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       # taz.de -- Europäische Union zu Nahost-Konflikt: EU macht Kehrtwende in Israelpolitik
       
       > Brüssel will das Kooperationsabkommen mit Israel prüfen – angesichts der
       > Notlage in Gaza. Die deutsche Bundesregierung wirkt zunehmend isoliert.
       
   IMG Bild: Ziemlich allein in Brüssel: Bundesaußenminister Wadephul am Dienstag
       
       Brüssel taz | Überraschende Kehrtwende in der europäischen Israel-Politik:
       Gegen den ausdrücklichen Willen Deutschlands will die EU das
       Kooperationsabkommen mit Israel auf den Prüfstand stellen. Eine „starke
       Mehrheit“ habe sich dafür ausgesprochen, zu überprüfen, ob sich Israel an
       Artikel 2 des Abkommens hält, sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas.
       Darin ist der „Respekt für Menschenrechte und demokratische Prinzipen“
       festgeschrieben.
       
       Die Überprüfung hatten die Niederlande gefordert. Nach anfänglichem Zögern
       schlossen sich immer mehr EU-Staaten an. Beim Treffen der Außenminister am
       Montag in Brüssel sprachen sich schließlich 17 von 27 für die
       niederländische Initiative aus. Der neue deutsche Außenminister Johann
       Wadephul (CDU) war dagegen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen.
       Deutschland gehört mit Tschechien und Ungarn zu den größten Unterstützern
       Israels in der EU.
       
       Wie lange die Überprüfung dauert, ist unklar. Das liegt in der Hand der
       EU-Kommission, die von der deutschen CDU-Politikerin Ursula von der Leyen
       geführt wird. Von der Leyen hat sich wiederholt auf die Seite Israels
       gestellt und jede Kritik an Israel abgeblockt. Auch Kallas sträubte sich
       lange gegen einen Politikwechsel. Erst im Februar hatte die EU die seit dem
       Gaza-Krieg ausgesetzte bilaterale Zusammenarbeit mit Israel wieder
       aufgenommen.
       
       Angesichts [1][der humanitären Notlage in Gaza] und der [2][jüngsten
       israelischen Militäroffensive] ist die Stimmung in Brüssel jedoch
       umgeschlagen. „Die Situation in Gaza ist katastrophal“, sagte Kallas. Die
       EU-Kommission gab am Mittwoch 83 Millionen Euro für Hilfsgüter frei. Israel
       müsse humanitären Helfern freien Zugang nach Gaza und in die Westbank
       gewähren, erklärte die für Krisenhilfe zuständige belgische EU-Kommissarin
       Hadja Lahbib.
       
       Für die neue Bundesregierung kommt der europäische Politikwechsel zur
       Unzeit. Kanzler Friedrich Merz hat einen Führungsanspruch in der EU
       angemeldet, wirkt in der Israel-Politik aber zunehmend isoliert.
       Frankreich, Großbritannien und Kanada hatten schon vor dem Beschluss der
       EU-Außenminister mit „konkreten Maßnahmen“ gegen Israel gedroht – Merz und
       Wadephul wurden übergangen.
       
       ## Israel lehnt die Erklärung ab
       
       Das israelische Außenministerium reagierte empört auf die neue europäische
       Linie. „Wir lehnen den in der Erklärung [der Außenminister; die Red.]
       eingeschlagenen Kurs rundum ab“, erklärte ein Sprecher. Der Schritt
       spiegele „ein völliges Fehlverständnis der komplexen Realität“ wider, mit
       der Israel konfrontiert sei. Kritik werde die Position der Hamas in den
       Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg weiter verhärten.
       
       Zustimmung kommt dagegen von der [3][Menschenrechtsorganisation Human
       Rights Watch] (HRW). Dies sei „der erste konkrete Schritt“ gegen „Israels
       Verbrechen in Gaza“. Die EU sei allzu lange untätig geblieben – trotz
       „klarer rechtlicher Verpflichtungen, einen Genozid zu verhindern“ Bei der
       nun geplanten Überprüfung gehe es auch um Europas Glaubwürdigkeit.
       Menschenrechtsorganisationen wie HRW und Amnesty International hatten der
       EU „doppelte Standards“ vorgeworfen.
       
       Auf offene Ohren stießen sie jedoch nur in Spanien, Irland und teilweise in
       Belgien. Deutschland äußerte sich zwar auch besorgt. Mit Blick auf die
       deutsche Geschichte und die besonderen Beziehungen zu Israel wollte Berlin
       jedoch alle „Gesprächskanäle“ offenhalten – auch über das umstrittene
       EU-Kooperationsabkommen. Nun könnte es sogar ausgesetzt werden. Für Israel
       wäre dies ein schwerer Schlag – die EU ist der wichtigste Handelspartner.
       
       Im Gazastreifen hält derweil die neue Offensive des israelischen Militärs
       an. Nach palästinensischen Angaben kamen allein am Mittwoch dabei
       mindestens 45 Menschen ums Leben. Hilfsorganisationen wiederholten außerdem
       ihre Appelle: Die bisher [4][nach Gaza hineingelassenen Hilfslieferungen] –
       nach Medienangaben bislang fünf Lastwägen – seien zu wenig.
       
       Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) sind sie außerdem noch immer
       nicht verteilt. Die Hilfsgüter befänden sich unter anderem wegen fehlender
       Genehmigungen seitens der israelischen Armee noch in einem von den Israelis
       kontrollierten Bereich hinter dem Grenzzaun zum Gazastreifen, so ein
       Sprecher. (mit afp)
       
       21 May 2025
       
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