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       # taz.de -- Ausstellung über Bauernkriege in Halle: Der Morgenstern ist nachgebaut
       
       > Computerspiele über Feldarbeit, Agrarroboter und Waffen: Die Ausstellung
       > „Planetarische Bauern“ in Halle fragt nach der heutigen Bedeutung der
       > Bauernkriege.
       
   IMG Bild: Planetarische Bauern: Edgardo Navarro, Planetarisches Mandala, Zyklen, Bauernkalender 1–8, 2025, Installationsansicht
       
       Es sei nicht übertrieben, die Ausstellung „Planetarische Bauern“ im
       Halleschen Kunstmuseum Moritzburg als „Kleine Documenta“ zu bezeichnen. Ob
       sich Moritzburg-Direktor Thomas Bauer-Friedrich diesen Verweis beim
       Eröffnungs-Pressetermin gut zurechtgelegt hatte?
       
       Die Ausstellung ist Teil der Landesausstellung Sachsen-Anhalt
       „Gerechtigkeyt 1525“ – und zugleich ein ambitioniertes, mit über zwei
       Millionen Euro von Bund und Land gefördertes Projekt. Ziel ist es, die
       Forderungen und Ereignisse des Bauernkriegs vor 500 Jahren mit den Mitteln
       zeitgenössischer Kunst ins Heute zu überführen.
       
       Mit aktuellen, erdumfassenden Themen sollen die historischen Begebenheiten
       in Bezug zur Gegenwart und zu denkbaren Zukünften gesetzt werden.
       Stichworte der Ausstellung mit dem Untertitel „Landwirtschaft, Kunst,
       Revolution“ sind Biodiversität, Extraktivismus, Freiheit oder Bodenbesitz.
       
       Bauer-Friedrich fungiert, gemeinsam mit dem Direktor der auch in Halle
       ansässigen Werkleitz Gesellschaft, Daniel Herrmann, als Künstlerischer
       Leiter der Ausstellung. Als er von ihrer Größe spricht, von dem
       internationalen kuratorischen Team, dem aufwendigsten Vorhaben der
       zurückliegenden Jahrzehnte für die Moritzburg und davon, dass für die 30,
       teils eigens für die Schau geschaffenen Exponate, die Räumlichkeiten des
       auf Kunst des 20. Jahrhunderts spezialisierten Hauses komplett umgeräumt
       werden mussten.
       
       ## Der Documenta-Vergleich hält nur bedingt
       
       In diesem Moment dürfte ihm der [1][Documenta-Vergleich] gekommen sein. Dem
       auch beim Pressetermin anwesenden Ministerpräsidenten, Reiner Haseloff
       (CDU), könnte da kurz der Atem gestockt haben: Zeigte nicht auch die
       Weltkunstschau in Kassel vor drei Jahren nicht wenige „planetarische
       Bauern“ – und geriet auch dadurch zwischen die kulturpolitischen Mühlsteine
       von Universalismus und Identitätspolitik, die
       [2][Antisemitismus-Diskussionen] obendrein?
       
       Wer sich so sensibilisiert die Ausstellung „Planetarische Bauern“ in Halle
       ansieht, wird nur sehr bedingt fündig: Die sechs Kurator*innen
       erzeugten mit der Auswahl der Arbeiten – jedoch fast ausschließlich ohne
       direkte Bezugnahme auf die jüngsten Bauernproteste in Deutschland – eine
       zugängliche Vielfalt künstlerischer Perspektiven auf landwirtschaftliche
       Themen.
       
       Da gibt es durchaus die Dokumentationen zu und Arbeiten von indigenen
       Gruppen – etwa die handgemalten Kalenderbilder der peruanischen NGO Waman
       Wasi mit Darstellungen [3][von Agrargemeinschaften aus dem Amazonasgebiet].
       Zu sehen gibt es aber auch im europäischen Mittelalter spielende Szenen aus
       einem Computerspiel mit Frauen bei der Feldarbeit.
       
       ## Waffen, Computerspiele und Agrarrobter
       
       Im Original stumm, hat die Künstlergruppe Total Refusal mit Sarah
       Fichtinger und Nikola Supukovic den Figuren in dieser Version Stimmen
       gegeben. Sie reden über Widerstand gegen die Pfaffen oder fordern Rechte
       ein – ein Computerspiel als alternative historische Doku.
       
       [4][Antje Majewski] hingegen unterhält sich in ihrem Video „Humus“ mit
       einem Landwirt über autonome Agrarroboter und das Konzept eines staatlichen
       Gehalts an Bauern – statt Subventionen. Einen Morgenstern als Waffe der
       Bauern um 1525 zeigt Ulrike Kuschel. Allerdings handelt es sich wohl um
       eine historische Nachbildung der Schlagwaffe, die vom Museum für Deutsche
       Geschichte in Ostberlin erworben wurde und bis 2021 im Deutschen
       Historischen Museum zu sehen war.
       
       Ein Film Kuschels gibt dann auch Auskunft darüber, wie üblich es in der
       DDR war, derlei Waffen nachzubauen. Denn es gab schlicht nicht genügend
       originales Veranschaulichungsmaterial für die Museen damals, nahmen doch
       die Bauernkreige in der DDR-Geschichtsschreibung des Klassenkampfes ein
       wichtiges Kapitel ein. Der Film ist nicht nur ein Kommentar zur
       Musealisierung des Bauernkriegsgedenkens, indirekt richtet er sich auch an
       seine Inszenierung in dieser Schau.
       
       Und da ist dann noch die Filminstallation des exilrussischen Kollektivs
       Chto Delat, in der eine Muse „ein Ende der Zensur der Solidarität mit
       Palästina“ in Deutschland fordert. Für einen Kleine-Documenta-Skandal
       reicht letzteres wohl nicht. Zusätzlich zur Ausstellung in der Moritzburg
       sind als Teil des diesjährigen Werkleitz Festivals im nahen „Zentralmagazin
       Naturwissenschaftlicher Sammlungen“ am Domplatz künstlerische
       Interventionen zwischen den Schauschränken mit den eingelegten,
       präparierten oder skelettierten Tieren zu finden.
       
       Tierischem Leben zugewandte Fotografien von Jochen Lempert etwa oder das
       Kurzporträt einer solidarischen Landwirtschaft bei Dresden, die auf dem
       Prinzip „beharrlicher Handarbeit“ beruht. Irgendwo zwischen solidarischem
       Kärrnern und revolutionären Agrarrobotern scheint sie in Halle zu liegen,
       die Zukunft der planetarischen Bauern.
       
       26 May 2025
       
       ## LINKS
       
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