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       # taz.de -- Konstantin von Notz über das AfD-Verbot: „Es kann schnell zu spät sein“
       
       > Der grüne Innenpolitiker von Notz drängt auf eine rasche Prüfung des
       > AfD-Verbots und kritisiert den Innenminister: Dobrindt gehe zu lässig mit
       > AfD-Beamten um.
       
   IMG Bild: Wie lange noch? Der extrem rechte Abgeordnete Maximilian Krah, AfD, bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags, 2025
       
       taz: Herr von Notz, Sie waren beim AfD-Verbot bislang eher skeptisch, hat
       sich daran mit der [1][zeitweisen Hochstufung der Partei als gesichert
       rechtsextrem] etwas geändert? 
       
       Konstantin von Notz: Ich bin nicht skeptisch beim AfD-Verbot, sondern
       versuche meinen Teil dazu beizutragen, dass es rechtssicher aufgesetzt
       wird. Die Hochstufung, die ja gerade juristisch überprüft wird, ist ein
       zusätzliches Argument dafür, dass das Verbot nun umso ernsthafter geprüft
       werden muss. Die damit zusammenhängenden Fragen müssen jetzt zeitnah
       geklärt werden – alle Behörden des Bundes und der Länder müssen nun ihre
       Informationen zusammentragen, um schnell darüber zu entscheiden.
       
       taz: Haben die Behörden mit dem Verfassungsschutzgutachten [2][das nicht
       gerade getan] und müsste die [3][Konsequenz nicht der Verbotsantrag] sein? 
       
       Von Notz: Haben Sie das Gutachten schon gelesen?
       
       taz: Nein, nur die [4][kursierenden Auszüge]. 
       
       Von Notz: Ich auch nicht. Deswegen kann ich Ihnen bislang nicht sagen, was
       drinsteht. Ich bin im Bundestag im parlamentarischen Kontrollgremium für
       die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständig. Wir übernehmen nicht
       unbesehen deren Berichte. Wir haben den Anspruch, uns die behördlichen
       Einschätzungen mit Verstand anzugucken und zu sehen, ob sie tragen, solide
       und vollständig sind. Ohne das Gutachten zu kennen, kann ich nicht seriös
       beurteilen, ob die erfolgte Hochstufung auch Grundlage für ein
       Verbotsverfahren sein kann. Die Kriterien für die Hochstufung allein
       reichen nicht aus, für ein Verbot braucht es zusätzliche Aspekte, die zügig
       zusammengetragen und geprüft werden müssen.
       
       Was gibt es denn sonst noch zu bedenken? 
       
       Während die Einstufung als gesichert rechtsextremistisch „nur“ Gewissheit
       über die Verfassungsfeindlichkeit voraussetzt, verlangt Art. 21 Abs. 2 des
       Grundgesetzes für ein Parteiverbot, dass eine Partei nach ihren Zielen oder
       nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf aus ist, die freiheitliche
       demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den
       Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Juristisch ist das
       eine nochmals höhere Hürde – unsere Gerichte stellen da zu Recht darauf ab,
       dass ein Parteiverbot natürlich ein nochmals deutlich stärkerer Eingriff in
       die Chancengleichheit der Parteien ist und deshalb auch nochmals höhere
       Voraussetzungen haben muss als die Einstufung.
       
       taz: Weite Teile der Öffentlichkeit fordern die Veröffentlichung des
       Gutachtens. Wie sehen Sie das? 
       
       Von Notz: Ich plädiere dafür, dass es eine Version zur Veröffentlichung vom
       Bundesinnenministerium gibt. Aber auch im Prozess mit der AfD wird das
       Gutachten der Partei voraussichtlich zur Kenntnis gegeben und unter
       größtmöglicher rechtsstaatlicher Transparenz darüber verhandelt.
       Gleichzeitig erwarte ich vom Innenministerium, dass es ein unter seiner
       Fachaufsicht entstandenes Gutachten über eine Partei, die im Deutschen
       Bundestag vertreten ist und in fast allen Parlamenten sitzt, auch begründet
       und wesentliche Argumente und Aspekte des Gutachtens veröffentlicht.
       
       taz: Ist die von der AfD im Eilverfahren eingeklagte [5][Stillhaltezusage
       des Verfassungsschutzes] tatsächlich so ein großer Triumph, wie die AfD
       gerade behauptet? 
       
       Von Notz: Nein, überhaupt nicht. In einem Rechtsstaat hat die AfD
       selbstverständlich die Möglichkeit, sich juristisch, auch in einem
       Eilverfahren, [6][zu wehren]. In einem solchen Eilverfahren ist es völlig
       normal, dass Behörden Stillhaltezusagen abgeben, bis sich das Gericht in
       der Sache mit der streitigen Frage beschäftigen konnte. Das ist eine
       prozessuale Selbstverständlichkeit und bedeutet in keiner Weise, dass der
       Verfassungsschutz seine Auffassung ändert. Übrigens hat die AfD
       vergleichbare Eilverfahren in der Vergangenheit ausnahmslos verloren.
       
       taz: Wissenschaftler*innen und Journalist*innen reden bei der AfD
       angesichts ihrer anhaltenden Radikalisierung schon lange [7][von einer
       mittlerweile extrem rechten Partei]. Die Belege dafür sind zahlreich
       bekannt. Warum braucht man dafür überhaupt die Expertise eines
       Verfassungsschutzes, der als Frühwarnsystem eher hinterherhinkt?
       
       Von Notz: Das BfV-Gutachten kann nur ein Aspekt sein. Wir müssen nun auch
       aus parlamentarischer Perspektive gucken, ob es andere Aspekte gibt, die
       vom Nachrichtendienst nicht berücksichtigt worden sind. Ebenso ist der sehr
       unterschiedliche Umgang der Landesämter für Verfassungsschutz mit der AfD
       erklärungsbedürftig: Warum stuft er eigentlich die Gesamtpartei als
       rechtsextrem ein, aber einzelne Landesverbände noch nicht? Das ist
       mindestens komisch. Völlig unabhängig davon sind ein erfolgreiches
       Parteiverbot und die erfolgreiche Hochstufung, wie gesagt, zwei
       unterschiedliche Paar Schuhe.
       
       taz: Bei aller Zurückhaltung beim Parteiverbot: Ist es nicht besser, wenn
       ein Verbotsverfahren scheitert, als wenn die Demokratie scheitert? 
       
       Von Notz: Das kann man nicht so gegeneinander stellen: Wenn das Verfahren
       scheitert, kann es mindestens ebenso gut sein, dass die Demokratie
       scheitert. Aber natürlich gibt es beim Parteienverbot einen großen
       Zeitdruck. Man kann nicht ewig damit warten, die Frage nach dem Verbot muss
       jetzt geklärt werden. Aber auch, wenn es eine hochpolitische Frage ist: Die
       Entscheidung wird von der unabhängigen Justiz gefällt, dem zweiten Senat
       des Bundesverfassungsgerichts, und zwar nach juristischen Kriterien. Wenn
       man sich nicht ausreichend mit der juristischen Fragestellung
       auseinandersetzt, tut man der AfD einen Gefallen und läuft blindlings in
       ein Verfahren, das man nicht versteht. Damit geht man ein großes Risiko
       ein. Wenn das Verfahren scheitert, wird die AfD daraus ableiten, dass sie
       nicht verfassungswidrig oder gar „verfassungsrechtlich geprüft“ sei. Das
       hätte auch Implikationen – und zwar keine guten.
       
       taz: Sie sagen, die Zeit drängt. Bis wann sollte diese Entscheidung stehen? 
       
       Von Notz: Die Sicherheitsbehörden, das Bundesinnenministerium und die
       Landesbehörden sind in der Verantwortung, in den nächsten Wochen zügig ihre
       Informationen zusammenzutragen und dann zu bewerten, damit die drei
       antragsberechtigten Verfassungsorgane – Bundestag, Bundesrat oder
       Bundesregierung – eine substantiierte Entscheidung treffen können. Das muss
       auch unabhängig von der juristischen Auseinandersetzung mit der Hochstufung
       geschehen. Wir können nicht sagen: Wir warten erstmal jahrelang die Urteile
       ab und gucken dann. Man sieht ja in anderen Ländern: Es kann schnell zu
       spät sein. Wir müssen nun zügig und sorgfältig handeln.
       
       taz: Also hat ihr Fraktionskollege Till Steffen, der einen neuen
       Verbotsantrag angekündigt hat, ihre Unterstützung? 
       
       Von Notz: Meine Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann hat öffentlich doch
       längst gesagt, dass wir an einem Antrag arbeiten. Wir haben ein großes
       Interesse daran, das mit den anderen demokratischen Fraktionen zusammen zu
       machen – und auch gemeinsam mit den Ländern und der Bundesregierung.
       
       taz: Halten Sie die [8][Streichung der Parteienförderung] für sinnvoll,
       auch wenn die juristischen Hürden fast genauso hoch sind? 
       
       Von Notz: Ich persönlich finde es schwer erträglich, dass mit öffentlichen
       Mitteln eine gesichert extremistische Partei finanziert wird. Eine Partei,
       die eigentlich im Sinne unserer liberalen Demokratie arbeiten sollte, aber
       laut Verfassungsschutzes in die gegenteilige Richtung unterwegs ist. Daher
       ist es richtig, alle Sanktionsmöglichkeiten zu prüfen. Richtig ist aber
       auch: De facto sind die juristischen Hürden dieselben.
       
       taz: Merz und weite Teile der CDU, aber auch Klingbeil und große Teile der
       SPD säen mit Blick auf das AfD-Verbot eher Zweifel und verweisen auf die
       politische Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen. 
       
       Von Notz: Die beiden Optionen sind keine Alternativen: Wir brauchen einen
       Multiansatz in der Auseinandersetzung mit der AfD. Man muss sich auch
       inhaltlich weiter hart auseinandersetzen und klar benennen, wohin diese
       Partei will: Sie will eine autoritäre Gesellschaft, ist anti-liberal,
       anti-vielfältig und antidemokratisch. Ihre Alliierten sind Putin und andere
       Autokraten. Daneben braucht es die zügige Prüfung des Parteiverbots. Ebenso
       braucht es Schutz für jene Strukturen, die unsere Demokratie schützen und
       für sie arbeiten. Menschen, die sich im Ehrenamt für unsere Demokratie
       engagieren, müssen gestärkt und besser gegen Anfeindungen und Bedrohungen
       geschützt werden. Wir treten deswegen weiter vehement für ein
       Demokratiefördergesetz ein.
       
       taz: Welche Konsequenzen hat die Neubewertung der AfD für den Bundestag? 
       
       Von Notz: Hier im Haus gibt es schon lange eine hohe Skepsis gegenüber der
       AfD. Die wurde durch die Hochstufung natürlich bestätigt. Bei der AfD
       handelt es sich, auch nach meiner Wertung, um eine rechtsextreme Partei.
       Was das für sicherheitsrelevante Ausschüsse und Zugang zu Dokumenten
       bedeutet, wird im Ältestenrat besprochen. Im Parlamentarischen
       Kontrollgremium gibt es aus gutem Grund eine zusätzliche Hürde durch die
       Wahl aus der Mitte des Deutschen Bundestags. Man muss eine Mehrheit auf
       sich vereinen – das ist nicht so ohne, wie wir nicht erst seit Friedrich
       Merz erstem Kanzlerwahlgang wissen. Das hat seine Berechtigung: Es geht in
       einigen Ausschüssen um sehr sensible Informationen.
       
       taz: Aber wer sagt das jetzt dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn, der
       noch vor der Hochstufung noch für eine Normalisierung der AfD im Bundestag
       warb? 
       
       Von Notz: Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit des Hauses durch die
       Hochstufung für das Thema sensibilisiert ist. Ich persönlich sehe das sehr
       kritisch – gerade in Zeiten, in der von außen Angriffe auf unsere
       Demokratie stattfinden, sehe ich ein stark erhöhtes Sicherheitsbedürfnis.
       Aber ich will da nicht vorweggreifen – es sind demokratische
       Entscheidungen.
       
       taz: Sprechen wir über die Folgen der Hochstufung für AfD-Mitglieder: Viele
       in der Partei atmeten zuletzt erleichtert auf, als Bundesinnenminister
       Alexander Dobrindt (CSU) sagte, es werden [9][keine pauschalen Konsequenzen
       für Beamte mit AfD-Parteibuch] geben. Wie sehen Sie das? 
       
       Von Notz: Ich finde das, was man aus dem Beamtenbund und auch vom frisch
       gebackenen Innenminister Dobrindt mit einer völligen Nonchalance hört, ein
       bisschen zu lässig – es geht um Staatsbedienstete, die Mitglied einer offen
       rechtsextremistischen Partei sind. Natürlich braucht es für
       disziplinarrechtliche Maßnahmen noch zusätzliche Punkte. Aber es stellen
       sich doch eine Vielzahl von Fragen und ich verlange, dass die
       verantwortlichen Stellen der Kommunen, des Landes und des Bundes diese
       Fragen unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten sehr ernsthaft prüfen –
       und nicht nur mit den Schultern zucken.
       
       11 May 2025
       
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