstag, Berlin am 18.2.2025
       
       Freiburg taz | Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD-Bundespartei
       jetzt erstmals als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft.
       Das ist noch nicht rechtskräftig und hat zunächst vor allem politische
       Auswirkungen.
       
       Die AfD-Bundespartei kann gegen die Einstufung klagen und wird dies
       voraussichtlich tun. Zunächst kann die AfD ein Eilverfahren anstrengen,
       dann das Hauptsacheverfahren. Bis zur Rechtskraft kann es einige Jahre
       dauern. In erster Instanz ist das Verwaltungsgericht (VG) Köln zuständig,
       weil das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz in Köln hat.
       
       Über eine Berufung würde dann das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster
       entscheiden und über eine Revision das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
       Ob die Einstufung des Verfassungsschutzes berechtigt ist, wird dabei
       umfassend geprüft.
       
       Politische Wirkung kann die Verfassungsschutz-Einstufung aber natürlich
       heute schon erzeugen. Sie dürfte die von [1][CDU-Politiker Jens Spahn
       angestoßene Debatte um eine Normalisierung] des parlamentarischen Umgangs
       mit der AfD erschweren und die Stimmen für das [2][Aufrechterhalten einer
       „Brandmauer“ zur AfD stärken.]
       
       ## Die AfD hat keinen Anspruch auf Posten
       
       Bei der anstehenden Wahl von Ausschussvorsitzenden im Bundestag kommt es
       rechtlich nicht auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes an. Die
       demokratisch legitimierten Abgeordneten können hier frei entscheiden, wen
       sie wählen und wen sie nicht wählen wollen. Das hat das
       Bundesverfassungsgericht [3][im September 2024 entschieden]; die AfD hat
       keinen rechtlichen Anspruch auf Ausschussvorsitze und einen Vizepräsidenten
       im Bundestag.
       
       Die Einstufung durch den Verfassungsschutz soll in der öffentlichen
       Diskussion auch als Aufklärung und Warnung für die Wähler dienen. Dies ist
       bisher allerdings gescheitert. Die Wahl- und Umfrage-Ergebnisse der AfD
       sind trotz der Einschätzungen des Verfassungsschutzes ungebremst weiter
       gestiegen. In Umfragen liegen AfD und Union im Bund etwa gleichauf.
       
       In der AfD-Wählerschaft verfing offenbar die Argumentation der Partei, dass
       der Verfassungsschutz, der aktuell noch Bundesinnenministerin Nancy Faeser
       (SPD) untersteht, vor allem ein Instrument der etablierten Parteien sei.
       Dies wurde verstärkt als der bisherige Präsident des Bundesamts, Thomas
       Haldenwang, bei der vorgezogenen Bundestagswahl (erfolglos) [4][für die CDU
       kandidierte.] Sein Amt ruhte allerdings ab Ankündigung der Kandidatur.
       
       ## Auswirkung auf AfD-Anhänger
       
       Wenn die Einstufung der AfD als extremistische Partei in einigen Jahren
       rechtskräftig bestätigt sein sollte, so kann dies vor allem Auswirkungen
       auf AfD-Aktivist:innen haben. AfD-Mitglieder dürften Probleme bei der
       Einstellung in den öffentlichen Dienst bekommen, da hier das Gebot der
       Verfassungstreue gilt, wobei es hier auf den Einzelfall ankommt.
       AfD-Funktionär:innen müssen dann sogar mit Entfernung aus dem öffentlichen
       Dienst rechnen. Hiergegen können sie allerdings bei den
       Verwaltungsgerichten klagen.
       
       Das Bundesamt für Verfassungsschutz begründete seine Einstufung der AfD vor
       allem mit dem „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“ der Partei.
       Gemeint ist, dass die AfD eingebürgerte Deutsche mit Migrationsgeschichte
       aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des
       durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes akzeptiert. Dies
       verstoße gegen die Menschenwürde der Betroffenen und verletze damit die
       freiheitlich-demokratische Grundordnung.
       
       Vorgeworfen wird der AfD aber auch, dass sie gegen Ausländer, Muslime und
       andere Minderheiten hetzt und diese verächtlich macht. So agitierten
       führende Funktionäre der AfD gegen Migranten und Flüchtlinge, etwa indem
       sie diese als „Messer-Migranten“ bezeichnen oder ihnen eine ethnokulturell
       bedingte Neigung zur Gewalt unterstellen. Auffällig ist, dass in der
       Erklärung des Verfassungsschutzes keine „demokratiefeindlichen
       Bestrebungen“ der Partei erwähnt werden.
       
       ## Ruf nach Verbot
       
       Natürlich wird nun auch der Ruf [5][nach einem AfD-Verbot befeuert].
       Schließlich sind die Maßstäbe für eine Einstufung als „gesichert
       extremistische“ Partei und für ein Parteiverbot ganz ähnlich. Allerdings
       entscheidet über ein Parteiverbot das Bundesverfassungsgericht.
       
       Und es ist dabei [6][weder an die Einstufung des Verfassungsschutzes
       gebunden,] noch an die gerichtlichen Feststellungen der
       Verwaltungsgerichte. Solange eine Partei wie die AfD nicht offen für die
       Abschaffung von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde eintritt und dies
       nur puzzleartig aus Äußerungen von Funktionär:innen geschlossen wird,
       ist ein Verbotsverfahren langwierig und hat einen unsicheren Ausgang.
       
       Ein Verbotsantrag kann nur von den drei Organen Bundestag, Bundesregierung
       und Bundesrat gestellt werden. Ob ein Antrag gestellt wird, ist eine
       politische Ermessensentscheidung. Hierbei kann auch die Überlegung
       einfließen, ob es die Demokratie stärkt, wenn die etablierte Politik einen
       Antrag auf Verbot der stärksten Oppositionspartei stellt. Vor Einreichung
       eines Verbotsantrags müssten auch alle staatlichen Spitzel in der AfD
       abgeschaltet werden, um ein faires Verfahren zu gewährleisten.
       
       Rechtlich möglich wäre auch ein Antrag der drei Organe, der AfD nur die
       staatliche Parteifinanzierung zu streichen. Auch darüber würde das
       Bundesverfassungsgericht entscheiden. Der Maßstab wäre der gleiche wie bei
       einem Parteiverbot. Das Verfahren wäre also gleich aufwendig und
       langwierig.
       
       Bisher waren nur die drei [7][AfD-Landesverbände in Thüringen],
       [8][Sachsen] und [9][Sachsen-Anhalt] von den jeweiligen
       Verfassungsschutz-Landesämtern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft
       worden. In Thüringen verzichtete die AfD auf eine Klage, in den beiden
       anderen Ländern laufen die Prozesse noch.
       
       Im Bund wurde die AfD vom [10][Bundesamt für Verfassungsschutz 2021 als
       Verdachtsfall eingestuft.] Seit das VG Köln dies 2022 bestätigte, darf
       diese Einstufung im Verfassungsschutzbericht veröffentlicht werden. Seitdem
       ist auch die nachrichtendienstliche Überwachung der Partei, unter anderem
       mit Spitzeln, möglich.
       
       Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte im Mai 2024 die Einstufung
       als Verdachtsfall. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Nachdem
       das OVG keine Revision zugelassen hatte, hat die AfD-Bundespartei
       Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, über die das Bundesverwaltungsgericht
       wohl noch in diesem Jahr entscheiden wird.
       
       2 May 2025
       
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