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       # taz.de -- Kolumbianisches Trio Los Pirañas: Triumph mit tropischem Kannibalismus
       
       > Das Trio Los Pirañas bringt lateinamerikanische Sounds mit Punk und
       > Nerdtum zusammen – das klingt rockig und noisig.
       
   IMG Bild: Humor als Triebfeder: Das Trio Los Pirañas treibt Scherze mit Kinderliedern
       
       Dieser Text ist in der taz-Verlagsbeilage „Global Pop“ erschienen. 
       
       Was wäre, wenn man sein musikalisches Nerdtum konsequent sein Leben lang
       durchzieht – am besten noch mit Freunden aus der Schulzeit? Ohne
       Kompromisse, was die Marktgängigkeit betrifft, ein bisschen schräg, aber
       auf eine eigentümliche Art eben auch groovy?
       
       Willkommen im Kosmos von Los Pirañas. Das kolumbianische
       Tropical-Noise-Trio wurde zuletzt gern als „Supergroup“ betitelt, was es
       aber nicht wirklich trifft. Die Drei machen zusammen versponnene
       tropisch-psychedelische Musik, seitdem sie 15 Jahre alt sind. Doch
       massentauglich sind ihre Songs in einem Land, wo vor allem eingängige
       Varianten von Cumbia, Salsa und Reggaeton gehört werden, nicht.
       
       Vor fast 30 Jahren begaben sich Eblis Álvarez (Gitarre), Mario Galeano
       (Bass) und Pedro Ojeda (Schlagzeug) auf eine gemeinsame musikalische Reise.
       Zeitweilig sind sie auch [1][in anderen Projekten] beschäftigt – Álvarez
       unter anderem mit den [2][Meridian Brothers], Galeano mit Frente Cumbiero
       und Ojeda mit Romperayo. Doch zwischendurch kommen sie immer wieder
       zusammen, um ihre Erkundungen im Dreiergespann fortzusetzen.
       
       „Wir haben mit Punk und Heavy Metal angefangen“, erklärt Schlagzeuger Ojeda
       im Infotext zum Album. „Dann interessierten wir uns sehr für die tropischen
       Klänge Kolumbiens und die traditionelle Musik Lateinamerikas, und das
       brachte uns dazu, uns auf afrikanische Musik zu konzentrieren.“
       
       ## Live improvisiert
       
       Ihr gerade veröffentlichtes Album [3][„Una oportunidad más de triunfar en
       la vida“ („Eine Möglichkeit mehr, im Leben zu triumphieren“]) führt ihre
       Reise fort. Das Album ist komplett live im Studio und innerhalb einer Woche
       in täglichen Sessions improvisiert eingespielt worden. Aufgenommen ohne
       Overdubs oder Click-Track, liefert Eblis Álvarez Gitarrenloops als
       Grundgerüst, auf dem dichte, komplexe Arrangements mit Bass und Trommeln
       entstehen. Die Loops seien dabei „ständig in Bewegung“, so Ojeda, weil das
       Tempo von der „Stimmung des Moments“ abhänge
       
       Wie die Loops ineinander übergehen und sich wieder auflösen, lässt sich
       gleich im ersten Albumtrack feststellen. Der folgende Song, „El aguazo de
       Javier Felipe“, ist von einer nervösen Gitarre geprägt, während in
       „Despectiva caridad“ das Tempo rausgenommen und es dubbig wird. Mit dem
       rockig polternden „Educados por condorito (Y Don Ramón)“ nimmt die Platte
       wieder Fahrt auf. An der Beschreibung in den Linernotes, dass der Song so
       klinge, als sei Donna Summers „I feel love“ durch einen Punkrock-Filter
       gejagt worden, stimmt zumindest die Feststellung der grundsätzlichen
       DIY-Punkattitüde von Los Pirañas.
       
       Dass Humor eine treibende Kraft ihres Schaffens ist, zeigen auch die
       Songtitel. „Con mi burrito sabanero voy directo al matadero“ etwa – ein
       euphorischer Highlife, der dem afrokolumbianischen Erbe huldigt – bezieht
       sich auf ein Kinderlied über ein Eselchen aus Bethlehem – das die Pirañas
       schnurstracks zum Schlachthof führen wollen. Auch beim Albumtitel bleibt
       die Frage, ob er auf unseren Selbstoptimierungswahn abzielt – oder doch nur
       ironisch vorwegnehmen will, dass das Album kommerziell eh kein Erfolg
       werden wird.
       
       Ihre Fanbase haben Los Pirañas in den Undergroundclubs ihrer Heimatstadt
       Bogotá. Auch auf internationalen Festivals findet ihr „Tropicanibalismo“
       (dieser Genrebegriff entstand in Lateinamerika für einen solchen Sound)
       entzückte Zuschauer*innen. Viele jedoch, die die traditionelle Musik
       Lateinamerikas schätzen, können mit ihrem Stil wenig anfangen. Doch die
       Zeiten ändern sich, ist sich Bandleader Eblis Álvarez sicher: „Die
       Latinmusik entwickelt sich. Sie geht in Richtung Noise und Elektronik. Die
       Generationen ändern sich halt.“
       
       15 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Neues-Album-von-Chupame-El-Dedo/!5587257
   DIR [2] /Neues-Album-von-Meridian-Brothers/!6023422
   DIR [3] https://los-piranas.bandcamp.com/album/una-oportunidad-m-s-de-triunfar-en-la-vida
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ole Schulz
       
       ## TAGS
       
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