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       # taz.de -- Neue Spitze, mäßiges Ergebnis
       
       > Die Berliner Linke tritt bei ihrem Landesparteitag am Wochenende
       > regelrecht euphorisch auf. In den Wahlergebnissen für den Vorstand
       > schlägt sich das nicht unbedingt wieder
       
       Von Lotte Laloire
       
       „Wie können wir älteren Genossen eure Kampagne gegen die Wehrpflicht
       unterstützen?“, fragt eine Delegierte. Der Umgang der Generationen beim 10.
       Parteitag der Berliner Linken am Wochenende in Lichtenberg wirkt auf den
       ersten Blick revolutionär freundlich.
       
       Über die politische Lage ist man sich auch einig: Die Kürzungen des Senats
       sind fatal, die Streikenden an der Charité sollen unterstützt werden, die
       Linkspartei soll eine „Mieten-Antifa“ sein und das Tempelhofer Feld nicht
       bebaut werden.
       
       Der einmütig angenommene Leitantrag fokussiert auf Wohnen, Klima und
       Soziales. Ein Sicher-Wohnen-Gesetz soll private Vermieter verpflichten, die
       Hälfte ihrer Wohnungen an Menschen mit normalen Einkommen zu vermieten. Am
       Ziel, Konzerne wie DW zu enteignen, wird festgehalten. Leer stehende
       Einkaufszentren sollen zu „Sorgezentren“ werden.
       
       Das Konfliktthema Nahost wird weder gelöst, noch führt es zum Eklat. Etwas
       Neues beizutragen hat niemand. Einen der wenigen kontroversen Beiträge
       macht Rouzbeh Taheri aus Neukölln. Der Delegierte erinnert an den
       Beschluss, dass aus der Partei ausgetretene Mitglieder nicht in der
       Fraktion bleiben sollen – die daran bisher offenbar kein Interesse hatte.
       
       Dann wird gewählt. Absahner des Tages mit 147 Ja-Stimmen ist der neue
       Landesgeschäftsführer Bjoern Tielebein. Viele sagen der taz, sie schätzten
       die vermittelnde Art des Marzahners, der seit 20 Jahren in der Linken ist.
       
       Verhaltener fällt die Zustimmung für die neuen Landesvorsitzenden aus.
       Kandidiert hat die V[1][orsitzende von Friedrichshain-Kreuzberg, Kerstin
       Wolter]. Über sie hört man nur Gutes, manche hätten sie gerne schon beim
       letzten Mal aufgestellt. Wolters Vision: „Hilfsangebote wie Sozialberatung,
       Heizkostencheck und Solidaritätsfonds der Linken zu einem Netz der
       Solidarität über die Stadt spannen.“ Während am Vormittag ein Antrag
       scheitert, der aus dem guten Wahlergebnis im Bund einen Auftrag zur
       Regierungsbereitschaft ableiten will, sagt die neue Vorsitzende der taz:
       „Mir ist wichtig, was am Ende rumkommt, ob sich das Leben der Menschen, die
       mittel bis wenig haben, konkret verändert.“ Sie wird mit 71,9 Prozent
       gewählt.
       
       Mit ihr kandidiert erneut Maximilian Schirmer, seit zwei Jahren
       Landes-Chef, der als Pragmatiker gilt. Er führt zudem die BVV-Fraktion in
       Pankow und ist Bundesvize. Er sagt, die Stimmung unter der
       „Zerstörungskoalition“ von CDU und SPD befinde sich „irgendwo zwischen
       Siedepunkt und Resignation“. „Auch unter einer neu sanierten Brücke ist
       Obdachlosigkeit eine menschliche Tragödie.“
       
       Um das zu ändern, schlägt er vor, wie „Geld reinkommen“ könnte:
       Grunderwerbsteuer, Vergnügungssteuer für Glücksspiel-Unternehmen, mehr
       Steuerprüfer und eine Vermögensteuer, die in die Kommunen fließen würde. Er
       will eine „rote Metropole“ und kündigt selbstbewusst an: „Wir werden bei
       der nächsten Wahl stärkste Kraft.“ Trotzdem erhält er nur 60,7 Prozent.
       
       Woran lag’s? Die einen meinen, Schirmer tanze auf zu vielen Hochzeiten,
       andere vermuten, er sei aus feministischen Gründen abgestraft worden: Trotz
       gewahrter Parität im Gesamtvorstand sind der Geschäftsführer, der
       Schatzmeister als auch ein Vorsitzender nun männlich. Unter den Delegierten
       liegt der Frauenanteil bei gut 49 Prozent. Einige machen Schirmer auch
       dafür verantwortlich, dass beim letzten Parteitag der Antisemitismus-Streit
       eskalierte.
       
       Mehrere migrantische Delegierte sagen der taz, sie hätten es besser
       gefunden, wenn noch andere Leute kandidiert hätten. Mehrmals genannt wird
       der Bezirksvorsitzende aus Treptow-Köpenick, Moritz Warnke. Doch der hatte
       seinen Hut nicht in den Ring geworfen. Neu im Vorstand ist Ongoo
       Buyanjargal, die der taz sagt: „Ich werde dafür sorgen, dass wir früher
       neue Delegierte wählen.“ So soll ermöglicht werden, dass auch Neue der
       inzwischen 15.500 über das Programm für die Abgeordnetenhauswahl 2026
       mitentscheiden können. Ein Ex-Hauptamtlicher findet hingegen, die Neuen
       sollten die Partei erst einmal kennenlernen.
       
       19 May 2025
       
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