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       # taz.de -- Südkorea: Linker Oppositionsführer Lee gewinnt Präsidentschaftswahl
       
       > Der linke Oppositionsführer Lee Jae-myung ist neuer Präsident in
       > Südkorea. Der konservative Gegenkandidat Kim Moon Soo räumte seine
       > Niederlage ein.
       
   IMG Bild: Der linksliberale Kandidat Lee Jae-myung hat die Wahl gewonnen
       
       Seoul taz | Vor der Zentrale der Demokratischen Partei in Seoul wurde die
       erste Hochrechnung standesgemäß gefeiert: mit blauen Leuchtstäben und
       aufputschendem K-Pop. Hier, nur einen Steinwurf vom Parlament entfernt,
       wird Demokratie wie ein Volksfest inszeniert. Am Abend (MESZ) steht das
       Endergebnis dann fest: [1][Lee Jae-myung, der einst linke PolitSchreck,
       wird Südkoreas politische Zukunft bestimmen].
       
       Für Kristian Brakel, Ostasien-Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in
       Seoul, zeigt das Wahlergebnis, dass sich die Südkoreaner mehrheitlich
       [2][nach einem politischen Wandel sehnen]. „Dass die konservative Partei
       allerdings unter den gegebenen Bedingungen immer noch relativ gut
       abgeschnitten hat, zeigt dann aber auch, wie tief die Polarisierung in dem
       Land immer noch geht“, so der Politikexperte.
       
       Vor genau einem halben Jahr hat der konservative Ex-Präsident [3][Yoon
       Suk-yeol] überraschend das Kriegsrecht ausgerufen und Spezialkräfte der
       Armee zum Parlament entsandt. Die Ausnahmesituation konnte zwar wieder
       abgewandt werden, doch der Imageschaden blieb: Südkorea drohte, in die
       Vergangenheit der autoritären Militärherrscher zurückzufallen. Und trotzdem
       wählte ein beachtlicher Teil der Bevölkerung mit dem ehemaligen
       Arbeitsminister Kim Moon-soo einen engen Vertrauten Yoons.
       
       ## Lee Jae-myung spiegelt Aufstieg des Landes wider
       
       Dass der künftige Präsident Yoon das gespaltene Land einen kann, gilt als
       nahezu ausgeschlossen. Doch ohne stabile Verhältnisse sind die Aufgaben,
       vor denen Südkorea steht, kaum zu meistern: Die Wirtschaft, die
       jahrzehntelang boomte, ist im letzten Quartal sogar geschrumpft. Die
       Spannungen gegenüber Nordkorea sind zuletzt wieder deutlich gestiegen, seit
       Pjöngjang eine beispiellose Militärkooperation mit Moskau eingegangen ist.
       Hinzukommen Trumps Strafzölle, die eine Exportnation wie Südkorea ganz
       besonders hart treffen würden.
       
       Doch Lee Jae-myung ist vielleicht genau die richtige Person für den Job.
       Denn die Aufsteiger-Biografie des linken Politikers spiegelt schließlich
       geradezu archetypisch den beeindruckenden Aufstieg des Landes wider. Doch
       konnte sich Lee Jae-myung aus den Fesseln der Armut befreien, und zwar dank
       eines Studiums an der Chungang-Universität in Seoul. Bildung als
       Möglichkeit für den sozialen Aufstieg: Bis heute hat sich diese Idee tief
       in die kollektive Psyche der Koreaner eingebrannt. Und Lee ist das beste
       Beispiel dafür: Nach seinem Abschluss machte er sich als
       Menschenrechtsanwalt einen Namen.
       
       Als Politiker galt der Südkoreaner einst in seinem Heimatland als
       linkspopulistisch bis teilweise radikal. Dass er etwa – noch als
       Lokalpolitiker – ein bedingungsloses Grundeinkommen forderte, war im
       ostasiatischen Tigerstaat bis dato unerhört.
       
       Doch Lee ist es gelungen, sich neu zu erfinden – und auch für die
       politische Mitte zu öffnen. Außenpolitisch möchte er eine diplomatische
       Balance zu China wieder erlangen, ohne jedoch die Allianz mit den USA zu
       gefährden. Doch auch gegenüber Russland dürfte Lee weniger Distanz wahren,
       als es sein Vorgänger Yoon tat.
       
       Innenpolitisch setzt sich Lee für verkürzte Arbeitszeiten ein, einen Ausbau
       der erneuerbaren Energien und verstärkte Investitionen in
       Zukunftstechnologien. Ob er seine Vision auch in die Tat umsetzen kann,
       hängt vor allem davon ab, ob er auch Teile der Opposition bei der Stange
       halten kann. Andernfalls droht sich das Schicksal vieler südkoreanischer
       Regierungen erneut zu wiederholen: dass diese nämlich in Streit und
       Blockaden enden.
       
       3 Jun 2025
       
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