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       # taz.de -- Parlamentswahl in Australien: Aktivistin gewinnt Parlamentssitz gegen Oppositionsführer
       
       > Oppositionsführer Peter Dutton ist nicht australischer Premier geworden –
       > und hat gegen eine Behinderten-Aktivistin der Labor-Partei seinen
       > Parlamentssitz verloren.
       
   IMG Bild: Ali France feiert ihren Sieg
       
       Canberrra taz | Ali France hatte nie geplant, in die Politik zu gehen. Als
       Journalistin wurde sie zur Aktivistin, nachdem ein schwerer Autounfall ihr
       Leben verändert hatte. Fortan lebte die Australierin mit einer
       Beinprothese. Für France war der Schicksalsschlag eine Herausforderung. Die
       Welt war nicht auf Menschen mit Behinderung ausgelegt – und das wollte sie
       ändern. Doch sie sollte wesentlich mehr erreichen. Die heute 51-Jährige
       schnappte sich bei den jüngsten Wahlen für die Labor-Partei den
       Parlamentssitz einer der Ikonen ultrakonservativer Ideologie:
       [1][Oppositionsführer und potenzieller Premierminister Peter Dutton].
       
       Davor kannte man Ali France vor allem als Kämpferin für Barrierefreiheit,
       soziale Gerechtigkeit und Inklusion. Sie sprach aus Erfahrung – und das
       machte sie glaubwürdig. Dazu setzte sich für Umweltfragen ein, für
       Gleichstellung, für Flüchtlinge, für gerechtere Chancen für alle
       Australier:innen. Ihre Überzeugungen waren nicht radikal – sie waren
       menschlich.
       
       2019 wagte sie den großen Schritt: Sie kandidierte im konservativen
       Wahlkreis Dickson in Queensland – gegen keinen Geringeren als Peter Dutton,
       einen der bekanntesten und umstrittensten Politiker des Landes. Dutton war
       ein politisches Schwergewicht – ehemaliger Verteidigungsminister, Vertreter
       einer harten Linie in Sachen Sicherheit, Migration und nationaler
       Identität.
       
       Als Einwanderungsminister in einer früheren konservativen Regierung wurde
       er als kompromissloser Verfechter der von humanitären Organisationen als
       Folter kritisierten Zwangsinternierung von Flüchtlingen bekannt. Der
       Wahlkampf war hart – und am Ende verlor sie. Im selben Jahr starb einer
       ihrer beiden Söhne an Leukämie. Statt zu resignieren, lernte sie. Sie
       beobachtete, baute auf. Trotzdem verlor sie 2022 nochmals gegen den
       Ex-Polizisten Dutton.
       
       Bis 2025 hatte sich das politische Klima in Australien verändert. Die
       Bevölkerung schien – sollte sich herausstellen – zunehmend unzufrieden mit
       alten Machtstrukturen, mit der Politik des konservativen Oppositionsführers
       und potenziellen Premierministers. Es war eine Politik, die Angst und Hass
       schürte, statt Hoffnung zu geben. Ali France wagte es noch einmal.
       
       Ihre Kampagne war basisdemokratisch, lebendig, nahbar. Während Dutton
       hinter geschlossenen Türen mit Seinesgleichen sprach, war France auf
       Schulhöfen, Marktplätzen und Gemeindefesten unterwegs. Sie hörte zu,
       diskutierte offen, fragte nach. Ihre Stärke war nicht Lautstärke, sondern
       Echtheit.
       
       Peter Dutton hingegen setzte auf seine bewährte Strategie: Macht durch
       Kontrolle. Er warnte vor „linken Träumern“, verurteilte „woke“, versprach
       Sicherheit durch Grenzen, Härte und Patriotismus. Er appellierte an den im
       Volk noch immer weit verbreiteten Rassismus.
       
       Sein Ton und viele seiner politischen Pläne kamen bekannt vor: Man hatte
       das meiste schon von [2][US-Präsident Donald Trump] gehört. Doch wie sich
       zeigen sollte, hatten viele Menschen genug von der Rhetorik. Während Dutton
       Zahlen und Bedrohungen zitierte, sprach France von Menschen: von einer
       alleinerziehenden Mutter mit Rollstuhl, die keine barrierefreie Wohnung
       findet. Von einem Jugendlichen, der an den Folgen des Klimawandels leidet.
       
       Am Wahlabend dann, nach langem Warten, die Entscheidung: Ali France hatte
       Peter Dutton besiegt – und mit ihm die Symbolfigur konservativer Politik.
       In ihrer Siegesrede sagte Ali France: „Es ist der Sieg aller, die immer
       wieder gesagt bekamen: ‚Du passt nicht ins System.‘ Heute sagen wir: Doch,
       wir gehören hierher. Genau hier.“ Peter Dutton trat als Führer der
       Konservativen zurück. Seine liberal-nationale Koalition ist am Boden
       zerstört. [3][Die Labor-Regierung hat im Parlament eine klare Mehrheit.]
       
       Ali France’s Sieg veränderte Australien. Er sendete ein Signal: dass man
       gegen alte Machtstrukturen gewinnen kann. Dass Erfahrung und Empathie
       stärker sein können als Macht und Kontrolle. Und dass eine Frau mit einem
       künstlichen Bein mehr bewegen kann als ein ganzes Heer von Politikern ohne
       Vision.
       
       8 May 2025
       
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