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       # taz.de -- Trump und die Harvard Universität: Die Universität als Ideologieproduzent
       
       > Mit seinen jüngsten Drohungen gegen die Elite-Uni Harvard steuert Donald
       > Trump auf ihre totale, politische Umfunktionierung zu.
       
   IMG Bild: Studierende auf dem Campus der Harvard Universität
       
       Zynisch betrachtet könnte man sagen: Donald Trump adelt die
       US-Universitäten. Auf seine Art. Indem er sie zu einem zentralen Ziel
       seines Abriss-Furors macht. Er bezeichnet sie als Witz, wo Dummheit und
       Hass gelehrt werde. Aber wären sie wirklich nur ein Witz, dann wären sie
       kein Ziel, das solchen Aufwand lohnen würde. Es ist also etwas anderes, das
       er bekämpft. Es ist ihr alter Nimbus, die Autorität von
       Wissensinstitutionen, dem die Angriffe gelten.
       
       Nachdem eine nach der anderen dieser ehrwürdigen Institutionen eingeknickt
       ist und sich dem Druck gebeugt hat, ist die Weigerung der
       Harvard-Universität besonders spektakulär. Ursprünglich wollte auch Harvard
       auf die Forderungen der Trump-Regierung eingehen – schließlich hat diese
       einen nicht zu unterschätzenden Trumpf: Sie droht mit finanziellen
       „Strafen“ in Milliardenhöhe.
       
       Das bedeutet: Widerstand muss man sich leisten können. Die Regierung hat
       ihre Drohung wahr gemacht und die Zuschüsse tatsächlich gekürzt. Da Harvard
       weiterhin nicht eingelenkt hat, soll der Universität nun die Aufnahme
       ausländischer Studierender verboten werden. Das betrifft mehr als ein
       Viertel. Die Universität sieht darin einen Vergeltungsakt der Regierung
       dafür, dass sie deren Forderungen abgelehnt habe.
       
       [1][Durch den Widerstand von Harvard] wurden die Trump-Forderungen erst in
       ihrem ganzen Ausmaß publik. Und diese haben es in sich. Sie sind extrem,
       umfangreich und möglicherweise illegal, so der Psychologe Steven Pinker.
       Die Regierung verlangt von der Universität, sie solle den Einfluss von
       Studierenden und Lehrkräften reduzieren. Ausländische Studenten sollen
       nicht nur hinsichtlich antisemitischer und terroristischer Aktivitäten
       gescreent werden, die gemeldet werden sollen.
       
       Generell sollen sämtliche Informationen über Studierende – ob abgelehnte
       oder aufgenommene – der Regierung weitergegeben werden. Vom
       Notendurchschnitt bis zur ethnischen Herkunft. Die „Perspektivenvielfalt“
       an sämtlichen Fakultäten – sprich konservative Ansichten – soll
       durchgesetzt und kontrolliert werden. Einschließlich einer Liste
       unerlaubter Begriffe. Sämtliche Postenbesetzungen sowie alle universitären
       Programme – also Personal ebenso wie Inhalte – sollen vor
       Diversitätskriterien bewahrt werden. All das gipfelt in einer externen
       Aufsicht, die die Einhaltung dieser Anordnungen prüfen soll.
       
       ## Die Universitäten seien politische Einrichtungen
       
       Die explizite Begründung für diese weit reichenden Maßnahmen lautet: Die
       Universitäten seien politische Einrichtungen: aktivistisch, linksliberal,
       woke, divers, propalästinensisch und marxistisch. Deshalb brauche es eben
       all das: Kontrolle, Reduktion, Meldungen, Informationen weitergeben. Diese
       Maßnahmen bedeuten nicht einfach nur einen direkten Eingriff in die
       Universitäten, eine Art Zwangsverwaltung. Sie bedeuten vielmehr ein
       völliges Umfunktionieren des Universitätsbetriebs.
       
       All das, was Universität einmal war, sein sollte und wollte, soll beseitigt
       werden. Auch wenn davon nur mehr Bruchstücke übrig sind. Aber noch die
       Restbestände ihrer Ideale – Universität als ein Ort des Denkens, der freien
       Rede, des Aushandelns, der Wissensproduktion – sollen getilgt werden. Ihr
       letzter Nimbus, ihre Autorität als autonome Vernunft-Institution soll
       zerstört, unter Kuratel gestellt werden. Kurzum – das Ziel ist, die
       Universitäten herabzustufen: von einem Ort der Wissensproduktion in einen
       Ort der Ideologieproduktion.
       
       Der Vorwurf, sie seien genau das – nämlich Ideologieproduzenten, politische
       Einrichtungen – dient nicht etwa dazu, diesen Missstand aufzuheben. Er
       dient vielmehr dazu, sie restlos zu solchen zu machen. Also die
       Ideologieproduktion in die gewünschte politische Richtung zu lenken. Die
       Entmündigung der Universitäten soll dazu dienen, sie sich als solche
       politischen Einrichtungen anzueignen.
       
       Nicht zu unterschätzen ist ein Kollateralnutzen, der mit dieser
       Bevormundung der Universitäten einhergeht: Universitäten sind oftmals
       Treiber von Protesten. Zuletzt etwa in der Türkei oder [2][in Serbien].
       Hier soll ein möglicher Hort des Widerstands gewissermaßen präventiv
       kontrolliert werden.
       
       26 May 2025
       
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