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       # taz.de -- Schwarz-rote Milliarden für Unternehmen: Industriestrompreis steht auf der Kippe
       
       > Das Wirtschaftsministerium fürchtet Widerstand aus der EU gegen den
       > Industriestrompreis. Die Idee verstößt vielleicht gegen
       > Wettbewerbsregeln.
       
   IMG Bild: Duisburg, Nordrhein-Westfalen: Industriekulisse mit ThyssenKrupp Steel und dem STEAG-Heizkraftwerk Walsum
       
       Berlin taz | Er ist eines der Versprechen im Koalitionsvertrag von Union
       und SPD an die Wirtschaft – der Industriestrompreis. Unter anderem damit
       will die Regierung Unternehmen aus der wirtschaftlichen Stagnation
       heraushelfen. Doch nun sieht das Bundeswirtschaftsministerium offenbar
       größere Schwierigkeiten, die Maßnahme umzusetzen.
       
       Grundsätzlich bedeutet das Konzept, dass manche Firmen eine staatliche
       Subvention erhalten sollen. Aus dem Bundeshaushalt würde ihnen ein großer
       Teil der Kosten abgenommen, die sie momentan für Elektrizität bezahlen.
       Begründung: Strom ist in Deutschland besonders teuer, was hiesige
       Unternehmen in der internationalen Konkurrenz benachteiligt.
       
       Besonders Firmen, [1][die energieintensiv produzieren], beschweren sich
       seit Langem über die hohen Strompreise in Deutschland. Dazu zählen vor
       allem die Chemie- und die Stahlbranche. Dementsprechend alt ist auch die
       Forderung nach einem Industriestrompreis. Auch Robert Habeck (Grüne) hatte
       zu seiner Zeit als Wirtschaftsminister eine solche Förderung durchsetzen
       wollen, [2][scheiterte aber am Widerstand von SPD und FDP].
       
       Das Handelsblatt zitierte jetzt aus einem internen Papier des
       Wirtschaftsministeriums, zu dem sich die Pressestelle [3][der neuen
       Ministerin Katherina Reiche (CDU)] auf Anfrage jedoch nicht konkret äußern
       wollte. „Die Umsetzung des Konzeptes birgt EU-beihilferechtlich erhebliche
       Herausforderungen“, heiße es in dem Dokument, damit seien „die Aussichten
       auf eine Genehmigung höchst unsicher“.
       
       ## Industriestrompreis würde zwei Milliarden jährlich kosten
       
       Darunter ist zu verstehen, dass die EU-Kommission Subventionen eines
       Mitgliedstaates prüft, damit diese die Unternehmen in anderen europäischen
       Länder nicht schädigen. Im vorliegenden Fall stünden die Aussichten
       besonders schlecht, weil Verhandlungen über neue Beihilferegeln fast
       abgeschlossen seien und die Deutschen mit ihrem Industriestrompreis sehr
       spät kämen.
       
       Man müsse damit rechnen, „dass der Industriestrompreis Sorgen bei vielen
       EU-Mitgliedssaaten auslöst“, zum Beispiel bei den Benelux-Staaten,
       Österreich, Dänemark, Spanien und Italien.
       
       Dem Bericht zufolge denkt das Wirtschaftsministerium daran, ungefähr 2.000
       hiesige Betriebe zusätzlich zu entlasten, die viel Elektrizität brauchen.
       Während sie zurzeit durchschnittlich 16 Cent netto pro Kilowattstunde
       zahlten, solle der Preis auf etwa fünf Cent sinken. Das werde den
       Bundeshaushalt ungefähr zwei Milliarden Euro jährlich kosten.
       
       ## Energieökonomin kritisiert Idee
       
       „Eine Subventionierung des Industriestrompreises ist wettbewerbsrechtlich
       hochproblematisch und kann in der Tat andere EU-Firmen benachteiligen“,
       sagte dazu Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für
       Wirtschaftsforschung in Berlin. „Die pauschale Senkung der Strompreise
       bevorteilt auch Unternehmen, die es nicht nötig haben.“
       
       Im Übrigen sei eine solche Förderung „unfair gegenüber nicht privilegierten
       Privathaushalten“, erklärte Kemfert. Als wirkungsvollste Politik plädierte
       sie für den schnelleren Ausbau von Wind- und Solarenergie, „denn
       erneuerbare Energien senken den Börsen-Strompreis“.
       
       Dass der Industriestrompreis bei der EU-Kommission schwer zu verteidigen
       sein wird, vermuten auch die Beamten im Wirtschaftsministerium, berichtet
       das Handelsblatt und zitiert aus dem Bericht: „Schwierig dürfte eine
       überzeugende Rechtfertigung des Marktversagens sein“.
       
       Die allgemeine Gefahr der Abwanderung der Industrie oder das Schaffen von
       Planungssicherheit für die Unternehmen seien den Beamten zufolge von der
       Kommission bislang nicht akzeptiert worden.
       
       Sowieso kommen viele Industriefirmen schon in den Genuss umfangreicher
       Entlastungen bei den Elektrizitätskosten. Für sie betragen Steuern und
       Abgaben laut Bundesverband der Energiewirtschaft beispielsweise nur gut
       zwei Cent pro Kilowattstunde, während es bei Privathaushalten fast 13 Cent
       sind. Besonders stromintensive Firmen bezahlen fast nichts für
       Kohlendioxid-Zertifikate.
       
       20 May 2025
       
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