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       # taz.de -- Nach Tod von Lorenz A.: Stream von Podiumsdebatte für rassistische Hetze gekapert
       
       > Anlässlich des getöteten Schwarzen Lorenz A. in Oldenburg wurde bei einer
       > Podiumsdebatte über Rassismus in der Polizei diskutiert. Doch die
       > Übertragung wurde gekapert.
       
   IMG Bild: Der Kampf geht weiter: Kundgebung nach den tödlichen Polizeischüssen auf Lorenz A. Ende April
       
       Oldenburg taz | Mehr als ein Monat ist die [1][Erschießung von Lorenz A.
       durch einen Polizisten] her, doch das Interesse in Oldenburg, sich mit dem
       Fall und der dadurch ausgelösten Debatte über Rassismus in der Polizei
       auseinanderzusetzen, bleibt groß: Ein Bündnis aus mehreren Organisationen
       hat am Dienstagabend zu einer Podiumsdiskussion über institutionellen
       Rassismus in Polizei und Justiz eingeladen – der zunächst von einer
       rassistischen Attacke auf die Veranstaltung überschattet war.
       
       Es war nach Lorenz’ Tod das erste Angebot dieser Art in Oldenburg. Die
       Veranstaltung im großen Saal des „Cine K“ war schon Tage vorher ausgebucht,
       weshalb die Organisator:innen sie zusätzlich live im Internet
       streamen wollten. Jedoch: Der Beginn der Veranstaltung musste um einige
       Minuten verschoben werden. Die meisten Besucher:innen vor Ort gingen
       von einer einfachen technischen Störung aus. Die vier
       Panel-Teilnehmer:innen, alle selbst Schwarz oder People of Color, und die
       ersten Reihen konnten jedoch hören, was der Grund für die Verzögerung war.
       
       Ein Unbekannter hatte den Stream gekapert. Er spielte über den Laptop, der
       die Veranstaltung übertrug, wiederholt das N-Wort, rassistische
       Audiobotschaften und pornografische Inhalte ab.
       
       „Dieser Vorfall war ein rassistisch motivierter Angriff. Einer von vielen,
       die zeigen, wie massiv Menschen, die Rassismus benennen und bekämpfen,
       unter Druck gesetzt und attackiert werden – selbst dann, wenn es um den
       gewaltsamen Tod eines jungen Schwarzen Mannes geht“, sagt Suraj Mailitafi
       von der Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ am Tag danach. Er war Teil
       des Panels.
       
       ## Weitere Debatten sollen folgen
       
       Der Angreifer habe laut Mailitafi das klare Ziel gehabt, „zu sabotieren, zu
       entwürdigen, zu traumatisieren.“ Der Angriff zeige, dass die
       Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus in Deutschland nicht nur
       ignoriert, sondern aktiv behindert wird. Genau deshalb habe Mailitafi sich
       nicht einschüchtern lassen: „Wenn wir nicht sprechen, spricht niemand für
       uns. Wenn wir schweigen, bleibt das System unverändert.“
       
       „Der rassistische Angriff auf unseren Livestream war ein gezielter Versuch,
       eine wichtige Diskussion zu unterbrechen und zu delegitimieren“, sagte die
       Landtagsabgeordnete der Grünen, Lena Nzume, die ebenfalls Teil des Panels
       war. „Dass ausgerechnet eine Veranstaltung über Rassismus auf diese Weise
       sabotiert wird, zeigt, wie notwendig diese Debatte ist.“
       
       Der gezielte Versuch, Betroffene zum Schweigen zu bringen – „Silencing“ –
       sei Teil des Rassismus-Problems. „Wir haben weitergemacht. Und wir hoffen,
       dass dies der Auftakt für eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung
       ist – denn nur durch die Anerkennung und den Abbau von Rassismus, besonders
       in staatlichen Institutionen, kann Vertrauen wiederhergestellt werden“,
       sagte Nzume.
       
       „So absurd wie erbärmlich“, ist das knappe Fazit von Panel-Teilnehmer Jeff
       Kwasi Klein, der schon zum Umgang der Polizei mit Schwaren Menschen
       geforscht hat. „Wir haben trotzdem gesprochen.“
       
       ## Rassistische Einstellungen in der Polizei
       
       Tatsächlich haben die meisten im Saal von dem rassistischen Angriff nichts
       mitbekommen. Nach der kurzen Verzögerung und einer technischen Umstellung
       konnte die Veranstaltung wie geplant mit Livestream beginnen.
       
       Die Professorin für Sozialpädagogik Ayça Polat war die vierte Teilnehmerin
       des Panels. Alle vier waren sich einig: Es gebe kein Erkenntnisdefizit über
       rassistische Einstellungen in der Polizei, [2][auch die Studienlage sei
       inzwischen eindeutig.] Lösungsvorschläge, wie etwa unabhängige
       Beschwerdestellen oder verpflichtende rassismuskritische Fortbildungen,
       seien seit Jahren bekannt.
       
       Die Schwierigkeit sei, diese Erkenntnisse in der Polizei mit der Politik
       umzusetzen. Das liege daran, dass weiterhin viele Verantwortliche die
       Existenz von Rassismus leugnen und jede Kritik als „Vorverurteilung“
       abwehren würden.
       
       Ein wichtiges Mittel dagegen sei [3][gesellschaftlicher Druck und ein
       öffentlicher Diskurs.] Den hat die Podiumsdiskussion angestoßen,
       Folgeveranstaltungen sind schon in Planung.
       
       29 May 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Aljoscha Hoepfner
       
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