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       # taz.de -- Weniger Millionäre in Deutschland: Die armen Reichen
       
       > Auch unter Reichen konzentriert sich das Geld immer mehr – bei den
       > Superreichen. Hier sollte eine kluge Umverteilungspolitik ansetzen.
       
   IMG Bild: Auf die Frage, was er mit einer Million machen würde, sagte Moderator Günther Jauch mal: „Zu den anderen legen“
       
       Das ist wirklich mal ein Problem von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Es
       gibt in Deutschland deutlich weniger Millionär:innen. Im vergangenen Jahr
       ist ihre Zahl um 41.000 gesunken – das waren 2,5 Prozent weniger als im
       Vorjahr. Das geht aus dem [1][World Wealth Report 2025] hervor, den das
       Capgemini Research Institute am Mittwoch veröffentlicht hat.
       
       Ganz anders sieht es global aus. Da ist die Zahl der Millionär:innen um
       2,6 Prozent gestiegen. Und die Zahl der superreichen
       Multimilionär:innen stieg weltweit sogar um mehr als 6 Prozent. Droht
       den Reichen in Germany also der Absturz in die Armut? Und wie passt das zu
       den [2][von Rekord zu Rekord kletternden Aktienkursen]?
       
       Eine genauere Betrachtung der Zahlen führt zu durchaus überraschend
       erscheinenden Ergebnissen – und zum Ansatz für eine Umverteilungspolitik,
       die selbst die scheinbar gut Betuchten befürworten könnten. Denn Millionäre
       sind heutzutage auch nur noch etwas reichere arme Schlucker.
       
       Glücksspielanbieter haben das längst durchschaut. Mit dem
       Millionärsversprechen [3][locken sie niemanden mehr zum Zocken]. Um die
       Massen kirre zu machen und in die Irre zu leiten, müssen schon 100
       Millionen im Jackpot liegen. Denn mit der „Million“, die vielen bis heute
       als Benchmark für den irreversiblen Ausbruch aus allen Existenzsorgen gilt,
       kommt man nicht mehr weit.
       
       ## Eine Million für eine Wohnung
       
       Wer sich zum Beispiel in Städten wie Berlin, München oder Hamburg eine
       familiengerechte Wohnung zulegen will, um sich der Vertreibung durch
       Spekulation zu erwehren, muss dafür schnell mal eine Million auf den Tisch
       legen. Das Geld ist zwar nicht weg, aber nicht mehr frei verfügbar fürs
       fröhlich Geld vermehrende Spekulantentum auf Kosten anderer. Und deshalb
       zählt es für die Statistiken von Capgemini nicht mehr. Wer dort als HNWI,
       als High-Net-Worth-Individual, also als vermögende Privatperson, gezählt
       werden will, muss schon eine Million Dollar flüssig haben.
       
       Für die breite Masse der Normalverdiener:innen, die nicht mal davon
       träumen dürften, auch nur in die Nähe eines siebenstelligen Finanzvermögens
       zu kommen, selbst wenn sie so viel schuften würden, wie Bundeskanzler
       Friedrich Merz das gerne hätte, mag das zynisch erscheinen. Aber selbst die
       Normalmillionär:innen sind mittlerweile [4][zum potenziellen Partner
       der Solidarität geworden] – zumindest die, die Berater:innen vom
       Capgemini als „Millionaires Next Door“ einstufen, weil sie nicht mehr als 5
       Millionen auf der Kante haben.
       
       Denn nur deren Zahl ist im vergangenen Jahr verantwortlich gewesen für den
       [5][Rückgang der Millionär:innen in Deutschland]. Capgemini nennt als
       Hauptgrund dafür die wirtschaftliche Stagnation in den größten Ländern
       Europas.
       
       Trotz dieser Stagnation ist das Gesamtvermögen der Reichen aber noch
       gestiegen. Anders gesagt: auch unter den Extremkapitalbesitzern
       konzentriert sich das Geld immer mehr auf die wenigen ganz, ganz oben. Den
       Normalmillionär:innen geht die Puste aus, und die Superreichen werden
       noch superreicher.
       
       Die Analysten von Capgemini nennen sie die „Ultra-High-Net-Worth
       Individuals“. Die Zahl dieser Ultras mit jeweils mehr als 30 Millionen
       Dollar auf der Kante ist europaweit im letzten Jahr um 3,5 Prozent
       gestiegen, ihr Gesamtvermögen aber gleich um mehr als 6 Prozent.
       
       ## Der Sack Reis füllt sich
       
       Die Dimensionen, in denen sich diese Ultras bewegen, hat die
       Entwicklungsorganisation Oxfam kürzlich [6][in einem Video sehr anschaulich
       gemacht] – anhand von Reiskörnern. Wenn ein Korn einem Vermögen von 100.000
       Euro entspricht, kommt ein Millionär auf 10 Reiskörner. Ein Ultra käme auf
       mindestens 300. Ein Milliardär sogar auf 10.000!
       
       Damit ist klar: Die Grenze zwischen Arm und Reich verläuft nicht zwischen
       Bürgergeldempfänger:in und Topverdiener:in, sondern zwischen
       Millionär:in und Multimillionär:in – zumindest für eine
       Umverteilungspolitik, die eben nicht den Normalmillionären Angst um ihr
       Erspartes macht, sondern dort ansetzt, wo das Geld sich wie in prall
       gefüllten Reissäcken staut: bei den wirklich Reichen – mit der überfälligen
       Milliardärssteuer.
       
       4 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.capgemini.com/de-de/insights/research/world-wealth-report/
   DIR [2] /Der-DAX-Rekord-ist-Nonsense/!6088301
   DIR [3] /Lotto-Berater-ueber-seinen-Job/!5901663
   DIR [4] /Ex-Millionaer-warnt/!6079409
   DIR [5] /Merz-Soeder-und-Reichtum/!6063163
   DIR [6] https://www.instagram.com/reel/DGYmOPhsviP/?utm_source=ig_web_copy_link&igsh=MzRlODBiNWFlZA==
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gereon Asmuth
       
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