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       # taz.de -- Schlendrian bei Bremer Arbeitern: Moin, Moin, Moin! Mooooiiiin!
       
       > Warum läuft es wirtschaftlich in Bayern besser als in Bremen? Es liegt an
       > der norddeutsch-türkischen Art, zu grüßen.
       
   IMG Bild: Nur im Urlaub wird auf das Doppel-Moin manchmal verzichtet: Wohnwagen auf dem Campingplatz Ostseecamping in Schubystrand
       
       Bei jeder Verhandlung über den Länderfinanzausgleich, werfen die Bayern uns
       Bremern an den Kopf, dass wir an unserer Armut selbst schuld seien, weil
       wir mit der Arbeitszeit sehr verschwenderisch umgehen würden. Es sei
       verantwortungslos, dass wir uns täglich doppelt grüßen! Und zwar in Form
       von: „Moin! Moin!“
       
       In Bayern käme kein Mensch auf die Idee, zweimal hintereinander „Grüß Gott!
       Grüß Gott!“ zu rufen. So was sei schlichtweg orientalisch! Und damit haben
       sie Recht, die Bayern.
       
       Alles begann vor 30 Jahren in Halle 4, als ich meinen Kollegen Hasan traf.
       „Guten Morgen, Hasan, wie geht’s dir?“, fragte ich ihn, während ich ihn
       umarmte und seine Wangen küsste.
       
       „Vielen Dank, Osman, mir geht es gut. Wie geht’s dir denn so?“, antwortete
       er.
       
       „Mir geht es auch sehr gut, Hasan. Wie geht’s denn deiner Frau und deinen
       Kindern?“, fragte ich daraufhin.
       
       „Meiner Frau und meinen Kindern geht es auch sehr gut, Osman. Aber wie
       geht’s denn deiner Frau und deinen Kindern?“
       
       „Denen geht’s bestens“, antwortete ich höflich, wie es sich bei einer
       Begrüßung unter guten Freunden nun mal gehört. „Lieber Hasan, ich hoffe,
       deinen Eltern geht es auch gut.“
       
       „Vielen Dank, Osman, für dein Interesse an der Gesundheit meiner Eltern.“
       
       In dem Moment kam unser Meister Herr Viehtreiber wutentbrannt angestürmt:
       „Wegen euch beiden steht der gesamte Betrieb still“, tobte er mit hochrotem
       Kopf.
       
       „Herr Meister, ich darf ja wohl kurz meinen Arbeitskollegen Hasan grüßen.
       Ich begrüße nur noch den Ahmet, den Nedim, den Remzi und den Tekin“,
       antwortete ich.
       
       „Nein, es wird hier überhaupt nicht mehr begrüßt!“, brüllte er fassungslos.
       
       „Aber ich bin doch Türke! Ich muss meine Kollegen begrüßen, das liegt in
       meinen Genen.“
       
       „Nein! Du brauchst nur einmal mit dem Kopf zu nicken – das reicht völlig!
       Wenn das nicht reicht, kannst du noch Moin sagen“, schrie er.
       
       Wir wurden vor die schwierige Wahl gestellt, entweder unsere Arbeit oder
       unsere menschliche Würde zu verlieren!
       
       Mein Kumpel Nedim, der früher bei der Post als Telegraphierer beschäftigt
       war, hatte die geniale Idee, dass wir uns mit dem Morse-Alphabet begrüßen
       könnten. Statt unterschiedlich langer Striche würden wir unterschiedlich
       lange Moins benutzen, da Moin ja erlaubt war.
       
       Dreimal kurz Moin!, einmal lang Moin!, zweimal kurz Moin! und dreimal lang
       Moin! hintereinander würde heißen: „Grüße deine Frau“.
       
       Das hörte sich in der Praxis so an: „Moin, Moin, Moin! Mooooiiiin! Moin,
       Moin! Mooooiiiin, Mooooiiiin, Mooooiiiin!“
       
       Aber mit der neuen Technik dauerte unser morgendliches Begrüßungsritual
       sogar etwas länger. Es waren nämlich ganze 160 Moins nötig, um sich
       halbwegs zu begrüßen.
       
       Eine Woche später kam unser Meister mit mehreren bayerischen
       Wirtschaftsanwälten, um uns einzuschüchtern.
       
       „Mehr als ein Moin mit einem zusätzlichen Kopfnicken ist absolut nicht
       drin, wenn ihr euch weiterhin an der Brust von uns [1][Bayern] nähren
       wollt“, drohten sie uns.
       
       Nach tagelangen zähen Verhandlungen haben wir die Firmenleitung gezwungen,
       uns wenigstens ein weiteres Moin zu genehmigen. Also insgesamt zwei Moins!
       Aber selbst dieses kleine zusätzliche Moin ist den Bayern ein großer Dorn
       im Auge und sie drohen dauernd, den [2][Länderfinanzausgleich] mit
       [3][Bremen] zu kündigen.
       
       Da sage ich nur: „Moin, Moin! Mooooiiiin, Mooooiiiin!“
       
       10 Jun 2025
       
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   DIR Osman Engin
       
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