URI: 
       # taz.de -- Ausweitung des Gaza-Krieges: Aushungern und erobern
       
       > Israel will ganz Gaza besetzen. NGOs kritisieren die Pläne zu künftigen
       > Hilfslieferungen, das Militär fliegt Angriffe auf die Huthis in Jemen.
       
   IMG Bild: Menschen an einer Essensausgabe im palestinensischen Flüchtlingslager Khan Younis, 5. Mai
       
       Jerusalem taz | Ein erstes Ziel haben die angekündigten massiven
       Ausweitungen der israelischen Angriffe im Gazastreifen bereits vor ihrem
       Beginn verfehlt: Statt die radikalislamistische Hamas zu Zugeständnissen
       zu bewegen, hat die Gruppe weiteren Verhandlungen eine Absage erteilt.
       „Solange der Hunger- und Vernichtungskrieg im Gazastreifen andauern, ist
       es sinnlos, Gespräche zu führen“, sagte Bassem Naim, ein Mitglied des
       Hamas-Politbüros am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP.
       
       ## Wie sieht der Netanjahu-Plan aus?
       
       Am Sonntagabend hatte Israels Sicherheitskabinett beschlossen, den
       [1][gesamten Gazastreifen militärisch einzunehmen] und auf unbestimmte Zeit
       zu besetzen. Die mehr als zwei Millionen Bewohner, die Israel seit über
       neun Wochen durch eine [2][Blockade aller Hilfslieferungen] aushungert,
       sollen im Süden zusammengedrängt werden. Bereits jetzt gelten 70 Prozent
       des Gebietes als Sperr- oder Kampfzonen.
       
       Ihre Minimalversorgung soll durch einen neuen Verteilmechanismus unter
       Aufsicht der israelischen Armee garantiert werden, den internationale
       Helfer als völlig unzureichend und unvereinbar mit humanitären Prinzipien
       kritisieren. Zur Umsetzung beruft Israel Zehntausende zusätzliche
       Reservisten ein.
       
       Verhandlungen waren nach dem israelischen Bruch der Waffenruhe Mitte März
       nicht vorangekommen: Israels Führung will ein Ende des Krieges nur nach
       einer Zerstörung der Hamas akzeptieren. Die Hamas weigert sich, weitere
       Geiseln für kurzfristige Kampfpausen freizulassen und besteht auf einem
       dauerhaften Ende der Kämpfe und einem vollständigen Abzug Israels.
       
       Die Operation soll laut Regierungschef Benjamin Netanjahu die Hamas
       besiegen und die noch in Gaza gefangenen Geiseln heimholen. Der Analyst
       Michael Milshtein, der einst beim israelischen Militärgeheimdienst die
       Palästinaabteilung leitete, hält beide Ziele für unvereinbar. Den Soldaten
       würden schwere Kämpfe drohen, an deren Ende die Hamas als Guerillagruppe
       weiter existieren dürfte. „Dafür müsste Israel eine Zivilverwaltung für die
       Versorgung von zwei Millionen Menschen in einem vollständig zerstörten
       Gebiet herstellen, die Israel hassen.“ Binnen 19 Monaten wurden bei
       israelischen Angriffen mehr als 52.000 Palästinenser getötet und fast alle
       Lebensgrundlagen in Gaza zerstört.
       
       ## Wie sollen künftig Hilfen nach Gaza gelangen?
       
       Laut dem Plan soll das Militär sechs Verteilstationen für humanitäre Hilfe
       einrichten, abgesichert von zwei privaten US-Sicherheitsfirmen. Die Anlagen
       liegen größtenteils im äußersten Süden und sollen mit lediglich 60
       Lastwagen pro Tag versorgt werden, einem Zehntel der Menge während der
       Waffenruhe Anfang des Jahres.
       
       Hilfsorganisationen lehnen den Plan ab. Laut des UN-Nothilfebüros Ocha
       würde nur ein Bruchteil der Bevölkerung erreicht werden, es drohe Gewalt an
       den Verteilstationen. Die Nutzung humanitärer Hilfe, um Kontrolle über die
       Bevölkerung auszuüben, widerspreche zudem humanitären Grundsätzen wie
       Neutralität. Israel wolle damit in erster Linie internationalen Druck
       mindern, sagte der Leiter einer in Gaza tätigen internationalen
       Hilfsorganisation der Washington Post.
       
       ## Internationale Reaktionen
       
       Frankreich, Großbritannien und UN-Generalsekretär António Guterres
       kritisieren die Pläne. Wirkung haben solche Appelle im bisherigen
       Kriegsverlauf allerdings kaum gezeigt. Einfluss schreiben viele Beobachter
       hingegen US-Präsident Donald Trump zu, der Netanjahu im Januar zu einem
       Waffenstillstand gedrängt hatte. Seither aber lässt Trump Israel weitgehend
       freie Hand. Die Operationen sollen erst beginnen, nachdem Trump Ende
       kommender Woche Saudi-Arabien und weitere Golfstaaten besucht haben wird.
       
       ## Eskalation mit den Huthis
       
       Massive Angriffe hat die israelische Armee nach dem Einschlag einer
       Huthi-Rakete nahe dem Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv derweil im Jemen
       gestartet. 20 bis 30 Kampfjets waren laut Medienberichten an der Attacke am
       Montag beteiligt, die laut der Armee unter anderem den Hafen von al-Hudaida
       trafen. Ändern dürften die Attacken kaum etwas. Trotz mehr als [3][800
       US-Luftangriffen] seit Trumps Amtsantritt auf Ziele der proiranischen
       Rebellen haben diese ihre Angriffe auf Israel und den internationalen
       Schiffsverkehr fortgesetzt. Die Mehrheit der Handelsschiffe umfährt das
       Rote Meer und den Suezkanal.
       
       Beamte des Pentagon sollen Verbündeten laut der New York Times mitgeteilt
       haben, „nur begrenzten Erfolg“ bei der Zerstörung des Huthi-Arsenals zu
       haben. Wirkung auf die Rebellen, die für ihre propalästinensische Rhetorik
       in der arabischen Welt gefeiert werden, zeigte etwas anderes: Mit dem
       Waffenstillstand im Gazastreifen Mitte Januar hatten auch die Huthis ihre
       Angriffe ausgesetzt.
       
       6 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Israels-Plaene-fuer-Gaza/!6083480
   DIR [2] /Blockade-in-Gaza/!6081454
   DIR [3] /Nationaler-Sicherheitsberater-gefeuert/!6085484
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Wellisch
       
       ## TAGS
       
   DIR Israel
   DIR Benjamin Netanjahu
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Humanitäre Hilfe
   DIR Gaza
   DIR Jemen
   DIR antimuslimischer Rassismus
   DIR ESC
   DIR Frank-Walter Steinmeier
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Friedrich Merz
   DIR Israel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Hilfsgüter in Gaza angekommen
       
       Israel hob kürzlich seine mehrmonatige Blockade humanitärer Hilfsgüter auf.
       Laut Rotem Kreuz wurde Menschen in Gaza nun Essen und Medizin gebracht.
       
   DIR Indischer Schriftsteller Pankaj Mishra: „Gaza hat die westliche Glaubwürdigkeit untergraben“
       
       Aus globaler Perspektive sei der Gazakrieg eine größere Zäsur als Russlands
       Angriffskrieg, sagt der indische Intellektuelle Pankaj Mishra. Warum?
       
   DIR Israel beim Eurovision Song Contest: Der Wunsch nach Eskapismus
       
       Die Situation in Gaza ist nicht mehr zu rechtfertigen, sagen sogar Israels
       Verbündete. Israel sollte von Wettbewerben wie dem ESC ausgeschlossen
       werden.
       
   DIR Deutsch-israelische Diplomatie: Beziehungsstatus: Es ist kompliziert
       
       Beim Besuch von Israels Präsidenten Herzog sollte das 60. Jubiläum
       deutsch-israelischer Beziehungen gefeiert werden. Stattdessen gibt es
       Kritik.
       
   DIR USA und Israel: Zunehmende Entfremdung
       
       Die USA einigen sich mit der Hamas auf die Freilassung einer
       israelisch-amerikanischen Geisel – wohl ohne israelische Beteiligung.
       
   DIR Gewalt in Syrien: „Wir wollen keine Rache“
       
       Seit dem Machtwechsel in Syrien marschieren israelische Truppen durchs
       Grenzgebiet. Eine Begegnung mit Verwundeten, Verwaisten und Verzweifelten.
       
   DIR Deutscher Außenminister in Israel: Viel Kontinuität und etwas sanfte Kritik
       
       Johann Wadephul (CDU) trifft in Israel auch Geiselangehörige. Einen Bruch
       des Völkerrechts durch das Aushungern des Gazastreifens sieht er nicht.
       
   DIR Eskalation in Nahost: Israel weitet Offensive im Gazastreifen aus
       
       Raketen der jemenitischen Huthi-Miliz treffen den israelischen Flughafen
       Ben Gurion. Premier Netanjahu will Zehntausende Reservisten einziehen.
       
   DIR Blockade der Hilfslieferungen in Gaza: Israel hat jede rote Linie überschritten – und jetzt?
       
       Die Unterstützung der israelischen Kriegsführung ist längst nicht mehr zu
       rechtfertigen. Merz wird es dennoch tun – und stellt damit eine Sache klar.
       
   DIR Hunger in Gaza: In Gaza gehen die letzten Lebensmittelvorräte aus
       
       Seit zwei Monaten lässt Israel keinerlei Hilfslieferungen mehr in den
       Gazastreifen. Die USA stellen sich aber weiter hinter Israel.