# taz.de -- Appell an neue Bundesregierung: Fast 300 Organisationen warnen vor Entrechtung Geflüchteter
> Die schwarz-rote Koalition will Asylbewerber*innen an der Grenze
> zurückweisen. Hunderte Verbände und Organisationen fordern stattdessen
> Menschlichkeit.
IMG Bild: Abschottung und immer mehr Härte gegen Schutzsuchende: Organisationen fordern von der kommenden Regierung einen anderen Kurs
Berlin dpa/taz | Zum Start der neuen Bundesregierung wenden sich fast 300
Verbände eindringlich gegen weitere Verschärfungen der Asylpolitik. In
[1][einem Aufruf] warnen sie Union und SPD davor, Asylbewerber*innen
an den Grenzen zurückzuweisen und Schutzsuchende in Krisenländer wie Syrien
oder Afghanistan abzuschieben. Beides haben Union und SPD in ihrem
Koalitionsvertrag festgeschrieben.
„Der Wahlkampf war geprägt von einer aufgeheizten Stimmung, die sich vor
allem gegen Geflüchtete und Zugewanderte richtete“, heißt es in dem Papier.
Das zeige sich auch im Koalitionsvertrag. Doch Ausgrenzung schüre Angst und
untergrabe den Zusammenhalt. „Am Ende nützt das nur den Feinden einer
freiheitlichen Demokratie“, heißt es weiter. „Damit muss endlich Schluss
sein.“
Nicht Geflüchtete und Zugewanderte spalteten die Gesellschaft, sondern eine
Politik, die strukturelle und soziale Probleme nicht löse, betonen die
Initiatoren. „Was es jetzt braucht, ist eine Migrationspolitik, die
verantwortlich handelt, statt unsere offene und vielfältige Gesellschaft zu
gefährden.“
Gefordert wird unter anderem eine bessere Integration. Die Überlastung
vieler Kommunen dürfe nicht durch Entrechtung von Asylbewerber*innen
bekämpft werden, stattdessen müssten die „tatsächlichen sozialen,
politischen und finanziellen Ursachen dieser Belastung“ angegangen werden.
Hinter dem Appell stehen 82 bundesweite Organisationen wie der Deutsche
Gewerkschaftsbund, ProAsyl, der Paritätische Gesamtverband, der Deutsche
Caritasverband, Brot für die Welt oder Misereor. Dazu kommen Dutzende
Verbände, Gruppen und Initiativen auf Landes- und kommunaler Ebene.
## Dobrindt will sofort mehr Grenzkontrollen
„Es muss jetzt endlich Schluss sein mit Symbolpolitik und irrlichternden
Debatten, die humanitäre und menschenrechtliche Standards wie das Asylrecht
und den Familiennachzug in Frage stellen“, sagte DGB-Vorständin Anja Piel.
„Wir wollen stattdessen besser darüber reden, wie Integration gelingt und
gute Arbeit als Mittel zur Teilhabe funktioniert.“
Karl Kopp, der Geschäftsführer von ProAsyl, sagte: „Ressentiments schürende
Debatten und die fortschreitende Entrechtung geflüchteter Menschen lösen
nicht ein einziges Problem unserer Zeit, gefährden aber den
gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
Der [2][designierte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU)] hatte
angekündigt, unmittelbar nach Amtsantritt verstärkte Zurückweisungen von
Migranten und vermehrte Kontrollen an den deutschen Außengrenzen
anzuordnen. „Die Zahlen bei der illegalen Migration müssen runter“, sagte
er am Wochenende.
Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD vereinbart: „Wir werden in
Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den
gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen.“ Zwischen Union und
SPD [3][ist ungeklärt], ob „in Abstimmung“ bedeutet, eine Zustimmung der
Nachbarn einzuholen oder sie lediglich zu konsultieren.
Jurist*innen und die Oppositionspolitiker*innen weisen seit
Monaten darauf hin, dass die Pläne so oder so gegen Europarecht verstoßen.
Laut Dublin-Verordnung muss jeder Asylantrag geprüft werden,
Antragsteller*innen einfach abzuweisen ist nicht erlaubt. Dennoch
machte die Union die Forderung nach Zurückweisungen zu einem Hauptthema im
Wahlkampf.
6 May 2025
## LINKS
DIR [1] https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Appell-an-neue-Bundesregierung-fuer-eine-verantwortungsvolle-Migrationspolitik-2.pdf
DIR [2] /Dobrindt-als-Bundesinnenminister/!6085237
DIR [3] /Schwarz-rotes-Asyl/!6071529
## AUTOREN
DIR Frederik Eikmanns
## TAGS
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Asylsuchende
DIR Flüchtlinge
DIR Alexander Dobrindt
DIR Friedrich Merz
DIR Regierungsbildung
DIR Schwarz-rote Koalition
DIR Flüchtlinge
DIR Asylpolitik
DIR Asyl
DIR Alexander Dobrindt
DIR Geflüchtete
DIR Schwarz-rote Koalition
DIR EU-Flüchtlingspolitik
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR wochentaz
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Merz-Regierung stoppt Familiennachzug: Angriff auf das demokratische Fundament
Schwarz-Rot will den Familiennachzug für Geflüchtete aussetzen – und greift
so tief in das demokratische Selbstverständnis der Bundesrepublik ein.
DIR Deutsch-polnische Grenze: Einfach mal dicht gemacht
Zurückweisungen sollen nun auch Asylsuchende treffen, sagt Innenminister
Dobrindt. An der polnischen Grenze sind diese Pushbacks längst Realität.
DIR Schwarz-rote Migrationspolitik: Verschärfte Grenzkontrollen stoßen auf Kritk
Nach Dobrindts Ankündigung sind inzwischen stärkere Grenzkontrollen
angelaufen. Die Kritik daran reißt nicht ab – auch aus den Nachbarländern.
DIR Neuer Innenminister will Pushbacks: Dobrindt lässt Asylsuchende zurückweisen
Die Bundespolizei soll ab sofort fast alle Geflüchteten an den Grenzen
abweisen. Das dürfte gegen Europarecht verstoßen – und die Nachbarländer
düpieren.
DIR Kieztandems in Treptow-Köpenick: Ein Partner zum Ankommen
Vielen Geflüchteten fällt es schwer, Anschluss an die Menschen in der
Nachbarschaft zu finden. Das Projekt Kieztandem hilft dabei. Ein
Vor-Ort-Besuch.
DIR Opposition bei der Kanzlerwahl: Im Bundestag bleibt es still
Merz’ Scheitern beim ersten Wahlgang erwischt auch die künftige Opposition
auf dem falschen Fuß. Die Linke darf sogar mit der Union verhandeln.
DIR 10 Jahre SOS Humanity: Kein Happy Birthday
Die NGO SOS Humanity rettet Menschen im Mittelmeer. Jetzt wird sie zehn
Jahre alt – Grund zum Feiern hat sie allerdings wenig.
DIR Asylverfahren in Drittstaaten: Wohl möglich, kaum praktikabel
Die Union fordert, Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU zu verlagern.
Nun legt die Bundesinnenministerin einen Prüfbericht vor.
DIR Geflüchtete Jesid:innen: Abgeschoben in das Land des Genozids
Saber Elias hat einen Völkermord überlebt und tat alles, um sich in
Gütersloh zu integrieren. Trotzdem schoben die Behörden den Jesiden ab.