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       # taz.de -- DFB-Pokal-Finale mit Arminia Bielefeld: Die Eroberung des Fantasieraums
       
       > Der VfB Stuttgart gewinnt mit 4:2 den DFB-Pokal. Aber der Gegner aus
       > Ostwestfalen hat gezeigt, wie auch den Großen die Stirn gezeigt werden
       > kann.
       
   IMG Bild: Solange kein Tor fällt, gibt es Grund für Träume: Noah Sarenren Bazee (Bielefeld) verpasst in der 12. Minute die Führung
       
       Nun ist dieser Traum vom größten Außenseitererfolg der Pokalgeschichte
       ausgeträumt. So könnte vielleicht die spärliche Zahl der Neutralen im
       Berliner Olympiastadion gedacht haben, als Schiedsrichter Christian Dingert
       das 82. [1][DFB-Pokalfinale] abpfiff. Aber weit gefehlt. Dieses Endspiel
       wird in den Köpfen der Profis, Trainer, Betreuer und vor allem der Fans von
       [2][Arminia Bielefeld] ewig weitergespielt werden.
       
       Kurz vor Mitternacht in den Stadion-Katakomben nahe dem Busparkplatz fing
       Bielefelds Torhüter Jonas Kersken schon damit an: „Wenn wir am Anfang das
       1:0 machen, man weiß nie, wie dann der Spielverlauf ist.“ Er dachte an
       diese Szene in der 12. Minute, die im kollektiven Vereinsgedächtnis der
       Arminia einen Ehrenplatz erhalten dürfte. Letztlich etwas glücklich
       rutschte der Ball da zu Noah Sarenren Bazee durch, und der traf freistehend
       fünf Meter vor dem Tor die schmale Latte statt das breite Tornetz.
       
       „Ein Hundertprozenter“, wie selbst [3][VfB Stuttgarts] Pokalsiegertrainer
       Sebastian Hoeneß später eingestand. In der Historie von Arminia Bielefeld
       gibt es einige ikonische Momente des Versagens. Nie jedoch war einer mit
       einer solch glücksversprechenden Fantasie verknüpft.
       
       Forsch und offensiv hatte der krasse Außenseiter die Partie eröffnet. Schon
       in der ersten Minute war Bazee in Tornähe knapp an einem Ball
       vorbeigerutscht. Aus Bielefelder Sicht war dieses zum Jahrhundertspiel
       erklärte Finale, das großzügig geschätzte 100.000 Menschen aus Ostwestfalen
       nach Berlin pilgern ließ, auf eine seltsame Art zugleich inspirierend und
       ernüchternd.
       
       Ernüchternd, weil nach der Großchance der Arminia die Stuttgarter binnen 13
       Minuten vorentscheidende Effizienz demonstrierten. Nick Woltemade (15.),
       Enzo Millot (22.) und Deniz Undav (28.) profitierten allesamt von
       Unzulänglichkeiten ihres Gegners. Und auch als Undav in der zweiten Hälfte
       gar das 4:0 erzielte, lieferte Bielefeld in Person von Luis Oppie einen
       wesentlichen Beitrag.
       
       ## Forsch, offensiv aber mit Fehlern
       
       „Zu viele individuelle Fehler“ habe man gemacht, räumte Torhüter Kersken
       ein. Der Pokalschreck dieser Saison, der vier Bundesligisten schlecht
       aussehen ließ, konnte in diesem Wettbewerb erstmals nicht kaschieren, dass
       der Klub eben gerade einmal dem Drittligafußball entwachsen ist.
       
       Doch just als sich dieser desillusionierende Eindruck am Samstagabend
       verfestigt hatte, sorgten die beiden Bielefelder Treffer in der
       Schlussphase durch Julian Kania (82.) und den Eigentorschützen Josha
       Vagnoman (85.) wiederum für Irritationen. „Dann hast du ganz komische
       Gedanken im Kopf“, berichtete Hoeneß. Stuttgarts Torhüter Alexander Nübel
       verhinderte in der Nachspielzeit gar einen weiteren Bielefelder
       Anschlusstreffer.
       
       Kersken, Nübels Kollege auf der anderen Seite, resümierte: „Ich glaube, es
       war für alle, die aus Bielefeld hier waren oder das verfolgt haben, ein
       unvergesslicher Tag. Das ist das, was am Ende bleibt.“ Ein Fazit, das
       vielleicht sogar zu bescheiden ausfällt. Denn Arminia Bielefeld hat in
       dieser Pokalsaison, einschließlich Finale, für alle kleineren Klubs
       Fantasieräume eröffnet, wie selbst im immer exzessiver durchkapitalisierten
       Profifußball den Großen die Stirn geboten werden kann.
       
       Fast ein Vierteljahrhundert ist es her, als mit [4][Union Berlin] letztmals
       ein Drittligist im Endspiel stand. Das hatte am Samstagabend eine durchaus
       rauschhafte Nachwirkung. Es sei ja das erste große Finale für das Team
       gewesen, erklärte Jonas Kersken, als er nach dem Lerneffekt dieser Partie
       gefragt wurde. „Ich hoffe, dass es für uns nicht das letzte ist.“ Und auch
       sein Trainer Kniat war noch voll auf Pokaldroge: „Was die Fans und ganz
       Bielefeld hier abgerissen haben, war einmalig.“
       
       Umgekehrt war den Stuttgartern vor allem Erleichterung anzusehen. Atakan
       Karazor, der vor dieser Saison zum Kapitän ernannt wurde, schien den
       DFB-Pokal gar nicht mehr hergeben zu wollen, nachdem er ihn im großen
       Blitzlichtgewitter überreicht bekam. Auch die Mixed Zone betrat er mit der
       Trophäe. In dieser Spielzeit hatte er sich erstmals zu den seit 2022 in
       Spanien laufenden [5][Ermittlungen wegen sexueller Nötigung] einer Frau
       geäußert, die er mit einem Freund begangen haben soll, was Karazor
       abstreitet. Er hob vergangenen November das Vertrauen des Vereins in ihn
       hervor und erklärte: „Für mich steht der Fußball im Vordergrund.“ In der
       Pokalnacht von Berlin war das offenkundig der Fall.
       
       Sebastian Hoeneß wies wegen der medial zugewiesenen klaren Favoritenrolle
       des VfB auf die Fallhöhe hin. „Das Spiel entsprechend zu spielen, ist nicht
       einfach.“ Die Unzufriedenheit im Stuttgarter Umfeld mit der
       Bundesligarückrunde, die den Champions-League-Teilnehmer ins Mittelmaß
       zurückfallen ließ, erhöhte den Druck. In der Anfangsphase war das den
       Schwaben anzumerken. Zuerst mussten sie das Psychospiel für sich gewinnen,
       ehe sie mit dem Fußballspielen beginnen konnten. Es hatte schon fast etwas
       von asiatischer Kampfkunst, wie die Stuttgarter die Angriffskraft des
       Drittligisten gegen diesen selbst nutzten. Der verdiente Lohn war der
       vierte DFB-Pokalerfolg in der Vereinsgeschichte. Letztmals war dies
       übrigens 1997 gegen den Drittligisten [6][Energie Cottbus] gelungen.
       
       25 May 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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