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       # taz.de -- Rechtliche Folgen des AfD-Gutachtens: Einstufung und Verbot liegen dicht beieinander
       
       > Der Verfassungsschutz hat die AfD als „gesichert rechtsextremistische
       > Bestrebung“ eingestuft. Damit könnte auch der Verbotsantrag begründet
       > werden.
       
   IMG Bild: Stormtrooper gegen Autoritarismus: Tausende haben Mitte Mai beim Aktionstag „Keine Ausreden mehr“ für das AfD-Verbot demonstriert
       
       Freiburg taz | Das Verfassungsschutzgutachten zur Einstufung der AfD wird
       große Auswirkungen auf die [1][Diskussion über ein AfD-Parteiverbot] haben.
       Versuche von CDU-Politikern, beide Fragestellungen inhaltlich zu trennen,
       überzeugen nicht.
       
       Anfang Mai gab das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bekannt, dass es
       die AfD-Bundespartei als [2][„gesichert rechtsextremistische Bestrebung“]
       eingestuft hat. Wenige Tage später setzte das BfV zwar die Einstufung bis
       zu einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Köln [3][vorläufig aus],
       ohne aber seine Einordnung inhaltlich zurückzunehmen. Vor wenigen Tagen
       wurde nun sein 1.108 Seiten umfassendes [4][Gutachten durch einen Leak
       bekannt]. Welche Bedeutung hat es für die Diskussion eines AfD-Verbots?
       
       „Das sind zwei völlig verschiedene Dinge“, sagte Sachsens Innenminister
       [5][Armin Schuster (CDU) jüngst im taz-Interview] und machte damit
       besonders prägnant deutlich, wie die CDU versucht, die Diskussion über ein
       AfD-Verbot abzuwürgen. „Die Latte für ein Verbot liegt weit höher“, so
       Schuster. Erforderlich sei auch „ein kämpferisch-aggressives Vorgehen, in
       Wort und Tat, um demokratische Organe zu beseitigen. Also planvolle
       Umsturzfantasien, die kämpferisch-aggressiv umgesetzt werden sollen.“ So
       etwas lasse sich bei der AfD aber nicht so einfach belegen, argumentierte
       er.
       
       Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen zur NPD
       [6][2017] und [7][2024] deutlich gemacht, welche Maßstäbe für ein
       Parteiverbot gelten. Danach reichen verfassungswidrige Ziele nicht aus. Das
       Grundgesetz sanktioniere nicht Ideen und Überzeugungen, kenne keine
       Gesinnungsverbote und erzwinge keine Werteloyalität. Erforderlich sei
       vielmehr, dass eine Partei über das Bekennen ihrer verfassungsfeindlichen
       Ziele hinaus die Grenze zum „Bekämpfen“ der freiheitlichen demokratischen
       Grundordnung überschreite. Es müsse also eine „aktiv kämpferische Haltung“
       eingenommen werden.
       
       ## Einstufung und Verbot liegen dicht beieinander
       
       Die Schwelle hierfür setzt das Bundesverfassungsgericht aber sehr niedrig
       an. Eine Partei ziele darauf ab, die freiheitliche demokratische
       Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, wenn sie im Sinne
       dieser Ziele „planvoll“ handele. Eine Partei könne auch dann
       verfassungswidrig sein, wenn sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele
       ausschließlich mit legalen Mitteln und unter Ausschluss jeglicher
       Gewaltanwendung verfolge. Erforderlich sind laut Bundesverfassungsgericht
       ein „strategisches Konzept“, wie die Partei die Ziele erreichen will, und
       „konkrete Aktivitäten“ zur Umsetzung der Ziele. Ausreichend seien hier
       „regelmäßige Veranstaltungen“, „Öffentlichkeitsarbeit“ und die „Teilnahme
       an Wahlen“.
       
       Anders als Schuster behauptet, geht es dem Bundesverfassungsgericht auch
       nicht nur um „Umsturzfantasien“ und die Beseitigung demokratischer Organe.
       Vielmehr ist der Begriff der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“
       weiter gefasst. Gemeint sind damit die drei zentralen Schutzgüter
       Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde. Gegen die Menschenwürde verstößt
       laut Bundesverfassungsgericht auch ein „ethnischer Volksbegriff“ mit der
       Vorstellung vom deutschen Volk als „Abstammungsgemeinschaft“, zu der
       eingebürgerte Deutsche nicht gehörten. Vor allem Letzteres wirft das
       Verfassungsschutzgutachten der AfD vor.
       
       Bei der Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als gesichert
       rechtsextremistisch und dem Stellen eines Verbotsantrags gehe es auch nicht
       „um zwei völlig verschiedene Dinge“, wie Schuster behauptet. Vielmehr
       liegen beide Fragestellungen sehr eng beieinander. Bei der Einstufung geht
       es um „Bestrebungen“. Das sind laut Verfassungsschutzgesetz „ziel- und
       zweckgerichtete Verhaltensweisen“ eines Personenzusammenschlusses. Das ist
       in etwa dasselbe wie das vom Bundesverfassungsgericht geforderte „planvolle
       Handeln“ einer Partei zur Erreichung verfassungswidriger Ziele.
       
       Das Verfassungsschutzgutachten ist also durchaus geeignet, die
       Erfolgsaussichten eines AfD-Verbots zu diskutieren. Unsicherheiten über
       den Ausgang werden aber verbleiben, denn das Bundesverfassungsgericht ist
       weder an die Einschätzungen des Geheimdiensts gebunden noch an
       nachfolgende Urteile der Verwaltungsgerichte.
       
       19 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Massnahmen-gegen-die-AfD/!6086324
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   DIR [3] /Hochstufung-der-Afd-vorlaeufig-ausgesetzt/!6086868
   DIR [4] /Was-steht-im-AfD-Gutachten/!6087894
   DIR [5] /Sachsens-Innenminister-zu-AfD-Einstufung/!6086507
   DIR [6] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/01/bs20170117_2bvb000113.html
   DIR [7] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/bvg24-009.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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