# taz.de -- Krieg im Gazastreifen: Nur eine „Mindestmenge“ an Hilfsgütern für Gaza
> Erstmals seit März soll in Gaza wieder humanitäre Hilfe ankommen. Israels
> Ministerpräsident dämpft die Hoffnungen: Die Maßnahme sei nur temporär.
IMG Bild: Lastwagen mit humanitärer Hilfe für den Gazastreifen am Grenzübergang Kerem Shalomim Süden Israels, 20. Mai
Jerusalem taz | Erstmals seit elf Wochen will die israelische Regierung
unter massivem internationalem Druck ein Mindestmaß an humanitärer Hilfe in
den Gazastreifen zulassen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am
Montag, Israel dürfe es in dem Küstenstreifen „aus praktischen und
diplomatischen Gründen“ nicht zu einer Hungersnot kommen lassen. Der
Entscheidung waren am Sonntagabend laut israelischen Medien heftige
Debatten im Sicherheitskabinett vorausgegangen.
[1][Die humanitäre Lage in dem Küstenstreifen ist katastrophal.] Israel hat
seit Anfang März alle Lieferungen von Essen, Medikamenten, Treibstoff und
humanitären Gütern wie Zelte für die mehr als zwei Millionen Menschen im
weitgehend zerstörten Gazastreifen unterbunden. „Menschen werden in den
Straßen ohnmächtig, ich kann zusehen, wie die Leute Gewicht verlieren“,
sagte Jazdan El Amawi von der Hilfsorganisation Anera aus dem Gazastreifen
bei einem Pressetermin vergangene Woche.
Laut [2][Ärzte ohne Grenzen] würden Durchfallkrankheiten, Unterernährung
und Dehydrierung häufiger. Die wichtigsten Nothilfeorganisationen für
Nahrungsmittel, das Welternährungsprogramm und die Hilfsorganisation World
Central Kitchen, haben ihre Notküchen und Bäckereien bereits geschlossen.
Ein Sack Mehl kostete zuletzt zwischen 500 und 600 Dollar.
Die nun beschlossenen Hilfslieferungen dürften daran nur wenig ändern. Laut
palästinensischen Medien sollen am Montag rund 50 Lastwagen mit
Nahrungsmitteln in den Küstenstreifen gelassen werden. Israelische Medien
sprachen zudem von neun Lastwagen mit Babynahrung. Laut einem Bericht der
IPC-Initiative für die Analyse von Nahrungskrisen sind über 70.000 Kinder
akut unterernährt.
## Streit im israelischen Sicherheitskabinett
Netanjahu erklärte, Israel werde nur eine „Mindestmenge“ an Nahrung nach
Gaza lassen. Dabei handle es sich um eine „temporäre einwöchige Maßnahme“,
bis ein umstrittener US-gestützer Hilfsmechanismus aufgebaut sei, berichtet
die Zeitung Haaretz unter Berufung auf einen hochrangigen israelischen
Vertreter. Zudem sollen die Hilfsgüter nur in bestimmten, von der Armee
ausgewiesenen Bereichen verteilt werden. Hilfsorganisationen nannten den
alternativen Hilfsmechanismus, der Anfang Juni die Arbeit aufnehmen soll,
unzureichend und potenziell völkerrechtswidrig.
Trotz des geringen Umfangs der Hilfstransporte hatte die Entscheidung laut
dem israelischen Kanal 12 zu Streit im Sicherheitskabinett geführt.
Einwände des rechtsextremen Polizeiministers Itamar Ben Gvir soll Netanjahu
demnach mit Verweis auf Druck durch US-Präsident Donald Trump
zurückgewiesen haben. Außenminister Gideon Saar habe von Warnungen
europäischer Regierungen, einschließlich möglicher Sanktionen, berichtet.
Die israelische Armee setzt ihre am Sonntag begonnene [3][Offensive im
Gazastreifen] indes mit derzeit fünf Divisionen fort. Das Militär erklärte
am Montagmittag die gesamte [4][Stadt Chan Junis im Süden Gazas] zur
Kampfzone. Die Bewohner sollen sich in den schmalen Küstenstreifen Al
Mawasi begeben. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete von
23 Toten bei Angriffen im Gazastreifen seit dem Morgen.
Netanjahu bekräftigte derweil in seiner Videobotschaft, Israel werde „ganz
Gaza einnehmen“. Die Hoffnung, die israelische Offensive noch abzuwenden,
schwinden indes weiter. Laut israelischen Medienberichten gibt es bei den
indirekten Gesprächen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas in
Katar keine Fortschritte.
19 May 2025
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## AUTOREN
DIR Felix Wellisch
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