URI: 
       # taz.de -- Abschaffung des EU-Lieferkettengesetzes: Merz droht in Brüssel mit der Kettensäge
       
       > Der neue Kanzler will das EU-Lieferkettengesetz abschaffen, dabei läuft
       > die Gesetzgebung noch. Grüne sehen einen Affront gegen die EU-Kommission.
       
   IMG Bild: Friedrich Merz sorgt gleich bei seinem ersten Brüssel-Besuch für Ärger
       
       Brüssel taz | Es war sein erster Auftritt in der EU-Kommission in Brüssel,
       und gleich gab es Ärger: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will nach dem
       deutschen auch das europäische Lieferkettengesetz abschaffen. „Wir werden
       in Deutschland das nationale Gesetz aufheben, und ich erwarte auch von der
       EU, dass sie diesen Schritt nachvollzieht und diese Richtlinie aufhebt“,
       sagte Merz in der Brüsseler Behörde.
       
       Nicht nur der Befehlston war ungewöhnlich. Es ist auch unüblich, dass sich
       ein Regierungschef [1][in die laufende EU-Gesetzgebung einmischt].
       
       Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU) hat die
       europäische Lieferketten-Richtlinie (CSDDD) gerade erst gelockert und
       aufgeschoben. Sie soll nun erst ab 2028 gelten, die
       Nachhaltigkeitsberichterstattung wird aufgeweicht.
       
       Merz reicht dies nicht. Er will nicht nur [2][die Sozial- und
       Umweltstandards kippen, die im CSDDD verankert sind], sondern gleich das
       ganze Gesetz. Und das sei erst der Anfang, so Merz: Die „viel zu groß
       gewordene europäische Regulierung“ müsse gekappt werden, sagte er in
       Brüssel.
       
       ## Aus dem EU-Parlament kommt Kritik
       
       Von der Leyen hörte sich Merz’ Forderungen an, ohne mit der Wimper zu
       zucken. Auf Druck der Christdemokraten im Europaparlament hat sie bereits
       so genannte Omnibus-Reformen zum Bürokratieabbau gestartet; die
       Entschlackung der Lieferketten-Richtlinie ist ein Teil davon.
       
       Dazu sind auch bereits Beratungen im Europaparlament und im Rat angelaufen.
       Merz’ Vorstoß kommt deshalb zur Unzeit.
       
       Entsprechend groß ist der Ärger im Parlament. Der Auftritt des Kanzlers in
       der EU-Kommission sei ein Affront gegen von der Leyen, sagte die grüne
       Europaabgeordnete Anna Cavazzini, die das CSDDD mit ausgehandelt hat, der
       taz. „Merz ist wohl noch im Wahlkampfmodus, doch in der Praxis geht das
       nicht.“
       
       Schon die laufende Reform geht Cavazzini zu weit. „Die zivilrechtliche
       Haftung ist raus. Sie ist nur noch eine Option, das führt zu einem
       Flickenteppich“, kritisiert die Chefin des Binnenmarktausschusses.
       „Außerdem hat die Kommission [3][das abgeschwächte deutsche Modell
       übernommen] – umso unverständlicher, dass Merz das Gesetz nun ganz kippen
       will!“
       
       ## Auch SPD kritisiert Merz' Vorstoß
       
       Widerspruch kommt auch von den Sozialdemokraten, die in Berlin mit in der
       Regierung sitzen. Merz’ Forderung stehe im Widerspruch zum
       Koalitionsvertrag, sagte der Chef der deutschen SPD-Gruppe im
       Europaparlament, René Repasi, der taz.
       
       „Die Passage im Koalitionsvertrag ist eindeutig: Das deutsche Gesetz fällt
       weg und wird durch die europäische Regelung ersetzt.“ Dabei müsse es
       bleiben.
       
       Ein Fall für den Koalitionsausschuss in Berlin sei der Streit zwar noch
       nicht, so Repasi. Dennoch klingen in Brüssel alle Alarmglocken. Denn die
       Konservativen im Europaparlament könnten versuchen, das Lieferkettengesetz
       gemeinsam mit Rechtspopulisten und Nationalisten zu kippen.
       
       11 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Von-der-Leyens-Plaene/!6069345
   DIR [2] /Das-Lieferkettengesetz/!6083469
   DIR [3] /Zwei-Jahre-Lieferkettengesetz/!6060684
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
       ## TAGS
       
   DIR Lieferketten
   DIR EU-Kommission
   DIR Kanzler Merz
   DIR Menschenrechte
   DIR Ursula von der Leyen
   DIR Social-Auswahl
   DIR Lieferketten
   DIR Nachhaltigkeit
   DIR Lieferketten
   DIR Textil-Discounter
   DIR Schwerpunkt Stadtland
   DIR Die Linke
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Pflichten für Unternehmen: Deutschland höhlt EU-Lieferkettengesetz aus
       
       Bevor die Richtlinie in Kraft tritt, will der Ministerrat die Klagerechte
       bei Menschenrechtsverstößen in der Lieferkette wieder abschaffen.
       
   DIR Debatte um EU-Vorgaben für Unternehmen: Mehrheit der Mittelständler ist für Nachhaltigkeitsregeln
       
       Laut einer Umfrage sind die meisten Firmen gar nicht gegen die
       Öko-Pflichten, die die EU abschwächen will. Viele sehen sogar
       Wettbewerbsvorteile.
       
   DIR Menschenrechte in Lieferketten: Friedrich Merz bekommt Gegenwind vom eigenen Vizekanzler
       
       Dass der Bundeskanzler die EU-Lieferkettenrichtlinie abschaffen will, stößt
       dem Koalitionspartner auf. Und nicht nur dem: NGOs starten eine Petition.
       
   DIR Merz will Lieferkettenrichtlinie beenden: Den Preis nicht wert
       
       Eine Abschaffung der Lieferkettenrichtlinie würde nicht nur dem
       Koalitionsvertrag widersprechen, sondern auch gesellschaftlichem Anstand.
       
   DIR Aktivistin über Grenzregion zu Polen: „Die Leute sind radikaler geworden“
       
       Katarzyna Werth engagiert sich für das deutsch-polnische Miteinander. Auf
       die Landratswahl in Vorpommern-Greifswald blickt sie mit Sorge.
       
   DIR Linksparteitag in Chemnitz: Überwiegend harmonisch
       
       Auf ihrem Parteitag geht es der Linkspartei vor allem um
       Selbstvergewisserung. Doch nicht bei allen Themen herrscht untereinander
       eitel Sonnenschein.