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       # taz.de -- Redewendungen: Einige meiner besten Freunde sind fein mit dem Wort „lecker“
       
       > Wenn der Herzensmensch bei Wohlfühltee Allergiepickel kriegt, sollte man
       > die Wortwahl überdenken. Ein Plädoyer gegen bekloppte
       > Kommunikationshülsen.
       
   IMG Bild: ‚Wohlfühltee‘?!? (Keine Angst, die Fliege hat überlebt)
       
       Anlässlich einer Diskussion darüber, wer welche Wörter oder Redewendungen
       nicht ausstehen kann, fragte ich mich, was denn mir selbst „so richtig auf
       den Wecker geht“, um hier bereits die erste Redensart zu nennen. Zum
       Beispiel das meist von Jüngeren verwendete „Ich bin fein damit“. Damit bin
       ich ums Verrecken nicht fein, weil: Das ist kein Deutsch.
       
       Doch was triggert mich daran bloß derart wutbürgerhaft: Sind es
       [1][Ageismus] und unterbewusst verwurzelte Misogynie, dieselbe, die auch
       dazu führt, dass ich von jener Frauenstimme, die die Berliner
       Yorck-Kino-Werbung spricht („… weirde Filme, cute Filme, ach, schau doch
       einfach alle Filme …“) mittlerweile krasse Allergiepickel bekomme? Denn,
       „Hand aufs Herz“, was ist so schlimm daran, dass irgendwas kein Deutsch
       ist? Ist doch gut, weil es ja sonst bedeuten würde, dass Hitler gewonnen
       hätte.
       
       Auch deshalb habe ich im Grunde gar nichts gegen [2][Anglizismen], „im
       Gegenteil, einige meiner besten Freunde sind …“, hahaha, auch so eine
       bekloppte Kommunikationshülse. Erstaunlich viele Leute cringen extrem auf
       das Wort „lecker“. Früher war bei uns zu Hause das Wort tabu, weil auch
       meine Mutter es verabscheut. „Lecker“ ist für sie und ihresgleichen mit
       schon fast pestbeulenartiger Gänsehaut verbunden, so als hätte jemand vor
       ihnen mit langen Fingernägeln auf einer Tafel gekratzt oder am rauen
       Parkastoff geleckt.
       
       Dieser Effekt stellt sich wiederum bei mir angesichts des Satzes ein: „Ich
       wünsche meinem Herzensmenschen eine traumschöne Zeit.“ Wer „Herzensmensch“
       sagt, trinkt auch „Wohlfühltee“ oder [3][entführt Gesundheitsminister]. So
       jemand ist nicht zu trauen. Pathos ist bombastbeladener Gefühlsersatz für
       Leute, die als sensibel gelten wollen, ohne es zu sein.
       
       Davon geht mir doch „das Messer in der Tasche auf“, übrigens ebenfalls ein
       Ausdruck, der so bescheuert ist, dass ich verstehen würde, dass anderen da
       das Messer in der Tasche aufgeht. Denn wenn einem das Messer in der Tasche
       aufgeht, ist das – ein weiterer schlimmer Halbsatz – „ein klassisches
       Eigentor“: Es drohen Verstümmelungen im Genitalbereich bis hin zur
       [4][Kastration], sodass wir auf einmal völlig andere Sorgen hätten als
       kleinmütiges Nölen über Wörter, die wir nicht lecker finden. Das wird uns
       dann „ganz sicher eine Lehre sein“.
       
       26 May 2025
       
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