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       # taz.de -- Gaza, Migrationspolitik, Rauchverbot: Demokratische Hygiene
       
       > Merz macht ihn auf wegen Israel, Merkel wegen Merz, und in Spanien hat er
       > keine Kippe mehr zwischen den Nachtclublippen: der Mund.
       
   IMG Bild: Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Live-Radioshow, April 2025
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Staatsdemolierer Musk tritt ab.
       
       taz: Und was wird besser in dieser? 
       
       Küppersbusch: [1][Was macht eigentlich Christian Lindner?]
       
       taz: [2][Bundeskanzler Merz versteht das Vorgehen der israelischen Armee
       im Gazastreifen „offen gestanden nicht mehr“]. Ist das die Zeitenwende im
       deutsch-israelischen Verhältnis? 
       
       Küppersbusch: Nein, die Bewährung. Das Lauteste an Merz’ Äußerung ist das
       Schweigen danach. Anmoderiert hatte den Take der Antisemitismusbeauftragte
       der Bundesregierung Tage vorher, mit Verständnis antwortete Israels
       Botschafter in Berlin tags drauf. Bisher nennt das Netanjahu-Regime die
       Opposition Antisemiten und Kritik aus der EU Judenhass. Nichts wäre
       leichter gewesen, als den Deutschen, [3][den Enkel eines
       NS-Bürgermeisters], genauso rhetorisch wegzusortieren. Doch [4][zwei
       Drittel der EU-Länder wollen das Assoziierungsabkommen mit Israel wegen
       dessen Völkerrechtsverstößen und Kriegsverbrechen beenden]. Wichtigster
       Player in der EU: Merz’ Deutschland. Bringt sein O-Ton Israel zu
       Zugeständnissen, wird er in der EU gegen Strafen argumentieren können.
       Oder, wie Merz es abends im „heute journal“ trefflich formulierte: „Frau
       Hayali, es geht jetzt nicht um Konsequenzen.“
       
       taz: Derweil hat die Kriegsführung Israels offenbar zum [5][Tod von
       Hamas-Chef Mohammed Sinwar] geführt. Ist das ein Erfolg oder ein weiterer
       Schritt in die Sackgasse? 
       
       Küppersbusch: Es hält die Fiktion aufrecht, Zehntausende zivile Tote seien
       Kollateralschäden der Zerstörung der Hamas.
       
       taz: Angela Merkel kritisiert die Migrationspolitik von Schwarz-Rot. Gut
       so? Und hat sie recht? 
       
       Küppersbusch: Es ist schlecht – und sie hat recht. Grundsätzlich ist es
       demokratische Hygiene, sich nicht über die Nachfolge zu äußern: um den
       Laden nicht zu destabilisieren, um Demut vor dem Wahlvolk zu zeigen, eine
       gute Verliererin zu sein und auch eigene Fehler nicht wegzuschminken. Wer’s
       nicht glaubt, schaue sich den Edeldemokraten Trump nach Bidens Wahl an.
       Merkel knüpft hier allerdings an eine biografische Tradition an: von der
       DDR-Bürgerin, die trotzdem ihre eigene Meinung hatte, bis hin zur
       CDU-Trümmerfrau, die den schmutzigen Job machte, weil’s sonst keiner tat.
       Dann ist es Treue zu sich und auch zu den Leuten, die „die gesamte
       Glaubwürdigkeit der Sonntagsreden über unsere tollen Werte in Europa und
       die Menschenwürde“ nicht preisgeben wollen – wie Merkel sagt. Und es ihr
       viele glaubten.
       
       taz: [6][In der Schweiz begräbt eine Gletscherlawine ein ganzes Dorf unter
       sich.] Wie lange können wir die [7][Klimakatastrophe] noch neutral
       behandeln? 
       
       Küppersbusch: Es ist nicht schön für Blatten, doch wenn selbst die
       Bild-„Zeitung“ seitenweise Vorher-nachher-Bilder zeigt und sich am Thrill
       des Dorfuntergangs ergötzt, ist für die Klimadebatte mehr getan, als wenn
       irgendwo noch ein Aktivist klebt.
       
       taz: In Spanien wird die Antirauch-Gesetzgebung noch verschärft. Brauchen
       wir das hier auch, oder reicht auf Malle? 
       
       Küppersbusch: Auf Mallorca trifft es nun auch Terrassen, Außenbereiche von
       Nachtclubs und öffentliche Schwimmbäder. Was immer man bisher über
       Nachtclubs gedacht haben mag – in Wirklichkeit wurde da gepafft. Rauchen
       wie Gott in Frankreich taugt auch nix mehr, dort kostet öffentliches
       Rauchen ab dem 1. Juli 135 Euro. Marktwirtschaftlich wäre, die Schachtel
       Kippen kostete 150 Euro und die Strafe wäre gleich mit drin – hier, muss
       man zugeben, fehlt uns die FDP. Die vergleichsweise laxen deutschen Gesetze
       laden zu touristischer Vermarktung ein. Lunge, komm bald wieder, mit
       Vollpension.
       
       taz: [8][Wenn Ex-VW-Manager Jahre nach dem Dieselskandal verurteilt
       werden], ist das dann noch ein Sieg der Gerechtigkeit? 
       
       Küppersbusch: Die schönste Strafe ist, dass die Bastelmafia sich ihren
       Betrug selbst geglaubt hat. Der Ingenieursporno vom „sauberen Diesel“ hat
       die Branche Jahrzehnte daran gehindert, den Tatsachen ins Endrohr zu gucken
       und auf E-Motoren umzusteuern. Kunden haben für ein sauberes Auto bezahlt
       und bekommen, nach Verjährung und allerhand Rechtstricks, einen
       aufmunternden Klaps auf die Motorhaube – statt Ersatz. Im Prozess wurde
       laut Richter „vorsätzlich unzutreffend“ ausgesagt, die Urteile mögen nur
       Rechtslenker trösten, und die Täter fahren ohne Rückspiegel weiter. Von
       1996 an betrieben Porsche, VW, Audi, Mercedes und BMW in Weissach ein
       „gemeinsames Forschungszentrum für Abgasreinigung“. Unter dem Skandal wurde
       es 2018 geräuschlos liquidiert. Da könnte ein Gericht mal eine Spritztour
       hin machen.
       
       taz: Und was macht der RWE? 
       
       Küppersbusch: Hat mir zum Geburtstag mit einem 5-Euro-Gutschein gratuliert
       – taz, da hängt die Latte.
       
       Fragen: Philipp Rhensius, waam
       
       1 Jun 2025
       
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