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       # taz.de -- Macherinnen über Immergut Indie-Festival: „Dinge ausprobieren ist toll“
       
       > Das Immergut Festival in Neustrelitz feiert sein 25-jähriges Jubiläum.
       > Seine zwei Macherinnen sprechen über Konzerte nach Corona und Indie trotz
       > AfD.
       
   IMG Bild: Es megalässig angehen: bei einem Konzert von FM Belfast beim Immergut Festival 2014
       
       taz: Glückwunsch, ihr Festival Immergut feiert die 25. Ausgabe. Es mag
       Zufall sein, Sie beide sind ebenfalls 25. Zur wievielten Generation von
       Festivalmacher:innen gehören Sie? 
       
       Charlotte Brehe: Wir gehören wohl zur dritten Generation. Einige unserer
       Mitstreiter sind Kinder langjähriger Festivalgäste. Andere
       Vereinsmitglieder sind schon seit den Nullern dabei. Das
       Generationsübergreifende ist wertvoll, schön und bisweilen fordernd.
       
       taz: Wie darf man sich die Vereinsarbeit bei Ihnen vorstellen? 
       
       Brehe: Wir sind 130 Mitglieder, in 25 Minigruppen organisiert, von
       Infrastruktur über Kommunikation bis zu Nachhaltigkeit. Etwa 30 Mitglieder
       sind das ganze Jahr über aktiv.
       
       taz: Klingt komplex. Wo liegt der Reiz an Ihrer ehrenamtlichen Arbeit? 
       
       Charlotte „Lotzi“ Litzinger: [1][Anders als ehrenamtlich wäre die
       Organisation des Festivals an diesem Ort gar nicht möglich. Toll ist, Dinge
       auszuprobieren – ohne, dass es sich kommerziell tragen muss.]
       
       Brehe: Alle können Ideen einbringen. Schön sind auch die Vereinsevents ums
       Festival herum.
       
       taz: Wie finden Sie Nachwuchs? Neustrelitz ist ja mit 20.000
       Einwohner:innen überschaubar? 
       
       Brehe: Am örtlichen Gymnasium gibt es einen Projektkurs Kooperation mit dem
       Verein. Dadurch kommen immer wieder neue Leute in unsere engeren
       Strukturen. Tatsächlich haben die meisten Mitglieder eine direkte
       Verbindung zu Neustrelitz, auch wenn viele zum Studium dann hier weggehen.
       
       Litzinger: Manche kommen in den Verein, nachdem sie uns als Gäste
       kennengelernt haben – wie ich vor drei Jahren.
       
       taz: Worin besteht Ihr Job genau? 
       
       Brehe: Wir sind die Einzigen, die etwas Geld verdienen. Beide studieren wir
       in Berlin, haben je eine halbe Stelle als Werkstudentinnen und kümmern uns
       ums Büro und das Booking. Zudem ist es unser Job, ein Gerüst fürs Ehrenamt
       zu schaffen. 130 Leute zu koordinieren, ist herausfordernd, das Konstrukt
       Festival wird immer komplexer.
       
       taz: Bei der letzten Bundestagswahl erhielt die AfD im Wahlkreis, zu dem
       Neustrelitz gehört, etwa 40 Prozent der Stimmen. Was das für Gesellschaft
       und Kultur bedeutet, dazu wird es beim Festival eine Podiumsdiskussion
       geben. Sorgen Sie sich auch im Hinblick auf die konkrete Festivalzukunft –
       zum Beispiel, dass Rechtsextreme direkt oder indirekt über Fördergelder
       entscheiden?
       
       Brehe: Wir bekommen vor allem Bundesförderung, etwa von der Initiative
       Musik. [2][Auf jeden Fall können wir sagen, dass wir ein sehr gutes
       Verhältnis zum parteilosen Bürgermeister haben. Auch die Stadtverwaltung
       unterstützt uns. Das Festival ist in gewisser Weise in Neustrelitz
       etabliert. Was in Zukunft passiert, wird man sehen müssen.]
       
       taz: Die Arten, wie Menschen Musik hören, haben sich in den vergangenen 25
       Jahren durch die Digitalisierung deutlich verändert. Feiern sie auch
       anders? 
       
       Brehe: Ein wesentlicher Faktor ist die Pandemie. Wer um das Jahr 2020 17-
       oder 18-jährig war, kennt das Konzept Festival vielleicht gar nicht. Das
       galt, es erst einmal wieder zu etablieren.
       
       Litzinger: Auch [3][Indie]-Musik differenziert sich im Netz immer weiter
       aus, Leute entdecken Künstler:innen daher auf unterschiedlichsten
       Kanälen. Auch da versuchen wir, mit der Zeit zu gehen. Uns geht es ja
       darum, Nachwuchskünstler:Innen und talentierte Bands zu fördern und
       sie erstmals nach Mecklenburg-Vorpommern zu holen.
       
       taz: Nach dem Boom in den 2010er Jahren haben viele Festivals inzwischen
       aufgegeben. Müssen Sie kämpfen oder bleibt das Immergut auch da etabliert?
       
       Brehe: Die Produktionskosten sind enorm gestiegen: Fachkräftemangel,
       Inflation, gestiegene Energie- und Reisekosten. Natürlich stellt sich da
       die Frage: Bis wohin gehen Besucher:innen mit? Das Budget für Kultur
       ist ja beschränkt.
       
       taz: Können Sie bei den Tickets bitte präzisieren? 
       
       Brehe: 2019 führten wir eine hochemotionale Diskussion, als die
       Eintrittspreise erstmals über 100 Euro stiegen. Mittlerweile fangen
       Frühbucher-Tickets bei 115 Euro an. Wer später kauft, zahlt für drei Tage
       150 Euro. Wir versuchen, Zugänglichkeitskanäle offen zu halten, etwa indem
       wir günstige Tickets für Schüler:innen aus der Region anbieten. Ein
       Problem ist, dass sich Leute seit Corona oft erst spontan entscheiden.
       Gründlich geplante Touren mussten deshalb in letzter Sekunde abgesagt
       werden. Auch wir hatten letztes Jahr so viele kurzfristige Tagesgäste wie
       nie zuvor. Diesmal verkaufen wir deshalb diesmal Tickets über die Infield
       App, wo man noch bis kurz vor Festivalbeginn stornieren kann.
       
       taz: Aus Publikumsperspektive betrachtet: Was macht Ihr Festival denn
       besonders? 
       
       Brehe: Eine bekannte Band wie Bilderbuch aus Wien lässt sich bei uns ohne
       breite Wellenbrecher erleben. Das Tagesprogramm, angefangen mit der Morning
       Show von Sam Vance-Law und Uli Brase sorgt auch tagsüber für eine besondere
       Atmosphäre. Zwischendurch zum Badesee zu fahren, wo gibt es das sonst? Die
       Nähe zwischen Künstler:innen, Publikum und den Mitarbeitenden. Es sind
       kleine Details, die den Gästen ein gutes Gefühl vermitteln: Etwa, dass alle
       immer noch ein gedrucktes Programmheft in die Hand bekommen, für das wir
       uns eigene Texte haben einfallen lassen.
       
       taz: Und wie begeht Ihr Festival seinen Geburtstag?
       
       Litzinger: Beim Line-up werden sich auch die letzten 25 Jahre abbilden, mit
       Künstler:Innen, die schon mal da waren: Etwa Erobique aus Hamburg, die
       schwedische Band Shout Out Louds oder Drangsal. Ich persönlich freue mich
       besonders auf einen Neuzugang, den Norweger Beharie und seinen Soulpop.
       
       Brehe: Und ich auf die englische Künstlerin Nilüfer Yanya, die 2019
       erstmals bei uns war – damals noch auf der kleinen Bühne. Diesmal kommt sie
       mit megalässiger Band.
       
       19 May 2025
       
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