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       # taz.de -- Nachhaltige Entwicklungsziele der UN: Die USA blockieren globale Finanzreformen
       
       > Im Vorfeld der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung wollen die USA
       > Wörter wie „Klima“ streichen. Zivilorganisationen kritisieren auch die
       > EU.
       
   IMG Bild: Zu Zweit auf einem Stuhl: Laut UN leben über 3 Milliarden Menschen in Ländern, die mehr für Schuldendienste als Bildung ausgeben
       
       Berlin taz | Handelsbarrieren, niedrige Rohstoffpreise, teure Kredite, hohe
       Verschuldung: Viele Entwicklungsländer sehen sich von der internationalen
       Handels- und Finanzarchitektur benachteiligt. Die Regeln dafür werden in
       Foren gemacht, in denen sie unterrepräsentiert sind oder gar kein
       Mitspracherecht haben – im Internationalen Währungsfonds oder dem
       Industriestaatenverbund OECD etwa.
       
       Um das zu ändern, wollen sie bei den Vereinten Nationen verhandeln. Zum
       Beispiel über den Zugang zu Kapital, gerechte Besteuerung und einen Rahmen
       für Staatsinsolvenzen. Ende Juni findet das wichtigste Forum dafür in
       Sevilla, Spanien, statt: die 4. Internationale Konferenz zur
       Entwicklungsfinanzierung (FFD4).
       
       Wie sehr die Reformvorhaben vor allem im Globalen Norden auf Widerstand
       stoßen, zeigte sich auch in dieser Woche bei vorbereitenden Gesprächen in
       New York. Die USA galten schon lange als Blockierer – auch unter
       Ex-Präsident Joe Biden. Die Regierung unter Donald Trump setzt nun eins
       oben drauf. Die US-Amerikaner wollen Begriffe wie „Klima“, „Gleichstellung
       der Geschlechter“ und „Nachhaltigkeit“ aus dem Reformentwurf streichen, der
       im Sommer in Spanien diskutiert wird.
       
       So geht es aus einem internen Dokument hervor, über das Reuters berichtete.
       Demnach wollen die USA auch nicht, dass Unternehmen dort Steuern zahlen, wo
       sie wirtschaftlich tätig sind, was Entwicklungsländern zugutekäme. Ebenso
       soll der Abbau ineffizienter Subventionen für fossile Brennstoffe nach
       Wünschen der USA kein Ziel im Abschlussdokument der FFD4 sein.
       
       ## UN-Entwicklungsziele stehen auf der Kippe
       
       Um die UN-Ziele zur nachhaltigen Entwicklung zu erreichen, denen sich die
       Staatengemeinschaft 2015 verpflichtet hat, braucht es neue globale Regeln,
       fordern viele Entwicklungsländer und Zivilorganisationen. Den Zielen
       zufolge soll weltweit der Hunger beseitigt werden, sollen alle Menschen
       Zugang zu Gesundheit und Bildung haben – bis 2030. Laut UN gab es bislang
       jedoch nur bei 17 Prozent der Ziele überhaupt Fortschritte.
       
       Den Staatskassen der Entwicklungsländer fehlt das Geld. Und die
       Bereitschaft aus dem Globalen Norden, Ressourcen in
       Entwicklungsfinanzierung zu stecken, sinkt. Viele Geberstaaten schrumpfen
       ihre Entwicklungsetats. Umso wichtiger wären nun Zugeständnisse zu
       zentralen Reformen. Die sollen zum Beispiel den Abfluss von Geldern aus
       Entwicklungsländern an reiche Länder verringern, der etwa durch hohe
       Schuldendienste oder Steuervermeidung von multinationalen Konzernen
       entsteht. Auch wenn UN-Beschlüsse am Ende unverbindliche Empfehlungen sind,
       gelten sie als wichtiges politisches [1][Signal für strukturelle Reformen].
       
       Bereits im März erteilten die USA den Vereinten Nationen in [2][einem
       offiziellen Statement] jedoch eine klare Absage. Die UN sei nicht die
       richtige Institution, um Steuern, Schulden und Handel zu besprechen, hieß
       es. „Einige Empfehlungen greifen in die Souveränität der Staaten und die
       Unabhängigkeit anderer Organisationen ein, darunter die WTO, die OECD und
       internationale Finanzinstitutionen.“
       
       ## EU setzt auf Investitionen statt Reformen
       
       Die EU hat vor Kurzem ihre [3][Unterstützung für die UN-Konferenz
       wiederholt] und dafür geworben, „auf ein ehrgeiziges Ergebnis
       hinzuarbeiten“. Rund 200 Zivilorganisationen [4][wandten sich vergangene
       Woche jedoch mit Kritik an europäische Politiker*innen]. Diese haben
       sich bei den Verhandlungen im Vorfeld der Konferenz „bisher jeder
       sinnvollen Reform widersetzt“, schrieben sie.
       
       „Die EU verteidigt einen ungerechten Status quo“, sagte Jean Saldanha der
       taz. Sie ist Direktorin von Eurodad, einem europäischen
       zivilgesellschaftlichen Netzwerk zu Entwicklung und Verschuldung. Die EU
       wolle etwa weiterhin auf den Internationalen Währungsfonds und den
       Schuldenrahmen der G20 bestehen, um auf Schuldenkrisen zu reagieren. „Beide
       haben sich als unzureichend und langsam erwiesen und schützen die
       Interessen der Gläubiger“, so Seldanha.
       
       Statt Reformen hebe die EU ihre Investitionen in Infrastruktur im Rahmen
       des Global-Gateway hervor. Das räume den „geopolitischen Interessen der EU
       Vorrang vor nachhaltigen Entwicklungsergebnissen ein“, kritisiert Seldanha.
       
       Wie die USA betont auch die EU, dass es wichtig sei, privates Kapital zur
       Schließung der Finanzierungslücke von Entwicklungsländern zu mobilisieren.
       Doch für Entwicklungsländer ist privates Kapital im aktuellen System teuer.
       [5][Laut der UN-Handels- und Entwicklungskonferenz Unctad] zahlen
       Entwicklungsländer bis zu 4-mal mehr für Kredite als die USA und sogar 6-
       bis 12-mal mehr als Deutschland.
       
       Ende vergangenes Jahr räumte die Weltbank ein, dass private Gläubiger 2022
       fast 141 Milliarden US-Dollar mehr an Schuldendienstzahlungen von
       Entwicklungsländern erhielten, als sie diesen in neuen Investitionen zur
       Verfügung gestellt hatten. Kurzum: Während [6][die Investitionen privater
       Geldgeber längst Gewinne abwerfen], leiden Entwicklungsländern unter den
       hohen Schuldendiensten.
       
       Laut Unctad leben über 3 Milliarden Menschen in Ländern, die mehr für die
       Rückzahlung von Krediten und Zinsen als für Gesundheit und Bildung
       ausgeben. Sie fordern deshalb etwa eine Revision der Ratingagenturen. Und
       dass multilaterale Entwicklungsbanken Kredite in nationalen Währungen
       ausgeben.
       
       8 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /UN-Zukunftsgipfel/!6037509
   DIR [2] https://usun.usmission.gov/statement-at-the-intercessional-outcome-document-negotiations-for-the-fourth-international-conference-on-financing-for-development/
   DIR [3] https://www.consilium.europa.eu/media/viyhc2m4/20250320-european-council-conclusions-en.pdf
   DIR [4] https://assets.nationbuilder.com/eurodad/pages/6867/attachments/original/1746434735/FfD4_letter_list_copy_FINAL_(4).pdf?1746434735
   DIR [5] https://unctad.org/publication/world-of-debt#:~:text=Today,%203.3%20billion%20people%20live,burden%20and%20achieve%20sustainable%20development
   DIR [6] /Internationaler-Schuldenbericht/!6050085
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Leila van Rinsum
       
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