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       # taz.de -- Korruptionsprozess in Österreich: Überraschender Freispruch für Kurz
       
       > Der österreichische Ex-Kanzler Sebastian Kurz war wegen Falschaussage in
       > einem U-Ausschuss verurteilt. Nun wurde er in zweiter Instanz
       > freigesprochen.
       
   IMG Bild: Aus dem Schneider: Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz
       
       Wien taz | Das Oberlandesgericht Wien hat am Montag ein aufsehenerregendes
       Urteil im Berufungsprozess von Sebastian Kurz gefällt: Der dreiköpfige
       Richtersenat hat Österreichs Ex-Kanzler vom Vorwurf der Falschaussage im
       Ibiza-U-Ausschuss freigesprochen. Im Februar 2024 war Kurz noch zu [1][acht
       Monaten Haft auf Bewährung] verurteilt worden. Der Schuldspruch seines
       früheren Kabinettschefs Bernhard Bonelli wurde hingegen bestätigt.
       
       Angeklagt waren beide wegen ihrer Aussagen im parlamentarischen
       Untersuchungsausschuss von 2020/21 zur sogenannten Ibiza-Affäre von 2019.
       Im Zentrum stand die Frage, ob Kurz bei der umstrittenen Bestellung des
       Aufsichtsrats der milliardenschweren Staatsholding ÖBAG beteiligt war. Kurz
       bestritt jede aktive Beteiligung. Diese Darstellung widersprach jedoch den
       Aussagen von Thomas Schmid, der als Generalsekretär im Finanzministerium
       tätig war, bevor er 2019 zum ÖBAG-Alleinvorstand ernannt wurde.
       
       Das Erstgericht hatte im Februar 2024 beide schuldig gesprochen – Kurz zu
       acht, Bonelli zu sechs Monaten auf Bewährung. Bei einem Strafrahmen von bis
       zu drei Jahren galten die Strafen als mild. Schon in erster Instanz hatte
       der Ex-Kanzler argumentiert, die Stimmung im U-Ausschuss sei „feindselig“
       gewesen, er sei zudem schlecht vorbereitet gewesen. Auf diese Begründungen
       berief er sich nun wieder. Das Berufungsgericht kam nach eingehender
       Prüfung der Videoaufnahmen zu einem differenzierten Urteil. Bei Kurz sei
       der „objektive Tatbestand der falschen Beweisaussage nicht erfüllt“
       gewesen.
       
       Eine Ja-Nein-Frage der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper, ob Kurz in die
       Bestellung des ÖBAG-Aufsichtsrats eingebunden gewesen sei, habe er korrekt
       mit Ja beantwortet. Als Krisper nachhaken wollte, sei die Fragezeit
       abgelaufen gewesen. Kurz habe nicht gewirkt, als sei seine Antwort
       abschließend gewesen. Eine vorsätzliche Falschaussage setze aber voraus,
       dass Tatsachen bewusst nicht richtig dargestellt werden.
       
       ## Urteile sind rechtskräftig
       
       Anders bei Bonelli, der ausreichend Zeit für seine Aussage gehabt habe. Das
       Gericht bestätigte daher seine Verurteilung. Vorwürfe der Verteidigung,
       dass der Erstrichter befangen gewesen sei, wies das Oberlandesgericht Wien
       zurück. Nach der Urteilsverkündung zeigte sich Kurz erleichtert, Bonellis
       Verurteilung bedauere er jedoch „zutiefst“. Die Urteile sind rechtskräftig,
       es können keine Rechtsmittel mehr eingelegt werden.
       
       Die Causa wurzelt im Ibiza-Skandal von 2019, als ein heimlich aufgenommenes
       Video mit [2][FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache] die Republik erschütterte
       und zum Bruch der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung führte. Selten war von einem
       Spitzenpolitiker die Bereitschaft zu fragwürdigen politischen Deals so
       offen zur Schau gestellt worden. In den Ermittlungen wurden die Datenträger
       Schmids ausgewertet und erwiesen sich als Fundgrube für heikle Chats.
       Schmid wurde zum Kronzeugen und belastete auch Kurz schwer.
       
       Kurz, heute 38, wurde 2013 zum jüngsten Bundesminister (Außenminister) und
       vier Jahre später zum jüngsten Bundeskanzler Österreichs. Er galt als
       politisches Wunderkind, das die konservative ÖVP aus ihrer Krise
       herausführte. Nach Korruptionsvorwürfen [3][trat Kurz 2021 zurück] und
       wurde Unternehmer.
       
       Seine Zeit als Spitzenpolitiker beschäftigt die Justiz jedoch weiterhin,
       etwa in der schwerwiegenderen Inseratenaffäre. Der Vorwurf: Mit Steuergeld
       habe Kurz für ihn vorteilhafte Meinungsumfragen in Auftrag gegeben und in
       Medien platziert. Kurz bestreitet die Vorwürfe, die Ermittlungen sind noch
       anhängig.
       
       26 May 2025
       
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