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       # taz.de -- Schadensersatz wegen Doku: Ex-Politiker Gerry Adams gewinnt gegen BBC
       
       > Ein Dubliner Gericht urteilt: Die BBC hat Ex-Sinn-Féin-Chef Adams zu
       > Unrecht beschuldigt, den Mord an einem britischen Agenten angeordnet zu
       > haben.
       
   IMG Bild: Gerry Adams nach seinem Sieg über die BBC
       
       Berlin taz | Die [1][BBC] hat Gerry Adams verleumdet, indem sie 2016 in
       einem Dokumentarfilm behauptet hatte, er habe die Ermordung des britischen
       Agenten Denis Donaldson angeordnet. Adams war früher Präsident von Sinn
       Féin, dem damaligen politischen Flügel der inzwischen aufgelösten
       [2][Irisch-Republikanischen Armee (IRA)].
       
       Die Behauptung der BBC beruhte auf einer anonymen Quelle namens „Martin“.
       Die Geschworenen des High Court [3][in Dublin] befanden am Freitag, dass
       die BBC nicht in gutem Glauben oder auf faire und angemessene Weise
       gehandelt hatte, und sprachen Adams 100.000 Euro Schadenersatz zu.
       
       Donaldson war hochrangiger Funktionär von Sinn Féin, enger Berater von
       Adams und ein Freund von Bobby Sands, der 1981 im Hungerstreik starb. Mit
       beiden hat er in den 70er Jahren eine Zelle in Gefangenenlager Long Kesh
       geteilt, wo er wegen IRA-Mitgliedschaft einsaß. Danach begann er, für die
       Geheimdienste zu arbeiten, bis er sich 2006 outen musste. Kurz darauf wurde
       er erschossen.
       
       Neben dem Schadensersatz muss die BBC die Prozesskosten in Höhe von rund 3
       Millionen Euro zahlen. Es war ein schwerer Schlag für ihr
       Dokumentar-Flaggschiff „Spotlight“. Seit mehr als einem halben Jahrhundert
       beleuchtet es dunkle und wenig beachtete Themen in Nordirland, das
       Programm hat zahlreiche Preise gewonnen.
       
       Das Urteil wirft Fragen über das Programm und die Auswirkungen des Falles
       auf den Journalismus im Vereinigten Königreich und in Irland auf. Dass
       Spotlight einen so hochkarätigen und teuren Fall verloren hat, sei ein
       schlechter Tag für den Journalismus, sagt Noel Doran, ein ehemaliger
       Redakteur der nordirischen Tageszeitung Irish News: „Es wird eine
       abschreckende Wirkung auf die Redaktionen haben. Die Leute werden sich
       alles, was mit Adams zu tun hat, sehr genau überlegen.“
       
       Adams bestreitet, Mitglied der IRA gewesen zu sein, aber das glauben ihm
       nicht mal seine Anhänger. Schließlich gehörte er 1972 der IRA-Delegation
       an, die in London mit der britischen Regierung über einen Waffenstillstand
       verhandelte. Darüber hinaus war er der wichtigste Architekt des
       Friedensprozesses. Es war Adams, der die IRA zur Aufgabe ihrer Waffen
       überredete.
       
       ## Schlechter Verlierer
       
       Ein Außenstehender wäre dazu kaum in der Lage gewesen. Er hat aber nie
       rechtliche Schritte gegen die seit Langem verbreiteten Behauptungen
       unternommen, er sei Kommandant in Belfast und Mitglied des IRA-Armeerats
       gewesen. Die Unterstellung, er habe einen Mord angeordnet, ging aber zu
       weit.
       
       Die BBC ist ein schlechter Verlierer, sie erwägt nach Gerry Adams'
       Verleumdungssieg vor einem Dubliner Gericht Geoblocking für die Republik.
       Die möglichen Folgen sind vielfältig: TV- und Radioprogramme sowie Inhalte
       von Nachrichtenseiten könnten geblockt werden, sodass sie in der Republik
       nicht mehr abrufbar sind.
       
       Jennifer O’Leary, die BBC-Journalistin, die hinter der Spotlight-Sendung
       steht, sagte, es sei im öffentlichen Interesse gewesen, die Behauptung über
       Adams in die Sendung aufzunehmen. Sie sagte, sie habe „äußerste Sorgfalt“
       walten lassen. Die Zukunft des investigativen Journalismus in Nordirland
       stehe infrage.
       
       In einer Erklärung nach dem Urteilsspruch sagte Jane Donaldson, die Tochter
       von Denis Donaldson, Adams habe die Tragödie ihrer Familie
       „bagatellisiert“, indem er „Ereignisse, die unser Leben zerstört haben, auf
       eine Debatte über die Schädigung seines Rufes reduziert“ habe. Sie fordert
       eine öffentliche Untersuchung der Tat.
       
       „Wir wissen nicht, wer daran beteiligt war, aber wir brauchen Antworten“,
       sagte sie. Adams war laut Gerichtsurteil jedenfalls nicht daran beteiligt.
       
       3 Jun 2025
       
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