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       # taz.de -- Libanon: Hisbollah und Amal gewinnen Kommunalwahlen im Süden
       
       > Der Libanon wählt zum ersten Mal seit Langem auf Lokalebene. Die
       > schiitischen Parteien können sich im Süden behaupten, doch die
       > Wahlbeteiligung sinkt.
       
   IMG Bild: Libanons Präsident Joseph Aoun gibt während der Kommunalwahl seine Stimme in einem Wahllokal in seinem Dorf Aishiyeh ab
       
       Beirut taz | Als der libanesische Präsident Joseph Aoun am Samstag die
       Presse durch seinen Heimatort Aischieh im Südlibanon führte, legte er ein
       [1][kleines Geständnis] ab: „Ich habe 40 Jahre lang nicht gewählt und gebe
       heute zum ersten Mal in einer Wahlsituation meine Stimme ab.“
       
       Er hatte seine Karriere in der Armee durchlaufen, war zuletzt Armee-Chef,
       bevor er Anfang Januar Präsident wurde. Teil seiner Versprechung, den
       Libanon in eine neue Ära ohne Korruption zu führen, waren auch
       demokratische Wahlen. Seit Januar setzt er viel daran, die politischen
       Geschäfte neu zu regeln. Teil dessen sind die Kommunalwahlen im Mai, die
       der Libanon an diesem Wochenende abgeschlossen hat. Zuletzt wählten die
       Menschen im Südlibanon.
       
       Dort haben die schiitischen Parteien Hisbollah und Amal traditionell die
       meiste Unterstützung. Bei den Wahlen vom Wochenende gewannen sie deshalb
       deutlich. Die Wahlbeteiligung aber sank im Vergleich zur letzten
       Kommunalwahl 2016 von 48 auf 37 Prozent. Hisbollah-Chef Naim Kassim hatte
       zwei Tage vor der Wahl in einer Erklärung bei seinen Anhänger*innen
       darauf gepocht, massiv an die Urnen zu gehen. Die islamistische Partei der
       Hisbollah ist der politische Teil der Organisation, die dem militanten Arm
       ihren politischen Einfluss verleiht.
       
       Der Südlibanon ist von [2][den israelischen Angriffen] im jüngsten Krieg am
       stärksten getroffen worden. Das israelische Militär hat ganze Dörfer
       bombardiert und zerstört. Durch den Einsatz von weißem Phosphor sind
       Olivenhaine und Ackerflächen auf Jahre unfruchtbar. Viele haben ihre Häuser
       und Einkommensquellen verloren. Trotz offizieller Waffenruhe bombardiert
       das israelische Militär weiter Ziele im Süden des Landes. Das Militär hatte
       am Donnerstag verstärkt Luftangriffe geflogen, zwei Tage vor der Wahl.
       
       Am Donnerstagabend berichtete der libanesische Fernsehsender LBCI, der
       Libanon hätte von den USA ausdrückliche Garantien erhalten, dass Israel von
       jeglichen Militäroperationen absehen werde, damit die Menschen ohne Angst
       vor Bombardierungen zu den Wahlurnen gehen können. „[3][Der Wille des
       Aufbaus] ist stärker als die Zerstörung“, sagte Präsident Aoun, nachdem er
       die Wahllokale in den Städten Nabatieh und Saida besucht hatte.
       
       ## Wiederaufbau kostet 11 Milliarden US-Dollar
       
       Die neue libanesische Regierung braucht Reformen, um Hilfsgelder für den
       Wiederaufbau von internationalen Gebern wie dem Währungsfonds zu bekommen.
       Die Weltbank schätzt, dass der Wiederaufbau rund 11 Milliarden US-Dollar
       kostet.
       
       Weil die Wahlen entsprechend schnell während der Amtszeit der neuen
       Regierung über die Bühne gehen sollten, blieb nicht viel Vorbereitungszeit.
       Die unabhängige Organisation LADE, die Wahlen im Libanon beobachtet, zählt
       einige hundert Verstöße gegen demokratische Wahlen in jeder Region,
       darunter Bestechungen und Einflussnahme.
       
       Die NGO zählte 613 Verstöße im Südlibanon, über 700 in der Bekaa-Ebene und
       in Beirut sowie über 800 Vorfälle bei den Wahlen in der ersten Woche. Im
       Nordlibanon kritisierte LADE ein „Klima des Chaos“ und Bestechungen. Trotz
       Mängeln sei die Wahl relativ gut gelaufen, verglichen mit früheren
       Wahlgängen, so die Organisation in ihrem Report.
       
       ## Säkulare Parteien bleiben schwach
       
       [4][Trotz Wirtschaftskrise] und Hoffnung auf politischen Wandel konnten
       sich säkulare politische Bewegungen kaum durchsetzen. Die Wahlen erinnerten
       daran, dass traditionelle Parteien weiter „unerschütterlich in der
       Bevölkerung verankert“ seien, [5][schreibt eine Analystin] der Zeitung
       L’Orient-Le Jour.
       
       Kommunalwahlen sollten alle sechs Jahre stattfinden, doch zuletzt wurde
       2016 gewählt. Seitdem wurden die Wahlen aus „technischen“ Gründen oder
       wegen Sicherheitsbedenken verschoben. Die Wahlen dieses Jahr abzuhalten,
       ist ein wichtiges Zeichen, dass der Libanon demokratische Prozesse wieder
       aufnimmt. Im Frühling 2026 stehen die Parlamentswahlen an. Präsident Aoun
       versprach, die Regierung werde sicherstellen, dass diese „frei von
       Unregelmäßigkeiten sind“.
       
       26 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.naharnet.com/stories/en/313014-aoun-votes-in-south-says-there-are-guarantees-israel-won-t-disrupt-polls
   DIR [2] /Trotz-Waffenruhe-im-Libanon/!6084998
   DIR [3] /Angriffe-zwischen-Israel-und-Libanon/!6077989
   DIR [4] /Wirtschaftskrise-im-Libanon/!6081884
   DIR [5] https://today.lorientlejour.com/article/1461652/a-year-before-legislative-elections-great-introspection-of-the-protest.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Neumann
       
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