# taz.de -- Neuer Innenminister will Pushbacks: Dobrindt lässt Asylsuchende zurückweisen
> Die Bundespolizei soll ab sofort fast alle Geflüchteten an den Grenzen
> abweisen. Das dürfte gegen Europarecht verstoßen – und die Nachbarländer
> düpieren.
IMG Bild: Neue Härte gegen Geflüchtete: Innenminister Alexander Dobrindt lässt auch Asylsuchende zurückweisen
Berlin dpa/rtr/taz | Der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU)
hat einen rücksichtslosen neuen Kurs in der Migrationspolitik
eingeschlagen. Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt kündigte er an,
künftig sollten auch [1][Asylsuchende] an der Grenze zurückgewiesen werden
können. Eine mündliche Weisung aus dem Jahr 2015, dies nicht zu tun, werde
er nun schriftlich zurücknehmen.
Es gehe nicht darum, ab morgen alle zurückzuweisen, sondern darum, „dass
wir die Zahlen reduzieren“, erklärte er. Schwangere, Kinder und andere
Angehörige vulnerabler Gruppen würden nicht zurückgewiesen, sagte
[2][Dobrindt]. Ihm gehe es um ein „Signal in die Welt und nach Europa“,
dass sich „die Politik in Deutschland geändert hat“.
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD war vereinbart worden: „Wir
werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an
den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen.“
Dobrindt sagte nun: „Wir halten unsere Nachbarn in enger Abstimmung.“ Er
selbst und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hätten dazu bereits in den
vergangenen Tagen Gespräche geführt. Bei seiner ersten Pressekonferenz als
Bundesinnenminister wurde Dobrindt vom Präsidenten der Bundespolizei,
Dieter Romann, begleitet.
## Fluchtroute nach Ungarn jetzt schon faktisch gesperrt
In der Ampel-Koalition gab es anfangs kaum Befürworter fester
Grenzkontrollen, die im sogenannten Schengen-Raum eigentlich nicht
vorgesehen sind. Dennoch hatte die ehemalige Bundesinnenministerin Nancy
Faeser (SPD) nicht nur die 2015 begonnenen Kontrollen an der Landgrenze zu
Österreich mehrfach verlängert.
Sie hatte solche temporären Kontrollen Mitte Oktober 2023 auch für die
Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet und bei der
EU-Kommission notifiziert. Im vergangenen September entschied sie dann,
dass es feste Kontrollen – die eine Voraussetzung für Zurückweisungen sind
– auch an den restlichen Grenzabschnitten geben solle.
Im vergangenen Jahr stellten 229.751 Menschen erstmals in Deutschland einen
Asylantrag. Das waren rund 100.000 Asyl-Erstanträge weniger als im Jahr
zuvor. Zu den Hauptherkunftsländern gehören derzeit Syrien, Afghanistan und
die Türkei. Eine Hauptursache für den Rückgang ist nach Einschätzung des
Chefs des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard
Sommer, dass Serbien im November 2023 die Flüchtlingsroute nach Ungarn
faktisch gesperrt habe. Ob dies dauerhaft so bleiben werde, sei offen,
sagte Sommer in einer Rede Ende März.
Die rechtliche Lage bei Zurückweisungen an der Grenze ist derzeit nicht
eindeutig. Einige Experten lesen geltendes EU-Recht so, dass
Zurückweisungen grundsätzlich nicht erlaubt sind. Dies hängt auch damit
zusammen, dass Grenzkontrollen praktisch nicht exakt auf der Grenzlinie
erfolgen, sondern oft etwas dahinter.
Zudem ist eigentlich vorgesehen, dass zumindest ein kurzes Verfahren mit
Befragung und erkennungsdienstlicher Behandlung durchgeführt werden muss,
um festzustellen, welcher Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig
ist.
Allerdings eröffnet das EU-Recht unter bestimmten Bedingungen die
Möglichkeit, von diesen Regeln abzuweichen. So erlaubt Artikel 72 des
Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Ausnahmen,
wenn die öffentliche Ordnung oder nationale Sicherheit bedroht ist – eine
sogenannte Notlagenklausel.
## Widerspruch zu EU-Recht
Ob eine solche Notlage tatsächlich vorliegt und ob eine Berufung auf diese
Klausel im konkreten Fall rechtmäßig wäre, ist allerdings offen. Die
Entscheidung darüber läge letztlich beim Europäischen Gerichtshof (EuGH),
der bisher sehr restriktiv mit solchen Ausnahmeregelungen umgeht.
Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel
Emmerich, kritisierte Dobrindts Entscheidung. Er sagte: „Diese Politik ist
falsch, denn sie schadet den Menschen und der Wirtschaft.“ Diese
Zurückweisungen [3][widersprächen EU-Recht.] „Solche Alleingänge
zerschlagen, was Europa zusammenhält.“
Zufrieden zeigte sich Sachsens Innenminister Armin Schuster. Der
CDU-Politiker sagte, die Intensivierung der Grenzkontrollen sei eine gute
Nachricht für Sachsen und ein „längst überfälliger Schritt, den wir und
andere unionsgeführte Länder lange eingefordert haben“.
7 May 2025
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