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       # taz.de -- Der Nachtigall auf der Spur: Liebesgesang im Tiergarten
       
       > Berlin gilt als Hauptstadt der Nachtigallen. Bei einer nächtlichen
       > Exkursion kommt es noch zu anderen Begegnungen.
       
   IMG Bild: Die Nachtigallen fühlten sich durch die Marschierer nicht gestört
       
       Berlin taz | Nachtigallenforscherin Kim Mortega hat zur nächtlichen
       Exkursion in den Tiergarten geladen. Berlin gilt als Hauptstadt der
       Nachtigall, [1][mehr als 3.000 Vögel verbringen hier Frühjahr und Sommer].
       Zum Vergleich: In Großbritannien leben nur noch 5.000 Exemplare.
       
       Einmal im Jahr zur Paarungszeit macht Mortega im Namen des
       Naturkundemuseums Berlin diese Führung. Die auf 15 Personen beschränkte
       Veranstaltung in der Nacht vom vergangenen Samstag zu Sonntag war schnell
       ausgebucht. Sogar aus Manchester war ein ornithologisch interessiertes Paar
       angereist.
       
       Anders als üblich ist die Wissenschaftlerin im Tiergarten dieses Mal nicht
       allein mit ihrer Gruppe. Schon von Ferne sieht man das Leuchten. Dunkle
       Gestalten mit Stirnlampen, die ihnen die Anmutung von Grubenarbeitern
       geben, strömen an den Nachtigallfreunden vorbei. Teilnehmer des
       Mammutmarsches, wie sich auf Nachfrage herausstellt. Von 3.000 Teilnehmern
       ist die Rede. 100 beziehungsweise 75 Kilometer von [2][Potsdam] nach Berlin
       und zurück gehen sie innerhalb von 24 Stunden zu Fuß.
       
       Ein herzzerreißendes Flöten dringt aus dem dunklen Gebüsch. Ein
       Nachtigallmännchen, das um ein Weibchen wirbt, erklärt Mortega.
       Nachtigallen, die Mitte Mai noch in der Nacht singen, blieben für den Rest
       der Saison oftmals solo. Männchen, die verpartnert sind, singen nur noch
       tagsüber – um das Weibchen auf dem Gelege zu bespaßen und den Küken nach
       dem Schlüpfen das Singen beizubringen.
       
       ## Kleiner, unscheinbarer Vogel
       
       Mortega klappt in der Dunkelheit ihren Laptop auf, das Bild von einem
       kleinen braunen unscheinbaren Vogel leuchtet auf. Kaum 25 Gramm wiegt der
       Zugvogel, der auf der Flugstrecke nach Ghana, dem Winterquartier, 7.000
       Kilometer zurücklegt. Je früher die Männchen im April zurück in Berlin
       seien, umso größer, die Chance, durch Gesang ein Weibchen zu erweichen.
       Nachtigallen seien saisonal monogam, sagt Mortega. Was die Weibchen aber
       nicht hindere, sich auch von anderen Männchen begatten zu lassen.
       Untersuchungen der Eier hätten das bestätigt.
       
       Grelles Licht und monotones Schlurfen deutet das Nahen von weiteren
       Mammutmarschierern an. Schweigend ziehen sie vorbei. Ein Mann klagt über
       die Blasen an seinen Füßen. Mit dem Tiergarten haben sie die erste Hälfte
       der Etappe zurückgelegt. Der Weg nach Potsdam, wo sie Sonntagfrüh ankommen
       sollen, ist noch weit. Die Nachtigallenfreunde machen ihnen bereitwillig
       Platz.
       
       Der Marsch, der einmal im Jahr stattfindet, erfreut sich offenbar
       zunehmender Beliebtheit. „An die persönlichen Grenzen gehen und einen Mix
       aus Natur und Großstadt erleben“ – so lautet die Werbung.
       
       Mortegas Nachtigallentour dauert bis 1.30 Uhr. Sechs Männchen belauscht die
       Gruppe bei ihrem Liebesgesang. Zum Schluss liefern sich zwei Vögel in der
       gleichen Frequenz ein ergreifendes Battle.
       
       Offenbar gibt es noch viele Singles. „Die Nachtigallen haben uns
       begleitet“, zeigt sich eine Teilnehmerin des Mammutmarsches, die Potsdam um
       7 Uhr morgens erreicht, beglückt.
       
       19 May 2025
       
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