URI: 
       # taz.de -- Studie über Blei im Blut von Kindern: Bergbau kontaminiert Harzer Kinder
       
       > Bei über der Hälfte der Kinder im Vorschulalter im Kreis Goslar liegt die
       > Bleikonzentration über dem Referenzwert. Schuld daran sei der Bergbau.
       
   IMG Bild: Hochgiftiger Silvesterbrauch und deshalb seit 2018 EU-weit verboten: Bleigießen
       
       Göttingen taz | Mehr als die Hälfte der Kinder im Kreis Goslar hat zu viel
       Blei im Blut. Darauf deuten die Ergebnisse einer aktuellen Studie hin.
       Demnach wird der sogenannte Referenzwert für die Bleikonzentration im Blut
       bei 51 Prozent der Mädchen und Jungen im Vorschulalter überschritten.
       Bundesweit ist das bei etwa fünf Prozent aller Kinder der Fall.
       
       Dieser Referenzwert ist ein Vergleichswert. Er beträgt für Drei- bis
       Elfjährige 19 Mikrogramm pro Liter, für Jungen liegt er bei 22 Mikrogramm
       pro Liter. In Goslar liegt die Bleikonzentration für alle Kinder bei
       durchschnittlich 22,7 Mikrogramm pro Liter.
       
       Für die Studie hatten sich 310 Kinder aus dem Landkreis freiwillig und mit
       Einverständnis der Eltern bei der Schuleingangsuntersuchung zwischen
       September 2023 und Juni 2024 testen lassen. Wissenschaftler der
       Ludwig-Maximilians-Universität München nahmen von den Fünf- bis
       Siebenjährigen unter anderem Blutproben. Insgesamt waren rund 1.200
       angehende Grundschüler und -schülerinnen zur Test-Teilnahme eingeladen.
       
       ## Keine unbedenklichen Werte
       
       [1][Bei einer ersten Untersuchung in den Ortschaften Oker und Harlingerode]
       im Kreis Goslar waren die Forscher bereits 2022 zu ähnlichen Ergebnissen
       gekommen. Damals beteiligten sich 89 Grundschulkinder und 124 Erwachsene an
       der freiwilligen Studie, knapp 400 Personen war eine Teilnahme angeboten
       worden. Oker und Harlingerode wurden ausgewählt, weil dort weiterhin
       metallverarbeitende Betriebe ansässig sind. Der Landkreis hatte die
       Untersuchung erst nach erheblichem Druck von besorgten Bürgern und von
       Umweltverbänden in Auftrag gegeben, die fachliche Leitung lag bereits
       damals bei der Uni München.
       
       Eine [2][hohe Belastung mit Blei] kann unter anderem das Krebsrisiko
       erhöhen, auf das Nervensystem schlagen oder Nierenschäden verursachen.
       Grundsätzlich gebe es für Kinder keinen unbedenklichen Blut-Bleiwert, hieß
       es schon damals. Bei gesund lebenden Menschen sei das gesundheitliche
       Risiko aber verhältnismäßig gering.
       
       Es sei bekannt, dass erhöhte Bleibelastungen insbesondere bei Kindern mit
       gesundheitlichen Risiken verbunden seien, sagte Dennis Nowak, Direktor des
       Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der
       Uni München, bei der Vorstellung der neuen Studie. Aussagen zu
       individuellen gesundheitlichen Auswirkungen seien im Rahmen der
       Untersuchung jedoch nicht möglich gewesen, da die Fallzahl begrenzt war.
       
       Als Hauptursache für die hohen Bleikonzentrationen im Kinderblut gelten
       Schwermetallbelastungen in den Böden infolge des im Mittelalter betriebenen
       Bergbaus im Harz. Unter Verdacht stehen aber auch Industriebetriebe, die
       bis vor wenigen Jahrzehnten produzierten wie die [3][Zinkhütte Harlingerode
       oder die Zinkoxydhütte und die Bleihütte Oker]. In der Region sind weitere
       Fabriken und Müllverbrennungsanlagen ansässig, die mit
       gesundheitsschädlichen Substanzen hantieren.
       
       ## Höhere Bleiwerte im Sommer
       
       Lea John, Hauptautorin der Studie, betonte, dass Kinder, die in den Herbst-
       und Wintermonaten ihre Blutprobe abgaben, tendenziell eine niedrigere
       Blut-Bleikonzentration aufwiesen. Dies könne damit zusammenhängen, dass
       während der kalten Jahreszeit weniger draußen gespielt werde. „Der
       Zusammenhang zwischen der bestehenden Bodenbelastung und dem Spielen im
       Garten oder auf anderen Flächen ist bei der Auswertung der Ergebnisse
       deutlich hervorgetreten.“ Demnach hätten Kinder, die häufig draußen
       spielen, höhere Bleiwerte, sagte John.
       
       Goslars Amtsarzt Martin Hepp empfiehlt gründliches Händewaschen nach dem
       Spielen. Daneben sollen Spielflächen der Behörde zufolge auch in den
       Privatgärten so gestaltet sein, dass die Kinder möglichst wenig mit
       belastetem Boden in Kontakt kommen. Nach Angaben des Landkreises wurden in
       vielen Bereichen belastete Böden bereits gegen unbelastete ausgetauscht.
       
       Dem Umweltverband BUND zufolge deutet vieles darauf hin, dass auch die
       Nachbarlandkreise Wolfenbüttel und Göttingen von der Bleibelastung
       betroffen sind. „Hier sollten ergänzende Untersuchungen stattfinden“,
       forderte Friedhart Knolle vom BUND Westharz.
       
       5 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Vergiftungen-im-Harz/!5841338
   DIR [2] /Umweltverschmutzung-in-Mexiko/!6066436
   DIR [3] /Zinkhuetten-in-Niedersachsen/!5610980
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reimar Paul
       
       ## TAGS
       
   DIR Vergiftung
   DIR Harz
   DIR Blut
   DIR Gift
   DIR Studie
   DIR Kinder
   DIR Bergbau
   DIR Social-Auswahl
   DIR Mexiko
   DIR Umweltgifte
   DIR Gift
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Umweltverschmutzung in Mexiko: Toxische Beziehungen
       
       Industrieabfälle verseuchen den Atoyac-Fluss in Mexiko. Unter den
       Verschmutzern sind auch deutsche Firmen, die von laxen Vorschriften
       profitieren.
       
   DIR Vergiftungen im Harz: Zu viel Blei im Blut
       
       Eine Studie stellt hohe Werte bei Grundschulkindern in Nordharz-Gemeinden
       fest. Als Verursacher kommt nicht nur der historische Bergbau infrage.
       
   DIR Zinkhütten in Niedersachsen: Gift im Blut?
       
       Weil Anwohner am Harzrand über gesundheitliche Beschwerden klagen, will das
       Landesgesundheitsamt Blutproben auf Schwermetalle untersuchen.